Viele Unternehmen erledigen nicht strategische Aufgaben noch selbst. Die Übertragung ganzer Geschäftsprozesse an Dienstleister hilft, im Kerngeschäft wettbewerbsfähiger zu werden.
Manches Unternehmen könnte viel Geld sparen, wenn seine Mitarbeiter etwas weniger kostenbewusst wären. Je mehr Mühe sie sich geben, im Interesse der Firma günstig einzukaufen, desto teurer kann es werden. Denn der Chef hat nachher einen kostspieligen Prozess am Hals, den ihm kein Rechtsanwalt der Welt ersparen kann. Die Sorte Prozess, um die es geht, findet freilich nicht vor dem Kadi statt, sondern im Betrieb, und nennt sich Beschaffung, Procurement, Einkauf: ein “Geschäftsprozess”, jener Rattenschwanz an unsichtbaren Arbeitsschritten, den ein scheinbar simpler Vorgang oft nach sich zieht. Bestellung, Wareneingangskontrolle, Rechnungseingang, Zahlung. “Der Kauf eines einfachen Papierkorbs kann Verwaltungskosten von 100 Euro nach sich ziehen”, warnt Thomas Holz, Experte für Beschaffungslösungen und elektronische Marktplätze bei T-Systems in Frankfurt.
Diese Art von Prozesskosten – jahrzehntelang als fast gottgegebener “Overhead” hingenommen – gilt heute als größte brach liegende Produktivitätsreserve. Zwar hatte der US-Management-Guru Michael Hammer schon vor zehn Jahren zu einem ingenieursmäßigen Umbau ineffizienter Geschäftsprozesse geraten. „Outsourcing: Wenn es die Spezialisten billiger und besser machen“ weiterlesen
Interview mit Michael Hammer über Business Process Management
Dr. Hammer, vor fast zehn Jahren haben Sie und James A. Champy ein „Manifest für eine Revolution“ aufgestellt – so der Untertitel Ihres Bestsellers „Business Reengineering“. Die Revolution, die kurz darauf ausbrach, wirkte jedoch wie ein surrealistisches Experiment und nannte sich New Economy.
Was wir in den späten Neunzigern sahen, war ein Irrweg in der Wirtschaftsgeschichte: eine Periode, in der sich Verbraucher, Unternehmen und Investoren gleichermagen in eine Fantasiewelt davontragen ließen. Es war ein sich selbst verstärkender Kreislauf. Verbraucher lebten weit über ihre Verhältnisse, beflügelt von den nimmer endenden Wertsteigerungen ihrer Aktien und Immobilien; daraufhin blähten Unternehmen ihre Kapazitäten auf und liefen hirnlosen Konzepten hinterher, die sich vor allem ums Internet drehten. Investoren verloren den Blick für den wahren Wert von Unternehmen und zahlten extravagante Preise für Aktien von Firmen, die auf der Wachstumswelle ritten.
Was haben Sie gedacht, als Sie merkten, dass so viele Entscheidungsträger das Einmaleins der Betriebswirtschaft zusehends bedeutungslos fanden?
So ein Kreislauf ist grundsätzlich instabil und auf lange Sicht nicht durchzuhalten. Irgendwann kommt die Realität ans Licht, und dann kracht das ganze System zusammen. Es wird wohl noch eine Weile dauern, bis unsere Wirtschaft wieder auf Normalmaß geschrumpft ist. Je wilder die Party, desto schlimmer der Kater. In der wirtschaft- lichen Blase der späten Neunziger hielten viele Firmenlenker es für unnötig, die Grundlagen der Wirtschaft zu beachten. Sie verdienten ja auch so ganz leicht Geld. Jetzt bezahlen sie den Preis dafür…
… und die Vernunft kehrt zurück.
