Pink Panther

Das Monopol der Telekom ist Geschichte, der Postminister geht in Pension. Die Stärken und Schwächen aus alten Behördenzeiten haben mehr Bestand. Wie lange der Ex-Monopolist allerdings seinen Vorsprung verteidigen kann, hängt davon ab, ob das Team um Ron Sommer es schafft, mit innovativen Ideen in die Offensive zu wechseln. Eine GLOBAL-ONLlNE-Bestandsaufnahme.

Von Ulf J. Froitzheim, Roland Keller und Eckhard Rahlenbeck

DIE ZUKUNFT BEGINNT in Gievenbeck-Südwest. Wenn im Frühjahr 1998 die ersten Familien mit dem Möbelwagen anrücken und das neue Stadtviertel im Nordwesten von Münster einweihen, wird sich zeigen, wie fit die Deutsche Telekom tatsächlich für den freien Wettbewerb ist, der par ordre de Brüssel am 1. Januar auf dem deutschen Fernmeldemarkt ausbricht.

Während im Rest der Republik das Gesetz der trägen Masse gilt – jeder, der nichts unternimmt, bleibt Telekom-Kunde – schreiten die Gievenbecker unfreiwillig zur Abstimmung. Wer dort telefonieren, faxen oder im Web surfen will, muß sich entscheiden, ob er seine TAE-Dose an die Glasfasern des lokalen Netzbetreibers Citykom Münster anschließen läßt oder wie gewohnt ans T-Net – erstmals liegen zwei separate Kabelstränge unter dem Pflaster. Gewinnen kann die Telekom nur, wenn sie die Zuzügler überzeugt, daß sie den besseren Service bietet: An der Preisfront hat sie mit ihren bundeseinheitlichen Tarifen keine Chance. „Pink Panther“ weiterlesen

KODAK: Lange Leitung

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Via Internet können Hobbyfotografen bald digitale Bildkarten versenden, Online-Alben anlegen oder Abzüge bestellen. Die Nachfrage ist höchst ungewiß.

MIT DIGITALER FOTOGRAFIE wollte George Fisher den Celluloid-Riesen Kodak für die Zukunft fit machen. Statt dessen wurde sie für den Vorstandschef eines der größten Probleme. Im ersten Halbjahr produzierten Kodaks Versuche mit Bit-Bildern 100 Millionen Dollar Miese. Grund: Amateure verschmähen teure Digitalkameras, deren Bilder so grobkörnig sind, daß man einen Schnappschuß nicht mal als Miniposter an die Wand hängen kann.

Mit dem Kodak Picture Network ziehen Fisher und sein Marketingmanager Carl Gustin jetzt die Konsequenz aus der Treue der Knipser zum Film. Für fünf Dollar pro 24er Rolle scannen Kodak-Labors die Negative ein. Mit den Abzügen erhält der Kunde ein Paßwort, das ihm via Web Zugang zu einer Reihe von Services verschafft – etwa E-Postkarten mit eigenen Bildern an beliebige Mail-Adressen zu senden.

Wer will, kann die Bilder auf seine Festplatte laden, retuschieren oder verfremden und von diesen Elaboraten online Papierbilder nachbestellen. Geplant sind virtuelle Fotoalben, die man für Freunde und Verwandte in aller Welt öffnen kann. „KODAK: Lange Leitung“ weiterlesen

MY WORLD: Karstadts einstürzende Neubauten

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Gut ein Jahr ist es her, da ließ Karstadt-Vorstandsmitglied Klaus Eierhoff im Internet ein merkwürdiges Ensemble von Hochhäusern errichten, an denen weder die Proportionen stimmten noch die Perspektive, von der architektonischen Ästhetik ganz zu schweigen. An den Bauwerken hingen als Fremdkörper Firmenembleme etwa von Sega und Dual, Talkline und IBM, und das Ganze nannte sich „My World“.

Nun geht Eierhoff zu Bertelsmann, und prompt hat Karstadt die virtuellen Wolkenkratzer aus dem Weg geräumt. Erst kurz zuvor hatte ein Schweizer Markenexperte im Fachblatt „werben & verkaufen“ den Karstadtschen Web-Auftritt verbal hingerichtet. Die neue „My World“ hat mit der alten bis aufs Logo kaum noch Ähnlichkeit. Die eigentliche Schwäche besteht indes weiter: Man findet nicht die Waren, die man sucht, und zu den Waren, die man findet, nicht die Informationen, die man sucht. Wer einen PC bestellen will, stößt erst einmal auf exotische Betriebssystem-Upgrades und Motherboards, und hat er einen PC gefunden, wirft die Datenbank wirre Dinge aus wie „Festplattenkapaz:>1000“. Unter „Geschenktips“ wimmelt es von Staubsaugern, Bügeleisen und ähnlich anzüglichen Präsenten. Daß es den Partyservice nur in vier Städten gibt, erfährt man erst, nachdem man seine Postleitzahl übermittelt hat. Immerhin steht über der enttäuschenden Antwort fett das Wort „Entschuldigung!“. Vor diesem Hintergrund ist es vielleicht weniger erstaunlich, daß die profane „My World Uhr Limited Edition“ (DM 89,95), die zur Funkausstellung in limitierter Auflage von 330 Stück erschien, auch zwei Monate später noch vorrätig war.

