Der Bayerische Journalisten-Verband hat bereits einen sehr großen Landesvorstand. Der wird jetzt – trotz kräftig sinkender Mitgliederzahl – noch größer. Statt 26 sitzen künftig 27 Menschen im Konferenzsaal in der St.-Martin-Straße in Giesing beieinander. Damit haben wir nun drei Entscheider mehr als der DJV-Gesamtvorstand mit seinen 24 Stimmberechtigten und vier mehr als der Verwaltungsrat der VG Wort, der nicht über ein Budget von 2,4 Millionen Euro, sondern eines von mehr als 100 Millionen Euro wacht. Immerhin sind wir von Düsseldorfer Verhältnissen weit entfernt: In den vierteljährlichen Gesamtvorstandssitzungen unserer Kollegen in NRW haben 39 Funktionäre volle und weitere 22 beratende Stimme.
Gelegenheiten, aneinander vorbeizureden und sich über echte oder vermeintliche Partikularinteressen in die Wolle zu kriegen, gab es in München jedenfalls schon bisher mehr, als dem Verband gut tat. Was Unternehmen längst begriffen haben, ignorieren wir geflissentlich: Je mehr Interessenvertreter mit unterschiedlichen Agenden in einer Runde sitzen, desto mehr leidet die Produktivität der Vorstandsarbeit. Wir haben dennoch am Samstag die Erweiterung beschlossen – mit überwältigender Mehrheit, um des lieben Friedens willen. Wir schaffen aber nur deshalb neue Pöstchen, weil wir keinen echten Umbau hinkriegen. Man kann das für absurd halten, für masochistisch oder nachgerade schizophren… tja, so sind wir wohl.
Immerhin haben wir auch für einen trostpflaströsen Versuch gestimmt, wenn schon nicht die Effizienz, so doch wenigstens den Output der Gremienarbeit zu steigern. Ab nächstem Jahr muss der Vorstand uns Mitgliedern jeweils im Mai ein Arbeitsprogramm vorlegen, dessen Umsetzung wir dank unserer Eigenschaft als Oberster Souverän dann wiederum ebendiesen Vorstandsmitgliedern (als Vertreter der von ihnen geleiteten Untergremien) aufs Auge drücken dürfen.
Ein Teil des Jobs der Tafelrunde der 27 Reckinnen und Recken wird künftig sein, sich in langen Sitzungen (etwa der anderthalbtägigen Vorstandsklausur im Frühjahr) selber oder gegenseitig Ziele fürs folgende Jahr zu setzen und „Maßnahmen“ auszudenken, die dorthin führen sollen. Wir Teilnehmer an der Mitgliederversammlung brauchen ihnen dann nur noch mit unserem Votum die Umsetzung der Pläne abzuverlangen. Dies hat den Charme, dass jeder Fachgruppenchef und jede Bezirkschefin einmal im Jahr konkret und coram publico verraten muss, was er oder sie vorhat. Die motivierten und tatendurstigen Funktionäre werden kein Problem damit haben, uns ein Mindestmaß an Vorhaben zum Abnicken vorzulegen; diejenigen, die keinen Plan haben und eigentlich gar nichts tun wollten, kommen dann nicht mehr aus.
Zumindest ist das die hehre Hoffnung derer, die sich diese Disziplinierungsmethode ausgedacht haben.
Im Grunde ist dieser Notwehrakt aber nur ein weiterer Beleg dafür, dass es höchst dringend wäre, die alten, verkrusteten Strukturen wirklich aufzubrechen. Wir ahnen sogar, wie der Verband der Zukunft aussehen könnte. Der neue Vorstandsposten geht nämlich paradoxerweise an eine Gruppierung, von deren Vertreterinnen man zu allerletzt Ambitionen auf ein traditionelles, formales Ehrenamt erwartet hätte: „BJFrau“.