Die zentrale Idee des Business Reengineering – Geschäftsprozesse von vorne bis hinten neu zu durchdenken, um Ballast an Zeit und Kosten aus Betriebsabläufen zu eliminieren – ist jedenfalls wieder en vogue. Process Redesign steht überall auf der Tagesordnung; die Unternehmen machen dort weiter, wo viele von ihnen 1997 aufgehört hahen. Und die treihende Kraft hinter der Renaissance des Reengineering ist die Macht des Kunden. Fast jede Branche hat sich Überkapazitäten geschaffen. Die Untemehmen stecken in einer Falle aus Inflation und Deflation: Die Rohmaterialien werden immer teurer, die Preise der Fertigprodukte sinken. Die Kunden nehmen Preiserhöhungen und Serviceverschlechterungen einfach nicht mehr hin. Der einzige Ausweg besteht darin, mit neuem Eifer nach Innovationen im Betriebsablauf zu suchen.
In Ihrem neuen Buch „Business Back to Basics“ vertreten Sie den Standpunkt, dass Kahlschläge zur Kostensenkung nicht zur heutigen „Customer Economy“ passen. Innovationen müssten demnach die Bereitschaft der Kunden steigern, bessere Produkte und Dienstleistungen zu kaufen und womöglich sogar mehr Geld dafür zu bezahlen. Wie kann Process Redesign denn einer Firma helfen, nicht einfach unproduktive Arbeiten abzuschaffen, sondern vor allem dem Kunden Gutes zu tun?
Innovation heißt, Arbeitsmethoden zu finden, die bei geringeren Kosten den Nutzen für den Kunden erhöhen. Das können neue Ansätze für die Auftragsabwicklung sein wie bei Dell, solche für Einkauf und Bestandsmanagement wie bei Walmart, für die Produktentwicklung wie bei lBM oder für den Kundendienst wie bei Pratt & Whitney. In jedem dieser Fälle war es eine völlig neue Herangehensweise, mittels derer Abläufe, die zur Wertschöpfung nichts beitrugen, eliminiert wurden – was zu herausragender Performance führte. Diese Beispiele zeigen, dass niedrige Kosten nicht zwingend mit Abstrichen bei der Kundenzufriedenheit erkauft werden müssen. So hat der große Lebensmittelhersteller General Mills mit einem Redesign seiner Logistik erreicht, dass der Anteil der unverzüglich ausgeführten Bestellungen gestiegen ist, bei gleichzeitig sinkenden Lagerbeständen. Bisher hatte man angenommen, eine Verbesserung auf der einen Seite bedinge eine Verschlechterung auf der anderen. Indem man dies aber mit einem innovativen Prozess angeht – in diesem Fall einem, der die Produktionsplanung nicht mehr auf Absatzprognosen stützte, sondern auf die tatsächliche Nachfrage – konnte sich General Mills sozusagen den Pelz waschen, ohne nass zu werden. IBM konnte den Produktentwicklungszyklus um 75 Prozent reduzieren. Bei rund 45 Prozent niedrigeren Kosten und einer um ein Viertel höheren Zufriedenheit der Kunden mit neuen Produkten. Gegen Kosten hilft also kein Kahlschlag, sondern eine Planung, die sie gar nicht erst anfallen lässt. Wenn das gelingt, verbessern sich Geschwindigkeit und Qualität gleichermaßen. Und der Kunde ist glücklicher.
Gelingt das denn wirklich? Von der Erkenntnis, dass Zeit tatsächlich Geld ist, bis zum Umkrempeln des eigenen Managementstils ist es ein langer Weg. Eine Studie über die Einführung von Wissensmanagement in deutschen Firmen ergab, dass große Konzerne neue Prozesse, welche die persönliche Macht bestimmter Manager gefährden könnten, ziemlich behutsam angehen. Weichen Anreiz hat ein Manager, durch Optimierung seiner Geschäftsprozesse zu offenbaren, wie unproduktiv seine Abteilung bisher war?