 

BITTE WARTEN: Telekom-Rivalen in Zeitnot

Das Ende des Telefon-Monopols rückt näher, doch die neuen Wettbewerber haben ohne Schützenhilfe vom Regulierer schlechte Karten im Kampf gegen die Bonner Telekom.

Die flinken Werbestrategen der Kommunikationskonzerne sind ihren Rechtsabteilungen voraus. Mit kühnen Versprechungen für 1998 wollen sie schon jetzt die Kunden heiß auf den Wechsel machen. Dabei wissen die Vorstände selbst noch nicht, was sie wann wirklich realisieren können. Der Postminister soll nun die Abwehrtaktik der Telekom stoppen.

Fast könnte man meinen, den Zug der Zeit verpaßt zu haben. „Fair statt ungefähr“, springt es den Lesern der Wirtschaftsseiten rot auf blau entgegen, sei die „sekundengenaue Abrechnung im Festnetz“ bei Arcor. Als wäre es längst höchste Eisenbahn für alle, die der Telekom den Rücken kehren wollen, drängeln die Werber der neuen Telefongesellschaft: „Wollen Sie noch mehr Zeit verlieren?“

Die Annonce macht Appetit. Mit dem „völlig taktlosen“ Tarif, der nur Tag und Nacht sowie drei Entfernungszonen kennt, präsentiert die Bahn-Tochter eine attraktive Alternative zum undurchdringlichen Gebührendickicht der Telekom: pfenniggenaue, lineare Abrechnung statt bundespostalischer „Einheiten“, die je nach Ziel, Tag und Stunde für so bizarre Intervalle wie 5,46 oder 21,5 Sekunden stehen.

Indes: Kaum einer der servicehungrigen Leser, denen die – vom DB-Partner Mannesmann gemanagte – Arcor mit dem Inserat Appetit machen will, hat in nächster Zeit Aussicht auf Sättigung. „BITTE WARTEN: Telekom-Rivalen in Zeitnot“ weiterlesen

ONLINE-LÄDEN: Keine Chance für Drücker

GO-KopfEntwarnung für Fachhändler: Der Einkaufsbummel in Internet, AOL & Co. läßt die Kundschaft bislang kalt. Grund: Push-Marketing zieht bei den Onlinern nicht.

 

Eberhard Schöneburg
Eberhard Schöneburg

Eberhard Schöneburg träumt von der Börse. Offenbar beflügelt vom Ansturm auf die T-Aktie, will der Fachhochschulprofessor aus Friedrichshafen schon in naher Zukunft selbst Anteilsscheine unters Volk bringen. Derzeit gehören ihm als Gründer der Neurotec Hochtechnologie GmbH in Oberursel zwar nur zehn Prozent seiner Firma; der Rest liegt zu gleichen Teilen bei der Berliner Elektroholding (BEH) und der Karstadt AG. Doch Schöneburg ist sich seines Erfolgs so sicher, daß er demnächst einen seiner Finanziers auskaufen will, um sodann mit frischem Kapital von der Börse auf Expansionskurs zu gehen.

Ob die Rechnung des ehrgeizigen Informatikers aufgeht, hängt in erster Linie von den deutschen Internet-Surfern ab: Nur wenn viele von ihnen oft genug die Web-Adresse www.my-world.de in ihren Browser tippen, kann Neurotec auf genügend Folgeaufträge bauen.

Karstadt glaubt an den Erfolg von „My World“

Wenn die imaginäre Einkaufsstadt mit der fremdartigen Architektur eine nennenswerte Stammkundschaft an sich bindet, muß Karstadt-Vorstand Klaus Eierhoff jenen 65 Millionen Mark nicht nachtrauern, die er im vergangenen Frühjahr für seinen Vorstoß in den Cyberspace bei Konzernchef Walter Deuss lockergemacht hat – „ohne  Wirtschaftlichkeitsrechnung“, wie Schöneburg betont. „ONLINE-LÄDEN: Keine Chance für Drücker“ weiterlesen