Ja, Sie haben richtig gelesen. Im Beh Jott Vau gibt es jetzt eine „Fach“-Gruppe dieses wortverspielten (verwortspielten?) Namens: Beh Jott Frau. Bayerische Journalistenfrau? Nein, keine dummen Scherze jetzt, schlimmer als „Krautreporter“ klingt auch BJFrau nicht. Und der kuriose Name ist auf alle Fälle weniger idiotisch als die Idee, diesen von einigen engagierten und kreativen Kolleginnen bewusst außerhalb der althergebrachten Strukturen etablierten Frauen-Arbeitskreis nun doch in die antiquierte Schablone zu pressen.
Was macht, was soll überhaupt eine Fachgruppe, die sich über das Geschlecht ihrer Mitglieder definiert? Wollten wir etwa eine Heimat schaffen für die Redakteurinnen der bunten Blätter aus dem Arabellapark mit ihrem Celebrity-bepackten Werberahmenprogramm für die Kosmetik- und Klamottenindustrie? Nein. Diese werden schon von unserer farb- bis leblosen Fachgruppe Zeitschriften nach Kräften ignoriert (obwohl sich eine Journalistengewerkschaft ihre Mitglieder eigentlich nicht nach thematischen Sympathien aussuchen darf).
BJFrau steht für etwas Sinnvolles, Nützliches. Für Networking, für ein unbürokratisches, pragmatisches, spontanes Verständnis von ehrenamtlicher Betätigung.
Steht? Stand, muss man leider sagen. Was bisher eine Art Soziallabor war, in dem der BJV frische, agile Formen der Mitgliederbindung hätte erproben können, wenn er sich denn für die Arbeit der Kolleginnen interessiert hätte, wird jetzt dem Mainstream und der Konvention geopfert. Der bürokratische Oberbau triumphiert. Aus Sicht der Macherinnen beginnt allerdings wohl ein langer Marsch durch die Institutionen: If you can’t beat them, join them. (Ich bin nicht der Einzige, der schweren Herzens mit Ja gestimmt hat, um nicht als Verweigerer dazustehen.)
Das Konzept der Fachgruppen hat sich überlebt
Über kurz oder lang kommen wir nicht umhin, unsere Strukturen zu modernisieren. Der Stempel „Fachgruppe“ wurde vor Jahrzehnten von unseren Gewerkschaftern geprägt für die damaligen redaktionellen Berufsbilder, für die jeweils eigene Gehalts- und Manteltarife galten (Zeitung, Zeitschrift, Rundfunk/Fernsehen, Fotografie, Öffentlichkeitsarbeit, viel später kam Online dazu). Weil viele Mitglieder nicht in dieses Raster passten, schuf man weitere „Fachgruppen“ für sie, auch wenn diese Bezeichnung weder bei den „Freien“ noch bei den „Jungen“ noch bei den „Fremdsprachigen“ je richtig passte (letztere Gruppe ging übrigens hervor aus einer Sonder-Fachgruppe für die zum großen Teil aus Osteuropa immigrierten Redakteure der antikommunistischen US-Propagandasender Radio Free Europe und Radio Liberty, kurz RFE/RL). Auch unser bisher jüngstes, kleinstes und schillerndstes Grüppchen trägt den Namen „Fachgruppe“ zu Unrecht, denn es befasst sich mit Urheberrecht und Europapolitik – also mit Themen, die wirklich Chefsache wären, bei uns aber an den früheren Bezirksvorsitzenden Mainfranken delegiert sind, der als studierter Jurist in diesen ungeliebten Themen in grauer Vorzeit sein Steckenpferd gefunden hat.
Der Konstruktionsfehler unseres Vereins liegt auf der Hand: Wir stellen Dinge auf eine Stufe, die nicht vergleichbar sind. Ein Fach erlernt man, und man praktiziert es unabhängig davon, ob man jung ist, weiblich oder freiberuflich tätig, oder welche Muttersprache man hat. Die Bedeutung dieser Fächer ist im Berufsalltag aber längst in den Hintergrund getreten. Die Kästchen zwicken und zwacken, junge Kollegen wachsen in eine crossmediale Arbeitswelt hinein, und die wirklich relevanten Aufgaben für einen Berufsverband entstehen ebenfalls zunehmend abseits der Fächer.