Nennenswerte Verhesserungen bei der Performance eines Unternehmens sind zwangsläufig mit organisatorischen Umwälzungen verbunden. „No pain, no gain“, heißt es in den USA – ohne Schweiß und Schmerzen kein Preis. Prozessorientierte Neuerungen verändern stets die Rolle von Managern. Schließlich halten sich Prozesse nicht an Funktionsgrenzen. Oder, wie ein Top-Manager mal gesagt hat: „Wenn einer meiner Manager sagt, er mag keine Prozesse, heißt das nur, dass er seine Macht nicht mit jemand anderem teilen will.“ Prozesse zu verbessern, verlangt den Managern ab, dass sie lernen, miteinander zusammenzuarbeiten, und dass sie sich auf Kunden und aufs gesamte Unternehmen konzentrieren – nicht auf ihre eigene Abteilung. Deshalb ist es entscheidend, dass sich die obersten Führungskräfte selbst an die Spitze des Wandels stellen. Die ranghöchsten Manager müssen ihren Untergebenen klarmachen, dass Process Redesign von essenzieller Bedeutung fürs Unternehmen ist und dass es auf jeden Fall fortgesetzt wird. Diejenigen, die das zu blockieren versuchen, gefährden sich selbst. Allerdings sollten die Vergütungssysteme für Manager dahingehend überarbeitet werden, dass diejenigen helohnt werden, die die Performance des gesamten Prozesses und damit des ganzen Unternehmens voranbringen – nicht diejenigen, die nur an den Erfolg der eigenen Abteilung denken. Durch aktive Beteiligung, stetige Kommunikation und absolute Identifikation mit dem gemeinsamen Ziel können Vorstände ihre Manager motivieren, ihren Teil zur Veränderung der Prozesse beizutragen, selbst wenn es deren kurzfristigem Eigeninteresse scheinbar widerspricht.
Und wer soll den Anfang machen? Nicht jeder Chef erkennt sofort, was ihm die Prozessoptimierung bringt.
Generell gibt es keinen Ersatz für Führungsstärke. Einige Chefs schaffen es selbst, nicht nur ein Verständnis für den Prozess-Einsatz zu entwickeln, sondern sich auch voll dahinter zu stellen. Für gewöhnlich ist es jemand etwas weiter unten in der Hierarchie, der als Katalysator wirkt und die Unternehmensführung überzeugt, dass dies der richtige Weg ist. Der Katalysator muss erkläen, was Prozesse überhaupt sind. Dann muss er seine Bosse mit den Führungskräften anderer Unternehmen zusammenbringen, die mit Prozessen gute Erfahrungen gemacht haben, und manchmal muss er ein kleines Vorzeigeprojekt aufsetzen, das zeigt, class auch in seiner Firma Prozessverbesserungen funktionieren. Solch einen Katalysator findet man auf jeder Ebene der Firma, aber es muss jemand sein, dessen oberstes Anliegen das Wohl der ganzen Firma ist und der Glaubwürdigkeit genießt.
Wie sehen Sie in diesem Zusammenhang die Rolle externer Berater?
Sie können hilfreich sein, aber normalerweise nicht in die Rolle des Katalysators schlüpfen.
In der vernetzten Wirtschaft von heute müssen prozessorientierte und traditionelle Betriebe im Echtzeit-Modus miteinander arbeiten. Heißt das, dass der Vorreiter den Langsamen mitzieht? Oder diktiert der stärkere Geschäftspartner dem schwächeren, was er zu tun hat, um im Geschäft zu bleiben?
Nach meiner Erfahrung erwarten starke prozessorientierte Unternehmen früher oder später, dass ihre Zulieferer ebenfalls ihre Prozesse optimieren, und zwar nicht nur, um ihre eigene Performance zu steigern, sondern auch um die Prozesse beider Firmen miteinander zu verknüpfen. Bis dahin kann die Kundenfirma von ihren eigenen Arbeiten am Prozess profitieren, aber diese Vorteile wachsen substanziell, wenn die Prozesse über Firmen- und Funktionsgrenzen hinweg integriert werden.
Das klingt überzeugend, hat aber einen großen Nachteil – jedenfalls aus Sicht von Vorständen, die nur aufs Quartalsergebnis schielen: Die Veränderungen haben keinen unmittelbaren Effekt auf den Aktienkurs. Sie brauchen Zeit, sich zu entwickeln. Was raten Sie den Katalysatoren, die ihre Chefs überzeugen wollen, aktiv zu werden?
