Im Markt für Telekommunikation klären sich die Fronten. Nur zwei ernsthafte RIVALEN können der Telekom das Wasser reichen: die deutschen Partner von AT&T und British Telecom. Das Salz in der Suppe sind kleine Spezialisten.
Als die Deutsche Bank 1994 das Management ihres bundesweiten Kommunikationsnetzes einer Deutschen Gesellschaft für Netzwerkdienste (DGN) anvertraute, ahnte niemand, daß sich aus dieser Keimzelle der potenteste Herausforderer der Deutschen Telekom entwickeln würde. Dies wurde erst vor wenigen Wochen schlagartig klar: Da erkor der Aufsichtsrat der Bahn AG die Communications Network International GmbH (CNI), wie die DGN nun heißt, zum Partner der DB Kom. Wertvolle Mitgift der Bahntochter: Wegerechte in allen Orten mit Gleisanschluß und ein riesiges Leitungsnetz.
Was in der Zwischenzeit geschah, hat nur wenig mit den Marktkräften, dafür mehr mit wirtschaftlicher und politischer Diplomatie zu tun: Während die Vorstände der Interessenten – also der Industrie- und Energie-Konglomerate Mannesmann, Thyssen, Veba, RWE und Viag – in öffentlichen Verlautbarungen so taten, als sei außer ihrem jeweiligen Haus kaum jemand in der Lage, die Nummer zwei hinter der Telekom zu werden, sprach hinter den Kulissen dennoch jeder mit jedem. Denn der Aufbau einer kompletten Telekommunikationsinfrastruktur parallel
zur Telekom verschlingt so viel Geld, daß er sich nur rechnet, wenn nicht zuviele Wettbewerber gegeneinander antreten.
Spekulationsobjekt:
Wie sehen die kommenden Allianzen aus?
Wie die endgültigen Allianzen aussehen könnten, gab Börsenbeobachtern daher permanent Anlaß zu Spekulationen – zumal Mitglieder der Fünfschaft fleißig miteinander Gemeinschaftsfirmen gründeten. So teilen sich RWE und Veba den Satelliten-Vermarkter Teleport und den Pager-Dienst Miniruf. Auch der Corporate-NetworkSpezialist CNI entstand auf diese Weise: Die Hälfte des Kapitals hielt Mannesmann, ein Viertel die Deutsche Bank und das restliche Viertel der Energieriese RWE.
Die Öffentlichkeit bekam über die Telekommunikationsstrategien der Konzerne selten mehr als die halbe Wahrheit zu hören. Etwa, warum sie sich gemeinsam mit Partnern um Lizenzen für so periphere und schwierig zu vermarktende Geschäftsfelder wie den Bündel- oder Datenfunk bewarben, deren potentielle Profite in den Portokassen kaum auffallen würden. Die wichtigsten Funktionen dieser Mini-Allianzen tauchen nie in einer Gewinn- und Verlustrechnung auf: Je breiter die Erfahrungen sind, die ein Unternehmen im Telekommunikationsmarkt hat, desto glaubwürdiger wirkt sein Auftritt als Universaldienst-Anbieter. Außerdem läßt sich in kleinen Joint-ventures testen, wie gut die Beteiligten miteinander harmonieren.
Was die Kontaktpflege auf dieser Ebene wert war, wird sich zeigen. Denn zwei Aspiranten stehen plötzlich als Verlierer da: Thyssen Telecom und Vebacom. Beide Düsseldorfer Konzernableger, die gemeinsam das Mobiltelefonnetz E-plus betreiben und daneben eine Reihe von Beteiligungen in der Telekommunikationsbranche halten, verfügen weder über internationale Partner aus der ersten Reihe, noch über ausreichende eigene Netzkapazitäten, um vorn mitzuspielen.
So mußte sich Vebacom-Chef Ulf Bohla unlängst einen „Spiegel“-Beitrag gefallen lassen, in dem er und die Vebacom nicht einmal erwähnt, die Veba und ihr Vorstandsvorsitzender Ulrich Hartmann dafür „leerer Versprechen“ im Telekommunikationsmarkt geziehen wurden. Tatsächlich hatten Hartmann und Bohla das Netz der Bahntochter DB Kom aus Kostengründen sausen lassen. Statt dessen vereinbarten sie mit der Bahn, daß die Vebacom 2900 Kilometer Glasfaserkabel entlang der Schienentrassen in deutsche Großstädte verlegen dürfe.
Vebacom-Partner C&W
bereitet zahlreiche Probleme
Verhandlungen mit Mannesmann über eine gemeinsam zu nutzende Infrastruktur kommen nicht von der Stelle. Zudem macht der britische Partner Cable & Wireless (C&W) der Vebacom mehr Probleme, als daß er ihr hilft. So scheiterte im Frühjahr eine Fusion von C&W mit der British Telecom (BT), die in Deutschland am Vebacom-Rivalen Viag Interkom beteiligt ist.