In Garmisch gab zwar der junge Kollege Matthias Leitner – im heutigen Jargon ein echter „High Potential“ – faszinierende Ausblicke auf die sich abzeichnende „transmediale“ Zukunft. Nicht nur die ältesten Anwesenden versuchten sich nicht anmerken zu lassen, dass sie dem Referenten spätestens an der Stelle nicht mehr folgen konnten, als er von „agilen Prozessen“ bei der Produktion von audiovisuellen Dokumentationen sprach. Immerhin schienen sie beeindruckt zu sein von der Präsentation dieses bayerischen Aliens: Was ihnen wie science-fiction vorkam, ist bereits Gegenwart.
Sind wir der BJV oder die GBTZR?
Nach der Mittagspause war der BJV aber schon wieder der alte. Diverse Redebeiträge erweckten den Eindruck, die Tarifarbeit an Tageszeitungen samt Streiks für höhere Gehälter sei die vornehmste Aufgabe unseres Verbandes. Viele Teilnehmer glauben das auch tatsächlich, es ist ihre Heilige Kuh. Wir sind aber nicht die GBTzr, die Gewerkschaft Bayerischer Tageszeitungsredakteure, sondern der Bayerische Journalisten-Verband, der sich schon vor vielen Jahren als „Gewerkschaft der Journalistinnen und Journalisten aller Medien“ definiert hat und heute als „Die Stimme der Journalisten in Bayern“ auftritt. So überragend wichtig der klassische Arbeitskampf durch die Brille der Betroffenen auch wirkt, so ist er doch nur eine Aufgabe neben anderen, die kein Jota weniger wichtig sind. Fakt ist: Nur jedes sechste Mitglied hat „Tageszeitungen“ als Hauptfachgruppe gewählt. Die Nöte der Kollegen sind in anderen Bereichen auch weiß Gott größer als in jenen Zeitungsverlagen, die noch tarifgebunden und tariftreu sind. (Und wenn man ganz ketzerisch ist – ich höre schon den empörten Aufschrei der Traditionalisten – kann man sich ganz grundsätzlich fragen, wie sinnvoll es ist, Zeitungen zu bestreiken, die das jüngere Publikum eh nicht mehr lesen mag. Wir leben nicht mehr in einer Zeit, in der es jemandem wirklich wehtut, keine Zeitung zu bekommen, wobei ich es ewig nicht mehr erlebt habe, dass wegen eines Streiks die ganze Zeitung ausblieb. Allenfalls ist sie dünner und etwas durcheinander. Ein Streik, der in der Bevölkerung bestenfalls ein Schulterzucken auslöst, wenn er nicht sogar gänzlich ignoriert wird, ist lächerlich.)
Wenn uns das alles klar ist (jedenfalls denen unter uns, die nicht vollständig betriebsblind sind), warum machen wir dann so einen Quatsch und organisieren weiterhin alles in rivalisierenden „Fachgruppen“ von eher fragwürdiger Fachlichkeit? Warum schaffen wir immer noch neue Zuständigkeitsghettos, die ein Problem zum PaL machen, zum Problem anderer Leute, auch wenn es alle anginge? Weil es uns erspart, uns neu zu erfinden, wozu wir Kleinfürstentümer sprengen und unsere unzeitgemäße Satzung ändern müssten (die auf die unzeitgemäße Satzung unsers Bundes-Dachverbandes DJV abgestimmt ist). Diese gewährt Fachgruppen eine Stimme im Landesvorstand und ein (kleines) Budget für ihre Aktivitäten.