Auf diese Frage habe ich zwei Antworten.
Erstens: Prozessbasierte Veränderung ist zwar eine langfristige Anstrengung, die in der Tat Jahre braucht, doch sie kann – und muss – so gemanagt werden, dass sie schnell erste Ergebnisse zeitigt. Wenn nicht in einem Quartal, so doch in zwei oder drei. Programme, die Jahre brauchen, bis sie sich überhaupt irgendwie auszah len, sind von vornherein zum Scheitern verurteilt. Angesichts der bevorstehenden Veränderungen werden Organisationen ängstlich, und es macht sich Zweifel breit, ob sich die versprochenen Resultate jemals einstellen werden. Unterdessen lassen sich die Führungskräfte durch andere Aufgaben ablenken. Darum ist es unabdingbar, neue Prozesse schrittweise einzuführen. Jeder einzelne dieser Schritte muss in sechs bis neun Monaten zu bewältigen sein und signifikante, vor allem auch messbare Verbesserungen des Betriebsablaufs bewirken. Mit dieser Einführungsstrategie sollten sich sogar relativ kurzfristig orientierte Führungskräfte abfinden können. So ein Programm wird, wenn man denn alles richtig macht, fast zum Selbstläufer. Die Ergebnisse der ersten Schritte bilden die Grundlage für die weiteren.
Teil zwei meiner Antwort: Wenn wir in den letzten zwei Jahren irgendetwas gelernt haben, dann ist es doch, dass die Zeit des Quartalsdenkens im Management vorüber ist. Die Fixierung auf kurzfristige Ergebnisse war schließlich, was die Skandale bei Enron, WorldCom und dem Rest möglich gemacht hat. Die Führer wirklich erfolgreicher Firmen tun das, was langfristig richtig ist, ohne den Quartalsergebnissen ungebührliche Beachtung zu schenken. Wer anderes tut, belastet den realen Wert seines Unternehmens zu Gunsten kurzfristiger und vorübergehender Vorteile mit einer schweren Hypothek.
In der Zusammenarbeit zwischen Herstellern und Partnern müssen heute die Schnittstellen oft sehr aufwändig gemanagt werden. Wenn die Beteiligten ihre Daten austauschen und besser kooperieren würden, könnte viel Zeit gespart werden. Stichwort: Real-Time Management. Worauf kommt es bei der Gestaltung von unternehmensübergreifenden Prozessketten an? Wie werden Collaboration und RTE zum Erfolg?
Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, ohne volle technische Unterstützung gebe es keine Verbesserungen von Geschäftsprozessen innerhalb eines Unternehmens oder über Firmengrenzen hinweg. Ganz im Gegenteil: Technik kann die Performance neuer Process Designs steigern. Diese zu implementieren, bedeutet aber keineswegs, sich der Technik untertan zu machen. Der Schlüssel zum Etablieren firmenübergreifender Prozessketten liegt darin, sich mit Geschäftspartnern – Kunden wie Lieferanten – zusammenzutun und den gesamten Prozess von vorne bis hinten zu überdenken. Wenn Informationen auf beiden Sei ten der Firmengrenze benötigt werden und es noch keine Schnittstellen zwischen den Systemen gibt, tun es zur Not auch EDI oder gelegentliche Dateiübertragungen. In Unternehmen, die ihre Abläufe verbessern müssen, soll es immer schnell gehen, und der Mangel an Schnittstellen und andere lnfrastrukturprobleme sollten nicht als Entschuldigung herhalten oder als Hindernis angesehen werden.
Keine Zukunft für Alphatiere
Michael Hammer plagt das schlechte Gewissen. Eine Lawine habe er losgetreten, meint der Autor des 1993 erschienenen Weltbestsellers „Business Reengineering“ (Auflage: über zwei Millionen Exemplare), eine Lawine von Management-Ratgebern, von denen viele der Welt besser erspart geblieben wären. Als Sühne für dieses unabsichtliche Vergehen hat Hammer wiederum ein Buch geschrieben, dessen deutsche Fassung unter dem englischen Titel“ Business back to Basics“ im Econ-Verlag erschienen ist. Darin seziert der frühere Informatik-Dozent am Massachusetts Institute of Technology die Betriebsabläufe in Unternehmen verschiedener Branchen. Hammers Kernthese: In der „Customer Economy“ ist nur erfolgreich, wer seine Geschäftsprozesse konsequent auf die Bedürfnisse der Kunden ausrichtet. Anhand konkreter Beispiele zeigt der Autor, wie sich Manager manchmal selbst oder einander im Weg stehen und wie sie mit etwas Nachdenken Qualität und Service verbessern und gleichzeitig Kosten senken können.
