SZ vergurkt Mindestlohn-Aufmacher

„Mindestlohn treibt die Preise“, konstatierte die Süddeutsche in ihrem gestrigen Aufmacher. Taxifahren könnte im Bundesdurchschnitt um 25 Prozent teurer werden, in manchen Regionen auch um mehr als die Hälfte, schreibt das Blatt unter Berufung auf den Taxler-Präsidenten Michael Müller.

Dann rechnen wir doch mal nach, ob das plausibel ist. Die Fahrer werden derzeit nicht pro Stunde bezahlt, sondern nach Umsatz. Umgerechnet soll der Stundenlohn bei 6 bis 6,50 Euro liegen. Nehmen wir die Mitte, also 6,25 Euro, so steht eine Erhöhung der Lohnkosten um 36 Prozent an. Damit 36 Prozent mehr Lohn die Dienstleistung um 25 Prozent verteuern, müsste der Lohnkostenanteil bei etwa 70 Prozent liegen. Aber ist das so?

Schauen wir mal in einem Taxi-Branchenportal nach den Laufleistungen der Fahrzeuge. „SZ vergurkt Mindestlohn-Aufmacher“ weiterlesen

Twitter ist ein kleiner Nichtkonzern

Manche Kulturredakteure verirren sich gerne mal auf wirtschaftliches Terrain. Geld regiert die Welt, also müssen auch sie mitreden. Sollen sie. Nun erwarte ich nicht einmal, dass sie deutsche Billionen und amerikanische Billions auseinanderhalten können oder gar wissen, wieviele Ziffern dabei links vom Komma stehen. Leute, die damit nicht zurecht kommen, finden bei Tageszeitungen ja sogar im Wirtschaftsressort Jobs. Allerdings sollten sich die Kollegen wenigstens mit den Begrifflichkeiten vertraut machen, die sie verwenden.

Randständiger Cyberquatsch

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So hält der forsche Dirk von Gehlen, Internetversteher vom Dienst bei der Süddeutschen Zeitung, Twitter für einen börsennotierten US-Großkonzern. Korrekt daran ist, dass Twitter in den USA ansässig ist und an der Börse notiert ist. Allerdings ist das Unternehmen weder groß noch ein Konzern. Als US-Großkonzerne gelten gemeinhin die Betriebe, die in den Fortune 500 zu finden sind. Firmen dieser Liga verbuchen jährliche Umsätze ab etwa fünf Milliarden Dollar. Twitters 2700 Beschäftigte bringen es nur auf 664 Millionen Dollar, vergleichbar etwa mit der mittelständischen Allgäuer Käserei Champignon („Cambozola“). Pro Dollar Umsatz erwirtschaftet Twitter allerdings fast einen Dollar Verlust – das können und wollen die bayerischen Senner nicht bieten.

Twitter könnte den Umsatz versiebenfachen und würde noch immer nicht im Fortune-Ranking erscheinen. Zwischen dem Zwitscherdienst und der derzeitigen Nr. 500, dem Lebensmittelgrossisten Nash Finch, liegen nämlich noch ein paar Tausend andere Aspiranten. So viel zur Größe.

Ein Konzern wiederum zeichnet sich dadurch aus, dass er Tochterfirmen hat, die eigene Geschäfte tätigen, meist unter eigenen Marken und oft in anderen Geschäftsfeldern als die Mutter. Amazon ist zum Beispiel ein Konzern. Twitter hat zwar ein paar Startups geschluckt, aber um sie in die eigene Firma zu integrieren.

SZ: 90 ist das neue 22,5

„Willibald Sauerländer wurde in einem Schaltjahr geboren, am 29. Februar 1924. Er wird nun also zugleich 90 Jahre alt als auch 22,5 Jahre jung.“

Kia Vahland, Süddeutsche Zeitung, 28.2.2014

Ähem, gehe ich recht in der Annahme, dass Sie eigentlich schreiben wollten, Sauerländer sei noch so jung, dass er noch nicht einmal seinen 23. Geburtstag feiern konnte?

Jungredakteure wissen nichts vom Fernseher

Schön, wenn sich junge Kollegen nicht nur mit modernster Digitaltechnik befassen, sondern sich auch für Technikgeschichte interessieren. Was am Ende dabei herauskommt, sollte allerdings Hand und Fuß haben.

Beim Durchblättern der Medienseiten der Süddeutschen, zu deren Lektüre ich in den vergangenen Wochen nicht gekommen war, entdeckte ich einen Text des Kollegen Johannes B., der die Kunst des Lattenschusses recht gut beherrscht und mich motiviert hat, die gute alte Blog-Rubrik „Ja, liest denn keiner mehr gegen?“ fortzusetzen.

Also schrieb der Autor in seinem Abgesang auf den „guten alten Kasten“ alias Fernsehgerät:

„Oft standen Markengeräte von Grundig und Braun im Wohnzimmer, klangvolle Namen. In den Neunzigern und Nullern dann eher ein Gerät von Bang und Olufsen.“

Möglicherweise hat der junge Kollege ja seine Kindheit und Jugend in Grünwald verbracht oder in einem Haus am Sonnenufer eines besseren oberbayerischen Sees, mindestens aber in Bogenhausen. Sonst könnte sich die Vokabel „oft“ nicht in diesen Satz verirrt haben. OFT standen in der Zeit, als Braun noch Fernseher baute, in Wohnzimmern normaler Bürger keine Geräte dieser Marke, „Jungredakteure wissen nichts vom Fernseher“ weiterlesen

SZ: Geisterfahrt mit Oxygène auf der Autobahn

Autoren, die sich anmaßen, für ein „Aktuelles Lexikon“ zu schreiben, sollten wissen, worüber sie schreiben. SZ-Redakteur B. Gr. ließ sich dieser Tage über Elektropop aus – und bewies wieder einmal, dass er in der Lage ist, kennerhaft über Dinge zu schreiben, bei denen er vorher besser mal ins Branchenbuch geschaut hätte:

„Erfolg hatte etwas viel einfacheres: der Ohrwurm „Popcorn“ von Hot Butter und das Album „Oxygène“ von Jean Michel Jarre. Auf deren Nährboden gedieh Mitte der Siebzigerjahre jedoch die ironiefreie, sehr deutsche Monotonie der „Autobahn“ von Kraftwerk – und es erwuchs die moderne, melodiöse Disco-Musik des Südtirolers Giorgio Moroder, der die Synthiemusik mit satten Drums und vielen Bässen auf den Tanzboden holte.“

Nur fürs Protokoll: Ein Nährboden muss da sein, bevor etwas sprießt. Nachträglich funktioniert das nicht. Die „Autobahn“ kam 1974 heraus, „Oxygène“ erst 1976 (das Stück landete 1977 endlich in den deutschen Charts).

Außerdem war die Monotonie von Kraftwerk nun wirklich alles andere als typisch deutsch. Typisch deutsch, das waren in den Siebzigern Tony Marshall mit seiner „Schönen Maid“, Heino mit der „Schwarzen Barbara“, Roy Black mit „Ganz in Weiß“ und der Rest des Ensembles der Hitparade aus den UFA-Studios in Berlin – also Marianne „Nanna-naana-naana-na-na“ Rosenberg, Bernd Clüver, Costa Cordalis, Mary Roos, Karel Gott, Jürgen Drews, Jürgen Marcus, Cindy & Bert, Roberto Blanco, Rex Gildo… SzenenbildJoachimCzerczenga-BildschnittHanneloreLipschitz-Regietruckbranss-unddaswarwieimmereineSendungIhresZätt-Dee-Äff!