Während ein solcher Mini-Etat (nicht einmal 5,50 Euro pro Tag) den Ehrenamtlichen ein Quentchen Handlungsspielraum und Flexibilität gewährt, ist das Stimmrecht in der praktizierten Form nichts als ein überschätzter Popanz, ja eine pure Augenwischerei. Die Fachgruppe Freie, zuständig für alle Mediensparten, ist zwar mit Abstand die größte; ihr gehört rund die Hälfte der Mitglieder an. Sie hat aber nur eine Stimme im Vorstand. Die Zeitungs-, Zeitschriften- und Rundfunkredakteure haben zusammen drei Stimmen. Eine weitere hat die „Fachgruppe“ Betriebsräte, obwohl die Interessen ihrer Mitglieder bereits durch andere Fachgruppen vertreten werden – im wesentlichen der FG Tageszeitungen. Die Redakteure sind ergo im Streitfall in der Lage, die Freien im Verhältnis 4:1 zu überstimmen. Diplomatischer gesagt: Die Freien sind also nicht nur auf die Kollegialität, die Solidarität, das Wohlwollen, sondern auf die aktive Unterstützung der Redakteure angewiesen. Umgekehrt gilt das keineswegs: Die Redakteure können alles durchsetzen, egal ob der oder die Freie dagegen stimmt. Es bedarf nicht einmal eines bösen Willens auf Seiten der Redakteure; Ignoranz und Trägheit genügen völlig, um die Freien in die Röhre schauen zu lassen. Schon die schiere Existenz einer personell überforderten Alibi-Fachgruppe Freie – denn etwas anderes ist sie bei der gegenwärtigen Ausstattung nicht – bietet den fest angestellten Funktionären der Fachgruppen Tageszeitungen und Zeitschriften eine bequeme Ausrede dafür, sich voll auf die Anliegen der angestellten Redakteure zu konzentrieren.
Die freien können schon personell nicht mithalten
Wie grotesk das tief in unseren Strukturen verankerte Missverhältnis ist, zeigt sich, wenn man den Blick vom Landesvorstand ausdehnt auf unseren gesamten Funktionärsapparat. Jede Fachgruppe kann bis zu fünf Personen in ihr Führungsteam wählen. Im Prinzip kann also in jeder Fachgruppe ein Kontaktmann oder eine Kontaktfrau aus jedem der fünf Bezirke mitarbeiten. Wirklich praktikabel ist so etwas aber nur bei den Tageszeitungen, weil nur sie flächendeckend übers Land verteilt sind. Ansonsten ist Bayerns Medienwirtschaft sehr stark auf den Großraum München fokussiert. Wegen dieses Ungleichgewichts stellen auch in vier von fünf Bezirksverbänden traditionell die Tageszeitungskollegen das Gros der Ehrenämtler. Im Paket mit der personell eng mit ihr verflochtenen FG Betriebsräte bildet die FG Tageszeitungen deshalb den mit Abstand größten Machtfaktor im BJV – sie ist vertikal und horizontal am besten vernetzt, sie hat überall ihre Leute drin, und vor allem hat sie leichten Zugang zu ihrer Basis, weil ihre Leute in den Betrieben arbeiten. Wenn ich die Reihen der Aktiven so durchgehe, komme ich im BJV lässig auf mindestens zwei Dutzend Zeitungsleute, die bei Bedarf mit anpacken.
Die Fachgruppe Freie dagegen muss mit maximal fünf Ehrenamtsposten fast die vierfache Zahl an Mitgliedern betreuen, deren Interessen im Gegensatz zu denen der Zeitungsschreiber alles andere als homogen sind. Dabei ist der Zugang zu den Freien weitaus schwieriger, der Organisationsaufwand um ein Vielfaches höher. Ein Freien-Funktionär kann halt nicht einfach einen Zettel im Verlag ans Schwarze Brett hängen oder übers Intranet eine Rundmail verschicken, und er trifft auch keine Kollegen in der Kantine. Die Freien einer Region kennen sich nicht einmal untereinander, weil der eine für eine Fachzeitschrift schreibt und die andere beim Radio moderiert.