Michael Hammer
Business back to Basics
Die 9-Punkte-Strategie für den Unternehmenserfolg
Econ-Verlag, München 2002, 320 Seiten, 29 Euro, ISBN 3-430-13908-2
Um den Produktionsfaktor Information besser zu nutzen, treten jetzt die Chief Information Officer an.
WIRTSCHAFTSWOCHE 11/1998
Die Sprücheklopfer der EDV-Steinzeit lagen gar nicht so falsch mit der Auswahl ihrer Angriffsziele. Ein Chef, der seinen Betrieb ruinieren wolle, hänselten sie beim Mittagstisch die Programmierer, habe drei Möglichkeiten: Am schönsten sei es mit einer Geliebten. Am schnellsten gehe es in der Spielbank. Die sicherste Methode jedoch sei die Anschaffung eines Computers.
Die meisten Geschäftsführer entschieden sich damals offenbar für die dritte Variante. Heute schieben jedenfalls Softwareexperten in aller Welt kräftig Überstunden, um zu verhindern, daß aus dem Kantinenspott der Hippiezeit bitterer Ernst wird. Überall lauern digitale Zeitbomben, die irgendwann während der letzten 30 Jahre ohne böse Absicht scharf gemacht wurden: Gelingt es den Computerleuten nicht, bis zum 31. Dezember 1999 in sämtlichen Programmen alle traditionellen Datumsfelder (Schema: TT.MM.JJ/01.01.00) aufzustöbern und die Jahreszahl auf vier Ziffern zu verlängern, beginnt für sie das erste Jahr des dritten Jahrtausends womöglich mit einem geschäftlichen Super-Gau. Schon eine einzige Doppelnull an der falschen Stelle kann eine virtuelle Zeitreise ins Jahr 1900 auslösen, die vielleicht nicht zum Ruin des ganzen Unternehmens, aber zu unkalkulierbaren Betriebsausfällen und massivem Ärger mit den Kunden führt.
Das „Jahr-2000-Problem“ ist symptomatisch für den distanzierten Umgang vieler Konzernlenker mit der Informationstechnik. Als handle es sich um den Fuhrpark, delegieren sie das Thema am liebsten an den Kassenwart – und damit an den Falschen. „Finanzvorstände achten auf Kriterien wie Zuverlässigkeit, Kosten- und Termintreue“, moniert der Münchner Managementberater Helmuth Gümbel, „welche Wettbewerbsvorteile eine neue Technik bringt, ist für sie von untergeordnetem Interesse.“ Darum fallen auch Versäumnisse erst auf, wenn sie ins Geld gehen.
In kaum einem Bereich verlassen sich Bosse so blind auf das Urteil interner und externer Spezialisten wie in der Informationstechnik. Zwei bis drei Prozent vom Umsatz – mitunter Milliardenbeträge – pumpen Vorstände von Banken und Versicherungen, von Handelsgruppen und Speditionen, von Fluggesellschaften und Autoherstellern jedes Jahr in Unterhalt und Modernisierung ihrer weitverzweigten Computernetze. In der Hoffnung, die Wettbewerbsfähigkeit ihres Unternehmens
zu verbessern, steigern sie bedenkenlos dessen Abhängigkeit von Softwarepaketen, deren Komplexität selbst Fachleute nur mit Mühe durchdringen.
