Diskusfisch und Presseausweis

DFJ e.V.: Eine Viechtacher Verlegerfamilie und ihr seltsamer Verein

Aus dem BJVreport 5/2006

Von Dirk Eikhorst und Ulf J. Froitzheim

Eine Online-Bildagentur, ein Verein für Kindersicherheit, ein Fischfutterversand, ein Special-Interest-Verlag und ein Verein, der Mitgliedern von Fotoclubs einen „bundeseinheitlichen“ Presseausweis anbietet: Der Serviermeister Bernd Degen und seine Familie sind vielseitig und einfallsreich. Der Mann glaubt sogar, der offizielle Presseausweis sei ein Plagiat des seinigen. Eine Posse aus dem Bayerischen Wald.

Vielleicht hängt es ja damit zusammen, dass Jan Ullrich hoch bezahlter ARD-Mitwirkender war, jedenfalls blinkt auf der Website von procycling, „Europas großem Profi-Rennrad-Magazin“, ein Werbebanner mit der signalroten Aufforderung: „Beantragen Sie Ihren Presseausweis – DFJ“. Weshalb ausgerechnet Berufsradler sich als Reporter ausweisen können sollten, wird in dem Kontext nicht so recht klar. Schon eher nachvollziehbar ist, dass einem die Reklame des DFJ, des eingetragenen Vereins „Deutsche Foto-Journalisten“, auch im newsroom des Salzburger Verlegers Johann Oberauer (Medium Magazin) begegnet.

Über welche Wege und Abwege DFJ-Gründer Bernd Degen seine Zielgruppe auch erreichen mag: Der 59-Jährige aus der Bayerwald-Kleinstadt Viechtach scheint nicht ganz erfolglos zu sein bei der Mitgliederakquise. Nach eigenen Angaben hat er heuer schon rund 1500 jener Plastikkarten ausgegeben, die laut Website [dfj-ev.de] „in  erster Linie zur Legitimation als Mitglied des DFJ e.V.“ dienen , aber mit dem anerkannten Presseausweis von DJV, dju, BDZV und VDZ weit mehr als nur entfernte Ähnlichkeit haben. Im Internet umschreibt der Vor- sitzende seinen Club zwar in bester Marketingprosa als „Deutschlands starke nichttarifliche Interessenvertretung“ für Fotografen, Journalisten und sonstige „Medieninteressierte“. Gleichwohl gibt er sich nicht die geringste Mühe, zu kaschieren, welches Hauptinteresse seine Klientel eint „Presserabatte“ steht in der Linkliste ganz weit oben, vor „Mitgliedschaft“ und „Presseausweis“.

Ungeniert wirbt Degen mit einer Liste von Firmen, die Journalisten angeblich Vergünstigungen angedeihen lassen – und suggeriert, dass seine Karte ihrem Inhaber dazu verhelfe: „Vorteile bei Handyverträgen – Mit Presseausweis Gebühren sparen“ etwa. Dabei sind die Zeiten, als die Mobilfunkbetreiber wirklich attraktive Pressekonditionen anboten, längst vorbei. Allerdings ist die heutige Aufmachung der Website auch äußerst dezent im Vergleich zu ihren Anfängen: 2004 war die Unter-Seite zum Thema Presserabatte gespickt mit Logos von Autofirmen, Airlines, Hotelketten, die mit dem Verein „zusammenarbeiteten“. „Eine Mitgliedschaft im DFJ macht sich innerhalb kürzester Zeit bezahlt“, lautete der Werbe-Claim damals noch. Heute ist Degen vorsichtiger – und hat keinerlei schlechtes Gewissen. „Was wir machen, ist seriös“, sagt er, „wir sind ein kleiner Verein und wollen etwas leisten.“

Wer sich näher mit dem Verein befasst, ist schnell irritiert. Derselbe Bernd Degen, der im März 2004 den ganz und gar nicht gemeinnützigen Verein „Deutsche Foto-Journalisten“ kreierte, hat nämlich wirklich einen Ruf zu verlieren. Degen, in seinem Brotberuf als Fachlehrer einer Hotelberufsschule vorzeitig pensioniert, ist der deutschsprachige Fachautor für alles rund um den Diskusfisch, eine Institution unter Liebha- bern des scheibenrunden Buntbarschs Symphysodon. Wenn man einschlägigen Quellen trauen darf, hat jeder Aquarist schon etwas von Degen gelesen; viele beziehen das Futter für ihre stummen Lieblinge von Tropical Deutschland, der Firma von Sohn Michael. Degens Frau Lore gründete vor Jahr und Tag sogar eigens einen Verlag, in dem ihr Gatte fortan seine Ratgeberbüchlein publizieren konnte (und Sohn Marcus heute sein Heft procycling): den bede-Verlag – bernd degen.