Was bitte ist die Meinung „des“ BJV?
Da wäre es doch sinnvoll, die Freien im BJV könnten sich wenigstens via Internet zusammentun (übrigens eine der Stärken der BJFrauen). Aber auch hier sind wir ein Verein, der den Freien nach Kräften Steine in den Weg legt. So hatte die FG Freie die Mitgliederversammlung um ein Votum gebeten, das ihr erlaubt hätte, über den BJV-Server in Eigenregie Mail-Rundschreiben an interessierte Mitglieder zu versenden und zudem ein Online-Forum zu betreiben. Die auch als „Arbeitsgruppe Bedenkenträger“ bekannte Antragskommission, deren Job es natürlich ist, die Suppe auf Haare zu scannen, riet erwartungsgemäß dringend davon ab, dem Wunsch stattzugeben. In der Debatte in Garmisch ging es dann aber nicht nur um die obligatorischen Ablehnungsgründe Datenschutz und Haftungsrisiken für den Vereinsvorsitzenden; beide Probleme wären mit gutem Willen lösbar. Nein, dem Antragsteller wurde auch coram publico vorgeworfen, dass er Mails verschicke, die man erst auf sprachliche Korrektheit gegenlesen müsste, weil sie „peinliche“ Fehler enthielten. Die Argumentation wirkte freilich fadenscheinig, denn selbst wenn ein Mitglied der FG-Spitze an pathologischer Rechtschreibschwäche leiden oder mit der Grammatik hadern sollte, ließe sich das Problem mittels kollegialen Korrekturlesens innerhalb der Gruppenspitze aus der Welt schaffen. Tatsächlich prasselte vom Vorstands- und Geschäftsführungstisch herab das Argument auf die Mitglieder hernieder, es müsse ja auch sichergestellt werden, dass offiziell von BJV-Amtsträgern verbreitete Statements mit der „BJV-Meinung“ konform seien.
Das war nun wirklich neu: Als noch der selbstgerechte brandenburgische Nemesos Hans-Werner Conen und ihm ergebene Kampftruppen aus Hatern, Flamern und Forentrollen wider den BJV wüteten, war unser Verband sorgsam darauf bedacht, klarzustellen, dass bei uns sehr wohl Meinungsfreiheit herrscht. Auch die Satzung gibt in keiner Weise die Interpretation her, dass Funktionäre nur Dinge äußern dürfen, die vom 1. Vorsitzenden, dem Geschäftsführenden Vorstand oder gar der Geschäftsführerin abgesegnet wären. Es ist ja ein absolut skurriler Gedanke, dass ein Journalistenverband die Freiheit der Meinungsäußerung einschränkt. Aber wie ich Jutta Müller kenne, habe ich, haben wir alle das mit der Meinung „des BJV“ eh wieder nur total missverstanden oder sie hat es natürlich nicht so gemeint, wie es sich anhörte. Auf die Einhaltung einer strikten Parteilinie zu pochen, wäre im Zeitalter der „sozialen Netzwerke“ auch sinnlos. Wenn die Geschäftsstelle mauert, findet man heute andere Wege – nur wird das dann wirklich peinlich für den BJV. Noch peinlicher als die vollkommen verkorkste Website, auf der seit nunmehr zwei Jahren und neun Monaten angekündigt wird, dass ein geschlossener Benutzerbereich namens „BJV plus“ eröffnet werde, und auf der immer noch die ach so wichtigen Video-Podcasts fehlen, mit denen vor zwei Jahren das hohe Budget für die Website und letztlich das Ausmaß der Beitragserhöhung begründet wurden.
Fakt ist: Ohne Not wurde ein engagierter Ehrenamtlicher vor versammelter Mannschaft in unentschuldbarer Weise brüskiert, und wenn er Mails an Mitglieder verschicken will, muss er das über seine private Mail-Adresse tun, folglich erst irgendwie Kontakt zu möglichen Interessenten aufbauen, damit die ihm ihre E-Mail-Adresse herausrücken, die der BJV bereits im Computer hat. Die Zeit fehlt dann für inhaltliche Arbeit.