Dabei geht ihnen offenbar selbst der kaufmännische Überblick verloren. „Nicht einmal zehn Prozent der Vorstände“, schätzt der Leonberger Branchenveteran Bernhard Dorn, seien sich darüber im klaren, wieviel Geld sie in die Informationstechnik stecken. Dom muß es wissen: Als IBM-Geschäftsführer hat er der Topriege der deutschen Wirtschaft jahrelang sündhaft teure Großrechner samt Software, Service und Zubehör verkauft.
In seiner neuen Funktion als selbständiger Unternehmerberater will Dorn seiner Kundschaft jetzt helfen, das Instrumentarium der Hardware- und Softwareindustrie professioneller einzusetzen. Der Ex-Vertriebsmann erinnert die Vorstände an eine alte Empfehlung einschlägiger Consultingfirmen: Wer in der Informationsgesellschaft bestehen will, solle sich kompetente Unterstützung in die Chefetagen holen – am besten das, was die Amerikaner Chief Information Officer (CIO) nennen.
Der typische CIO ist ein Wanderer zwischen den Welten: Sein Hauptquartier ist der Markt, auf dem das Unternehmen verwurzelt ist; von dort aus unternimmt er seine Expeditionen in die Gefilde der Computerei. Wenn es um die Vergabe solcher Jobs geht, haben phantasielose Technokraten aus der EDV schlechte Karten; technisches Verständnis wird zwar erwartet, gilt aber als Sekundärtugend. „Diese Leute müssen etwas von Informationskonzepten verstehen und vom Geschäft“, postuliert Helmuth Gümbel, „Techniker, die etwas verdrahten, findet man immer.“
Während hierzulande die ersten Visitenkarten mit der importierten Berufsbezeichnung in Umlauf kommen – Chief Information Officers gibt es zum Beispiel bei Bahn und Bertelsmann, Rheinmetall und Siemens – pokern cros in den USA bereits ihre Gehälter hoch. Für diese Manager im Alter zwischen 30 und 40, die als Kommunikationsstrategen über einen direkten Draht zum großen Boß verfügen, ist ein Jahressalär von 300000 Dollar nicht ungewöhnlich. „Seit drei Jahren beobachten wir weltweit eine unglaubliche Nachfrage nach CIOs“, bestätigt Tilman Gerhardt, Koordinator Informationstechnik bei der Personalberatung Egon Zehnder International GmbH in München,
„die Nachfrage ist immens.“
Besonders bei amerikanischen Banken sind gute Leute so begehrt, daß ein hochkarätiger CIO einschließlich Erfolgsprämie bis zu zwei Millionen Dollar pro Jahr mit nach Hause nehmen kann. Aber nicht nur die Vergütung ist hoch, auch der Anspruch. „New Enablers“ hätten die CIOs zu sein, meint das US-Magazin „Farbes“, Leute, die ein Unternehmen in die Lage versetzen, etwas zuvor für unmöglich Gehaltenes zu tun.
Für Menschen mit solchen Talenten kann der CIO-Posten ein Sprungbrett nach ganz oben sein. So beförderte Amerikas größte Bank Chase Manhattan kürzlich ihren obersten Informationsmanager Denis O’Leary, unter dessen Aufsicht die Chase-Rechner täglich zwei Billionen Dollar umwälzten, zum Vizechef des weltweiten Privatkundengeschäfts. Von der Ausbildung her Volkswirt und klassischer Banker, glaubt der 41jährige EDV-Autodidakt O’Leary: „Wer im Banking gut sein will, muß die Technik beherrschen.“
Nicht nur dort. „In der Medienbranche wächst die Informationsverarbeitung aus ihrer Dienstleisterrolle heraus und wird zum Geschäft“, erklärt Michael Behrens, CIO bei Bertelsmann und gleichzeitig Chef des konzerneigenen Systemhauses Media Systems. „Damit bekommt die CIO-Funktion einen zusätzlichen unternehrnerischen Aspekt.“
Als Helmut Grohmann 1993 von Thyssen zur Deutschen Bahn (DB) wechselte, gab es seinen heutigen Titel noch nicht. Der Eisenbahn-CIO und Ex-IBM-Mann begann als Chef des Bereichs Informationsverarbeitung (IV). Erst Ende 1996 überredete Bernhard Dorn die DB-Führung, die nach Jahren der Mangelverwaltung ein konzernweites Informationsmanagement etablieren wollte, mit dem CIO-Konzept auch die Bezeichnung einzuführen. „Ich habe ein Störgefühl mit dem Namen“, gesteht Grohmann, „Chief Operating Strategist wäre mir lieber.“ Dafür lobt der Manager mit Doppelstudium Betriebswirtschaft und Elektrotechnik die Kooperationsbereitschaft seiner Vorgesetzten: „Ich habe Zugang zu allen Vorständen.“ Direkt unterstellt ist er freilich nach alter Sitte dem Finanzchef.
