Die Rache der Kundenkarte

Punktesammeln wird immer komplizierter. Höchste Zeit für eine Anti-Rabattfallen-App!

Es lässt sich nicht leugnen, wie sehr der technische Fortschritt seit meiner prädigitalen Jugend unser aller Leben verbessert hat. Die Prilblumenära hatte aber auch ihren Reiz. Nach Schulschluss zog es mich in ein kleines Kaufhaus. An der Stirnseite eines Regals waren Taschenrechner montiert, an denen wir Jungs unbehelligt herumspielen konnten: 2451,105 x 3 = (Moment, Gerät umdrehen!) SIE‘ESEL. Für ein Modell mit Wurzel und Speicher langte das Taschengeld nicht.

 

Zum Glück gab es im Supermarkt noch Rabattmarken, die analogen Urahnen heutiger Kundenbindungsprogramme. Ich hatte einen Deal mit meiner Oma: Ging ich für sie einkaufen, durfte ich die Marken behalten. Nach 50 Mark Umsatz war die Sammelkarte voll; die Kassiererin gab mir einsfuffzich in bar. So finanzierte ich meine frühen Hightech-Investments. „Die Rache der Kundenkarte“ weiterlesen

Schade, Herr Middelhoff!

Warum der Karstadt-Chef in der schönen Welt des E-Commerce gar keine gute Figur macht.

Treue zahlt sich aus, jedenfalls für den, der den Unternehmen seines Vertrauens ein paar personen bezogene Daten überlässt. So belohnt mich die Deutsche Bahn mit Bonus-Punkten dafür, dass ich von Augsburg nach Berlin den ICE nehme und nicht den TGV. Mein Lieblingsdrogeriemarkt gibt mir per Payback-Card ein Prozent Naturalrabatt auf alles. Und Karstadt und Telekom sichern mir per „Happy Digits“ den Nachschub an Teigschabern, Pfeffermühlen und Küchenmessbechern.

Neuerdings sind Bahn und Karstadt auch per Social Software nett zu mir. Pünktlich haben mir die Customer-Relationship-Manager zum Geburtstag gratuliert und der E-Mail sogar je 100 Geschenkpunkte angehängt. Nun war den Managern meines Lieblingswarenhauses wohl klar, dass meine Freude über diesen Glückseuro aus der Portokasse sich in Grenzen halten würde, und legten als Zusatzbonus noch einen Link drauf, mit dem ich mir einen Coupon über zehn Prozent Sonderrabatt ausdrucken könne. Tja, war wohl nix: Das Verfallsdatum des virtuellen Gutscheins war am Tag der Zustellung um zwölf Tage überschritten.

Nun ist man als Stammkunde – pardon: Teilnehmer eines Customer-Loyalty-Programms – natürlich nett und meldet Softwarebugs, selbst wenn die interessantesten Angebote (Multimedia!) vom Bonus exkludiert sind. Das Formular im Web akzeptiert indes nur Kurzbeschwerden – bei „Mit freundl“ ist Schluss mit Meckern. Milde belustigt klicke ich halt ohne „ichen Grüßen“ auf „Senden“ – und sehe rot: „Bitte überprüfen Sie Ihre Eingaben bei: Ihre Nachricht.“

So bleibt a) die Reklamation ungesendet und b) ein Deja-vu-Gefühl: War Karstadt nicht die Firma, die im Herbst 2005 aus dem Download-Portal Musicload ausstieg und mitteilte, man möge die bezahlten „Credits“ rasch verbrauchen, damit sie nicht verfallen, was dann aber misslang, weil der Server weder das alte Passwort noch das eigens angeforderte Ersatzpasswort akzeptierte? War Karstadt nicht die Firma, die Abermillionen in den Onlineshop-Flop myworld.de versenkte? Bemühte sich nicht in etwa zur selben Zeit der Bertelsmann-Ableger BOL nach Kräften und höchst erfolgreich darum, ebenfalls Millionen für ein sinnloses Online-Abenteuer zu verschwenden? Hat nicht Karstadt den Ableger Neckermann zu neckermann.de umgemodelt, nur um ihn jetzt doch abzustoßen?

Wissen Sie, was das alles ist, Herr Middelhoff? Traurig, einfach nur traurig.

Aus der Technology Review 1/2007, Kolumne FROITZELEIEN

Hochwürden auf dem Kartentrip

Eine Flut von Chipkarten rollt auf uns zu – als Ersatz für Kleingeld und Krankenschein, Ausweis und Arztrezept. Einige Anbieter ziehen die Notbremse: Per „Multifunktionskarte“ wollen sie die Inflation stoppen.

Wenn noch ein Symbol für den endgültigen Triumph der Plastikkarte gefehlt hatte, dann dieses: Die Pastoren der fünf evangelischen Hauptkirchen in der Hamburger City erwägen ernsthaft die Einführung einer „Church Card“.

Top Business 7/1993

Mit dem analytischen Geist gewiefter Marketingexperten haben die Gottesmänner eine Offerte für die kühl rechnenden hanseatischen Kaufleute maßgeschneidert, die im Schatten des Michel längst die alteingesessenen Gemeindebürger verdrängt haben. „Die Kirche muß sich dem Wettbewerb stellen“, propagiert Hauptpastor Lutz Mohaupt ein konsequent marktwirtschaftliches Christentum. Wer stets brav seine Kirchensteuer zahlt, soll auch etwas davon haben – sei es der verbilligte Eintritt beim Kirchenkonzert oder die Vorzugsbehandlung bei der Kindergarten-Warteliste. „Hochwürden auf dem Kartentrip“ weiterlesen