Kleiner Nachtrag zur Mitgliederversammlung der VG Wort: Die Jünger von Dr. „St. Martin“ Vogel und die nach seinem Pyrrhuserfolg vor dem BGH aufs Trittbrett gesprungenen Beifahrer wiederholen ja gerne ihr Mantra, die Rechtslage bezüglich der Verlagsbeteiligung sei doch seit (irgendeine Jahreszahl zwischen 2001 und 2012 einsetzen) überhaupt nicht unklar gewesen.
Seit Samstag weiß ich aus berufenem Munde, dass sie nicht nur für mich und meine Verwaltungsratskollegen und den Vorstand unsicher war (was eigentlich eine Binsenweisheit ist, weil ja ein Prozess nur dann bis zum BGH geführt werden kann, wenn noch Unsicherheit auszuräumen ist, und weil sogar der BGH den Ausgang des Reprobel-Verfahrens imponderabel fand und deshalb abwartete). Unsere staatlich bestellte Aufseherin vom DPMA, Anne Algermissen, hat in Berlin unmissverständlich klargestellt, dass die Rechtslage auch aus Sicht ihrer Behörde unsicher war. Sprich: Das DPMA ist nicht der BGH, seine Eingriffs- und Entscheidungskompetenz ist nicht die eines Obersten Bundesgerichts. Es kann nicht Recht setzen. Anders gesagt: Wenn die Mühlen der Justiz langsam mahlen, muss man eben geduldig sein.
Erwähnenswert ist auch der Auftritt der Ehrenpräsidentin Dr. Maria Müller-Sommer, Inhaberin des Berliner Bühnenverlags Gustav Kiepenheuer. Die geistig hellwache Grande Dame (Jahrgang 1922) hatte zunächst gemeint, alte Leute sollten das Reden den Jüngeren überlassen. Aber irgendwann kam der Zeitpunkt, an dem sie so viel neunmalkluges Zeug und so viele Unverschämtheiten gehört hatte, dass es sie nicht mehr auf ihrem Stuhl hielt. Die „Urgroßmutter der VG Wort“ (Müller-Sommer über Müller-Sommer) erinnerte daran, dass die Autoren vor fast 60 Jahren mit ihrer eigenen Verwertungsgesellschaft binnen kürzester Zeit vor die Wand gefahren waren und erst durch die Zusammenarbeit mit den Verlegern etwas zustande gebracht hatten. Zudem erinnerte sie Martin Vogel an die Zeit, in der sie ihn kennenlernte. Er saß damals auf dem Stuhl, den nun Anne Algermissen innehatte. Vogel musste sich anhören, dass er heute eine Position vertritt, die seiner damaligen diametral entgegensteht. Demonstrativ stellte sich Müller-Sommer hinter den Junior-Ehrenpräsidenten Professor Ferdinand Melichar (77), der zuvor schon selbst vehement die Behauptung Vogels von sich gewiesen hatte, er habe 2002 einen Brief von ihm „versteckt“.
Der ausdauernde Applaus für die Uroma ließ Martin Vogel dastehen wie einen zur Rektorin zitierten Schulbuben, eine Rolle, die er immerhin mit Fassung trug. Ein klitzekleines Erfolgserlebnis war auch ihm vergönnt: Dank des rotzig-trotzköpfigen Abstimmungsverhaltens einiger spätpubertärer Fans in den Autoren-Berufsgruppen scheiterten zwei vollkommen harmlose Anträge, die leider satzungsbedingt einer Zweidrittelmehrheit innerhalb aller Berufsgruppen bedurft hätten. Nicht dass es mehr als Drittel Neinstimmen gegeben hätte. Einige verunsicherte Mitglieder und Delegierte enthielten sich – nicht wissend, dass eine Enthaltung nur die freundliche Schwester eines „Nein“ ist.
Jetzt bleiben die DOPs (Digitale Offline-Produkte), mit denen die VG Wort keinen Cent mehr einnimmt, erst mal als Museumsstücke im Verteilungsplan, und die Verwaltung hat mehr Arbeit als nötig mit der Abrechnung von Dokumentarfilmen. Aber an solche Sachen wird man sich gewöhnen müssen, sollte das neue Verwertungsgesellschaftengesetz (VGG) uns tatsächlich die Online-Teilnahme an Abstimmungen bescheren. Dann sitzen zu Hause Leute am Knöpfchen, die sich noch stärker ablenken lassen als Anwesende, die mit ihren Nachbarn quatschen.
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