Während andere Konzerne erst einmal klein anfangen, wird bei Siemens in München richtig geklotzt. Im vergangenen Jahr berief der Zentralvorstand des Elektromultis mit Chittur Ramakrishnan den ersten Konzern-CIO. Der 47jährige Ramakrishnan, weit im Konzern herumgekommen und eine Zeitlang Chef der Auslandsrevision, sieht seine Aufgabe zwar durch die Brille des Kaufmanns, aber nicht durch die eines Sparkommissars: „Die Investitionen, die uns strategische Wettbewerbsvorteile verschaffen sollen, werden gleichbleiben oder sich sogar erhöhen.“
Ramakrishnans Ehrgeiz geht dahin, Heinrich von Pierers Vision vom Unternehmen als „lernender Organisation“ umzusetzen, in der jeder Mitarbeiter an jedem Standort jederzeit Zugriff auf das benötigte Wissen hat. Und weil der Konzern festgestellt hat, daß der Dienstleistungsanteil
an seiner Wertschöpfung stetig wächst, hat die CIO-Organisation auch noch eine Infrastruktur zu schaffen, die es erlaubt, beliebige Siemensianer ad hoc zu virtuellen Teams zusammenzuschalten – egal, in welcher Region oder Tochterfirma auch immer.
Formale Macht hat der kosmopolitische Manager, der als Inder jahrelang die Interessen seines deutschen Arbeitgebers in den USA vertrat, allerdings nicht. Er sieht sich als Diplomat, dem es zugute kommt, daß er im Laufe eines Vierteljahrhunderts „die meisten handelnden Personen“ kennengelernt hat. Eines seiner ersten Erfolgserlebnisse ist, daß mehrere Mitglieder des Zentralvorstands das interne E-Mail-System nutzen, dessen konzernweite Vereinheitlichung zu den Jobs der CIO-Mannschaft gehört. „Die Vorstände lassen sich die E-Mails nicht durch ihre Sekretariate filtern und antworten auch selber.“
Zu von Pierers Vision vom Kulturwandel gehört freilich mehr als der reibungslose Versand von E-Mails. Wolfgang Heimsch, CIO der Siemens Nixdorf Informationssysteme, wird sich künftig die Arbeit mit einem Chief Knowledge Officer (CKO) teilen, der sich gerade einarbeitet. „Der CKO analysiert, wer welche Informationen braucht und wo er sie innerhalb der Organisation bekommt“, umreißt Heimsch das Konzept, „der CIO sorgt dafür, daß die Technik dies wirtschaftlich in die Tat umsetzt, und der Personalchef kümmert sich um die Schulung der Mitarbeiter, die diesen Kulturwechsel mitmachen sollen.“
Jemanden, der die Geschäftsprozesse des ganzen Konzerns neu gestalten soll, nach dem Vorbild der Chase Manhattan Bank direkt dem Vorstandsvorsitzenden zu unterstellen, dazu konnten sich bisher allerdings weder die Bahn noch Bertelsmann oder Siemens durchringen. Zumindest Berater Gümbel hält das für einen Fehler: „Selbst bei einem CIO wie Ramakrishnan würde eine direkte Anbindung an die Unternehmensspitze die Produktivität um ein Vielfaches steigern.“
Die eigene EDV wird vielen Unternehmen zum Klotz am Bein. Gefragt ist preiswerter Außer-Haus-Service. Jetzt rangeln Dienstleister wie debis mit Computerherstellern wie IBM und Digital um Vorzeigeaufträge. Der Kunde profitiert.