Was ihn trieb, mit Lore, seinen vier Kindern und zwei Verlagsangestellten ausgerechnet eine Bildjournalistenvereinigung zu  gründen und sich von der familiären Runde zum Vorsitzenden wählen zu lassen, dafür gibt der gelernte Serviermeister und Kamera-Sammler eine Erklärung, die nichts erklärt. Der Mann, der den nach ihm benannten Verlag nie offiziell selbst leitete, schimpft auf den Verlegerverband: „Ich hatte nie das Gefühl, dass mir geholfen wurde.“ Er deutet nur an: Es ging um Urheberrechtsfragen.

Bildagentur behält zwei Drittel für sich

Auf diesem Gebiet scheint Degen eine eigenwillige Sicht der Dinge zu haben. Sein DFJ ist nämlich aufs engste verbandelt mit einer Online-Bildagentur, die heute Anypix heißt und 2002 als Petpix (Haustierbilder) angetreten war. Anypix ist ein Ableger des bede-Verlags, dessen Geschäfte sein Sohn Marcus führt. Der wirbt auf seiner Website ebenso für den DFJ wie umgekehrt. Hobbyfotografen, von denen mindestens ein Bild in Anypix freigeschaltet wurde, sparen sich zum Beispiel beim DFJ die einmalige Anmeldegebühr von 20 Euro. Was verlockend klingen mag, übertüncht in Wahrheit eine aberwitzige Interessenkollision, denn jede Lobbyorganisation von Fotografen müsste mit den Betreibern dieser Bilddatenbank ein ernstes Wörtchen über deren Konditionen reden: Nur ein Drittel von dem, was die Vermarktung der Bilder einbringt, schüttet Anypix an die Urheber aus – und das nicht einmal bezogen auf den Umsatz, sondern auf den Reingewinn. Zudem wird bei Amateuren generell ein Umsatzsteuersatz von 16 Prozent einbehalten, obwohl künstlerische Werke nur mit sieben Prozent versteuert werden müssten. Von bescheidenen 30 Euro Bruttohonorar für ein Feld-, Wald- und Wiesenbild sieht der Urheber also bestenfalls 8,50 Euro netto.

Auf journalistische Profis ist Anypix ebensowenig ausgerichtet wie der DFJ. „Der Verein steht grundsätzlich jedem offen“, ist im Web zu lesen; willkommen sind auch Vereinssprecher, Mitglieder von Fotoclubs sowie „Fachkräfte aus Wirtschaft und Werbung“. Ihnen dient sich der DFJ für 63 Euro im Jahr als „Know-how-Pool“ an, der journalistische Interessen und Werte „gegenüber staatlichen Organen und wirtschaftlichen Einrichtungen“ vertrete. Auf die Frage, welche Werte und Organe dies seien, antwortet Degen ausweichend, verweigert dann am Telefon jegliche Erklärung. Die Homepage gibt Aufschluss: „Gerade im fotojournalistischen Bereich ist es wichtig, dass auch Personen, die diese Tätigkeit nebenberuflich ausüben, gefördert und nicht von Vollzeitjournalisten ausgegrenzt werden.“ Ein Herz – und Ausweis – für Bild-Leserreporter?

Ein Blick in § 12 der Satzung verrät, wessen Interessen beim DFJ besonders gut geschützt sind, und vor wem: Normale Mitglieder haben lediglich passives Wahlrecht. Wer in den Vorstand darf, macht die illustre Runde der Gründungsmitglieder unter sich aus. Genauso halten es die Degens übrigens auch bei ihrem neuen „Verein für Kindersicherheit in Deutschland e.V.“, der im bede-Verlagsgebäude in Ruhmannsfelden residiert – und auch eine Art Ausweis druckt, die „Kidz-Card“. Auf diesem Kärtchen, das man den Kleinen um den Hals hängen soll, stehen Daten, die jeder selbst aufschreiben könnte – Name, Telefonnummern, Allergien.

Vieles wirkt fremd in der Welt des Bernd Degen, so auch seine Einlassungen zu der Frage, wie er dazu komme, den offiziellen Presseausweis nachzuahmen. „Ich will niemandem etwas vorwerfen“, sagt er, aber sein Ausweis unterliege dem Geschmacksmusterschutz, und schiebt DJV & Co. den Schwarzen Peter hin. Sein Verein habe den neuen Ausweis längst gehabt, als der DJV gemerkt habe, dass der alte, grüne Pappausweis nichts taugte.

Dass es sich beim einheitlichen Presseausweis der vier großen Verbände um ein Plagiat handeln soll, entlockt Benno Pöppelmann mehr als nur ein leises Schmunzeln. „Putzig“, sagt der DJV- Justitiar, als er seine Fassung wiedergefunden hat. Das Geschmacksmuster sei bereits am 14. Juni 2005 beim Deutschen Patent- und Markenamt angemeldet worden. Die Anmeldung für die Variante des DFJ, der Pöppelmann zufolge bereits ein Plagiat des alten Ausweises hatte zurückziehen müssen, ging erst am 1. Dezember beim DPMA ein – und lautete nicht auf den Verein, sondern auf Degen persönlich. Und als die Registrierung am 6. Januar 2006 abgeschlossen war, hatten die DJV-Mitglieder ihre Ausweise längst in der Tasche.

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