Mehr Geld in den Streiktopf? Woher nehmen?
Ein kleiner Trost ist, dass auch die Tageszeitungs-Betriebsrats-Fraktion nicht ihren Willen in Form von zusätzlichen 50.000 Euro bekam, die sie gerne jährlich dem Streikfonds zugeführt sehen wollte, zu berappen von allen Mitgliedern (es wäre eine Verdoppelung der Zwangsumlage gewesen). 50.000 Euro sind doppelt soviel Geld, wie sämtliche Fachgruppen, Bezirks- und Ortsverbände zusammen erhalten. Das Geld dafür sei schlichtweg nicht vorhanden, wehrte der Schatzmeister ab; eine Beitragserhöhung wagte niemand zu fordern. Der Antragsteller selbst hatte keinen Vorschlag zur Gegenfinanzierung parat, wobei er diesen ja eigentlich auch vor der Erstellung des Etatentwurfs hätte einbringen müssen. Den Wettbewerb Pressefoto Bayern – das beste PR-Werkzeug des BJV – mochte auch nur ein einziger Kollege für diesen Zweck opfern. Vermutlich handelte es ja auch nur um einen Schaufensterantrag, für den die Betriebsräte-Wortführer-Wolfgänge Grebenhof (aktuell) und Soergel (emeritus) ihrer Gefolgschaft zuliebe ans Mikro traten.
In den Facebook-Postings des Thüringer DJV-Abgesandten Rainer Aschenbrenner (Hashtag: #BJV2014) lässt sich übrigens nachlesen, dass die Doktrin, derzufolge die Streiks indirekt auch den Freien zugute kommen, auf dünnem Eis steht. In einem Thread ging es nämlich darum, dass das Standardhonorar für ein Foto bei bestimmten Zeitungen heute noch 5,11 Euro beträgt: So wurden 2002 die vormaligen 10 De-Mark, die laut Wolfgang Grebenhof bereits 1987 aktuell gewesen waren, centgenau umgerechnet. In 27 Jahren hat sich nichts getan. Hauptberuflichen Journalisten und Festen Freien steht tarifvertraglich erheblich mehr zu, aber darauf können sich Mitarbeiter all jener Verlage nicht berufen, die aus der Tarifbindung bereits geflüchtet sind. Selbst der Arbeitgeber unseres Vorsitzenden Michael Busch hat sich längst aus dem Tarif davongestohlen.
Dennoch: Ein bisschen Luft wäre im Etat gewesen für eine Aufstockung der Streikkasse. Der BJV leistet sich 2014…
…eine Steigerung der Gehälter um rund 46.000 auf 670.000 Euro und der Gesamt-Personalkosten um 37.000 auf 870.000 Euro. Dahinter stecken, wie Schatzmeister Markus Hack auf Nachfrage meinte, Gehaltserhöhungen, die aber zum Glück nicht alles erklären. Wie Hacks Vorgänger Peter Nützel ergänzte, ist auch eine Rückkehr einer Arbeitskraft aus Teilzeit- in Vollzeitbeschäftigung enthalten. Da der BJV aber binnen eines Jahres netto um 313 Mitglieder geschrumpft ist und nun im Gegensatz zu seiner offiziellen Selbstdarstellung deutlich unter 8000 Mitglieder hat, wäre es an der Zeit, über eine betriebsbedingte Belegschaftsanpassung nach unten nachzudenken. Weniger Mitglieder bedeuten nun einmal weniger Arbeit. Die Personalkosten sind übrigens seit 2004 von gut 65 Euro pro Mitglied und Jahr um zwei Drittel auf fast 110 Euro (Etat 2014) gestiegen. Rechnet man Pensionsrückstellungen heraus, die als Finanz-Altlast zu betrachten sind, bleiben immer noch 104 Euro (zu rund 70), also eine Zunahme um etwa die Hälfte.