Top/Business 7/1994
Wenn am 16. Oktober um 18 Uhr die Wahllokale schließen, geht im Städtchen Kamenz, 35 Kilometer nordöstlich von Dresden, die Arbeit los. Im Rechenzentrum des Statistischen Landesamtes werden die Ergebnisse aus den sächsischen Stimmkreisen erfaßt und für die Medien aufbereitet. Das Ungewöhnliche daran: Das komplette Computernetz gehört nicht dem Freistaat Sachsen, sondern der VW-Gedas GmbH.
Die Berliner Volkswagen-Tochter, die auch die Informationstechnik der Golf-Fabrik in Mosel bei Zwickau unter ihren Fittichen hat, steht den Beamten für das Funktionieren der gesamten Hard- und Software gerade – und für das amtliche Endergebnis der Bundestagswahl. Erkundigt sich eine Bank bei der Schufa „Outsourcing: Informatik aus der Steckdose“ weiterlesen
Parallel zum Niedergang des Computermonolithen IBM keimt in vielen Unternehmen der Mut, sich von überholten Informatik-Konzepten zu verabschieden. Die konsequente Dezentralisierung der EDV macht oft ein flexibleres Management erst möglich.
Die Jagd ist eröffnet, die Treiber stehen bereit zur Hatz auf elektronische Dinosaurier.“ Wir blasen zum Halali auf die Großrechner“, stößt Jochen Haink, im Alltagsleben Geschäftsführer der Microsoft GmbH in Unterschleißheim, ins Horn.
Mit so kernigen Sprüchen weiß sich der Münchner Statthalter des amerikanischen Software-Tycoons Bill Gates in bester Jagdgesellschaft. Hatten bisher vor allem Produzenten preiswerter Hardware die bis zu 40 Millionen Mark teuren Mainframe-Computer ins Visier genommen, liegen jetzt immer mehr Waidmänner aus der Softwarebranche ihre Flinten auf sie an.
Unter dem Codewort „Client-Server“ sollen die mächtigen Datenmonster aus ihrem klimatisierten Bunkern verbannt werden, um Platz zu schaffen für eine neue Art der EDV: Lean Computing – die schlanke, dezentrale Datenverarbeitung, die sich passgenau einfügt in das wendige Unternehmen von morgen mit seinen flachen Hierarchien. „Client/Server: Wege zum Lean Computing“ weiterlesen
Willkommen in meiner Wortpresse. Ich muss Sie gemäß Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) warnen – nicht vor mir, sondern vor allem vor Google (s.u.), aber auch vor zwei Kleinigkeiten. Zuerst zu diesen: Ich setze auf diesen Seiten zwei Software-Komponenten (Wordpress-Plugins) ein, die Cookies setzen. Das eine kommt witzigerweise just von dem Plugin, das Sie gerade sehen, weil es Sie über Cookies informiert. Dieses Cookie dokumentiert die Tatsache, dass Sie den Cookie-Hinweis angezeigt bekommen haben; es hat eine Lebensdauer von nur einer Stunde, weniger kann ich nicht einstellen.
Diesen Aufwand muss ich aufgrund der DSGVO leider treiben, denn ich setze harmlose Session-Cookies ein, die es der Verwertungsgesesellschaft Wort erlauben, die Zugriffe auf Texte zu zählen; wenn genügend unterschiedliche Personen dieselbe Seite lesen, bekomme ich von der VG Wort Tantiemen. Das macht mich nicht reich, aber warum sollte ich auf Geld verzichten, das mir von Gesetz wegen zusteht?
Und was passiert da genau? Also: Session-Cookies sind kleine Informationseinheiten, die vollautomatisch im Arbeitsspeicher Ihres Computers abgelegt werden. Sie enthalten eine zufällig erzeugte eindeutige Identifikationsnummer, eine sogenannte Session-ID. Wie alle Cookies enthalten sie Angaben zu ihrer Herkunft und Speicherfrist. Session-Cookies können keine anderen Daten speichern.
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