Thyssen traf es noch härter. Nachdem von den anderen Interessenten für die DB-Kom-Anteile alle bis auf Mannesmann ausgeschieden waren,
hatte sich Dieter Vogel – als Chef der Thyssen Handelsunion auch für den Telecom-Markt zuständig – zu sicher gefühlt. Im eleganten, auf Expansion geplanten Thyssen Trade Center in Düsseldorf hängt seit der Bahn-Schlappe die Stimmung auf Halbmast, eine neue Strategie läßt auf sich warten – zumal diese mit dem Kooperationspartner Bell South (einer regionalen Telefongesellschaft aus den USA) abgestimmt werden muß.
Ursache des Reinfalls war ein Mißverständnis: Weil Mannesmann sich
mit dem amerikanischen Branchenführer AT&T verbündet hat, dachte Vogel offenbar, der Bahn-Eigentümer Bund könne sein Tafelsilber schon aus Sorge um den Wert der T-Aktien nicht dem gefährlichsten Herausforderer der Telekom überlassen.
Daß der DB-Aufsichtsrat dennoch mit den Stimmen des Bundes zugunsten von AT&T/Mannesmann entschied, ist Wasser auf die Mühlen derjenigen, die die künftige Aufteilung des Telekommunikationsmarkts für ein abgekartetes Spiel halten. Zumindest Indizien deuten darauf hin, daß Bonn eher Mannesmann als AT&T hätte übergehen können.
So hatte die US-Regierung wiederholt auf politischem Parkett klargemacht, daß das Joint-venture der Deutschen Telekom mit France
Telecom und der US-Gesellschaft Sprint für die internationale
Großkundenbetreuung (jetzt: Global One) nicht genehmigt werden könne, solange Deutschland und Frankreich ihre Märkte nicht ernsthaft für amerikanische Unternehmen öffneten.
In dieses Bild paßt der rechtzeitige Ausstieg der Viag aus der Bewerberschar: Die frühere Staatsholding (die sich immer noch guter Connections zu den Unionsparteien erfreut, so daß in ihrem Vorstand sogar Bayerns ehemaliger Finanzminister Georg Freiherr von Waldenfels sitzt) hatte im Mai nachlassendes Interesse signalisiert. Nachdem Viag-Boß Georg Obermeier bei der Bilanzpressekonferenz feinsinnig darauf beharrt hatte, man führe mit der Bahn keine „Verhandlungen“, sondern „Gespräche“ über die DB Kom, streute der für die Telecom-Aktivitäten zuständige Vorstand Maximilian Ardelt in kleiner Runde ein plausibles Argument für die Zurückhaltung: Die hohe Personalstärke der DB Kom führe zu enormen Fixkosten.
Nach den „Gesprächen“ wußten Obermeier und Ardelt offensichtlich genau genug über die DB Kom Bescheid, um sich in aller Stille zurückzuziehen. Welche Rolle dabei gespielt hat, daß die Viag einerseits seit Anfang 1995 mit der British Telecom (BT) liiert ist und andererseits Zugriff auf Glasfaserstrecken vieler Stromversorger
hat, bleibt Gegenstand von Spekulationen.
Dafür steht das Gerüst des künftigen deutschen Telekommunikationsmarkts um so sicherer. Neben der Telekom gruppieren sich zwei Bündnisse als Vollsortimenter, die kein Marktsegment auslassen wollen: hier Viag Interkom mit BT, Viag/Bayernwerk, RWE und Partnern aus der Stromwirtschaft, dort CNI mit AT&T, Mannesmann und Bahn. Beide Gruppen können einen großen Teil ihres Daten- und Telefonverkehrs auf eigenen Übertragungswegen befördern und sind in internationale Kooperationen eingebunden. Auch für die Vermarktung
ist gesorgt. Geschäftskunden werden von Viag Interkom und CNI umworben, um Privatkunden kümmern sich künftig auch im Festnetz die Mobilfunk-Vertriebsspezialisten des RWE-eigenen Mobilfunk-Serviceproviders Talkline-Dekratel und der Mannesmann Mobilfunk.
Trend: Telefongesellschaften
ohne eigenes Netz
In der Branche gilt allerdings als sicher, daß die Netzbetreiber den Verkauf zunehmend Dritten überlassen – wie heute schon bei den Handies. Dafür entstehen Telefongesellschaften ohne Netz, die ihre eigenen Service-Bündel schnüren und eigene Tarife entwickeln – ganz nach dem Gesetz von Angebot und Nachfrage. So bereitet sich die Debis-Metro-Tochter debitel darauf vor, eines Tages neben Handy-Kunden auch Festnetz-Abonnenten zu bedienen.
Dabei sind nicht nur feste Verträge denkbar, wie sie im Mobilfunk bisher üblich sind. Neue technische Entwicklungen helfen dabei, den drohenden Tarifdschungel wieder zu lichten. So bietet der Frankfurter Callback-Dienst Telepassport Discount-Auslandsverbindungen über ein Verfahren namens Least Cost Routing. Dabei erkennt ein fernprogrammierbarer Adapter schon an der Länderkennziffer oder Vorwahl, wie er das Gespräch umleiten muß, damit der günstigste Tarif genutzt wird.
Schon heute ist ein Anruf ins deutsche Mobilfunknetz via New York damit günstiger als bei direkter Wahl. Ab 1998 will Geschäftsführer Georg Hofer auch den Markt für Billigst-Inlandsgespräche aufrollen.
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