…nochmals Ausgaben von 15.000 Euro im Zusammenhang mit der Anschaffung der neuen Mitgliederverwaltungssoftware, in die bereits 43.000 Euro geflossen sind. Macht zusammen 58.000 statt der geplanten 50.000 Euro. Auf dem Markt wäre für erheblich weniger Geld Software erhältlich gewesen, mit der vergleichbare und größere Verbände mit vergleichbaren Anforderungen zurechtkommen. Die günstigere Alternative, von einem Vorstandsmitglied ins Spiel gebracht, noch bevor wir auf der MV 2013 den Etatposten genehmigt hatten, wurde offenbar nicht einmal näher in Augenschein genommen.
…Ausgaben für Öffentlichkeitsarbeit in Höhe von 207.000 Euro: 32 T€ für PR, 75 T€ für den BJVreport, 60 T€ für die Website und 40 T€ für Pressefoto Bayern. Allerdings waren es 2013 sogar mehr als 243.000 Euro. Wir beschäftigen zwar keinen hauptamtlichen PR-Menschen (Kommunikationsreferenten) mehr. Aber der bekam sicherlich kein Gehalt von 140.000 Euro, und für die drei anderen Positionen zusammen genügten 2006 noch 100.000 Euro. Für den Punkt Webcontent/Design waren in jenen Jahren 24.000 Euro schon ein Ausreißer nach oben – anno 2005, wegen des Relaunchs der Website. Die Abrechnung für 2013 weist 81.273,57 Euro aus – obwohl der aktuelle Relaunch in den Jahren 2011 und 2012 stattfand. Die eher diffusen Antworten von Geschäftsführerin und Schatzmeister zum Thema ließen in Garmisch Befürchtungen aufkommen, ob denn diesmal das veranschlagte Geld reichen wird. Die Streikkassenwarte könnten ja mal prüfen, ob es billiger wird, wenn wir einen Profi einstellen.
…Telefonkosten von 11.000 Euro. Es gibt Geschäftskundentarife, nach denen bis zu 25 Mitarbeiter für 2600 Euro jährlich unbegrenzt ins Festnetz telefonieren können, eine Allnetflat (alle Mobilnetze) liegt bei etwa 5700 Euro. Dass die Juristen mit ihren Handys zusätzlich über 5000 Euro im Jahr vertelefonieren, ist bei den heute üblichen Tarifen nicht anzunehmen.
…Mietkosten von 140.000 Euro. Für die kann der aktuelle Vorstand nichts, denn der Mietvertrag für die überdimensionierte neue Geschäftsstelle wurde noch unter Wolfgang Stöckels Ägide abgeschlossen. Die Warmmiete in der Seidlstraße lag früher bei gut 80.000 Euro. Zur Rechtfertigung des Umzugs in den zum „Green Building“ umgebauten Siemens-Block war aus Vorstandskreisen voriges Jahr zu hören, die Konferenzräume eigneten sich ja auch für Schulungen der Akademie der Bayerischen Presse, die damals – wie ich auch von ABP-Chef Martin Kunz gehört hatte – aus den Nähten platzte. Es hörte sich nach einem konkreten Plan an, doch heute will niemand mehr davon etwas wissen: Es sei nie behauptet worden, der BJV strebe eine „gewerbliche“ Untervermietung an.
Das dürfte ein Fehler sein. Die Bürokosten pro Mitglied haben sich in den vergangenen zehn Jahren beinahe verdoppelt – von etwas über 10 auf fast 20 Euro im Jahr.
Der Umbau muss kommen – bald
Wenn wir so weiter wirtschaften, fährt der Verband bald in die Miesen. Gerade noch 1200 Euro will der Schatzmeister 2014 in die Rücklagen einstellen – zwei Jahre nach einer massiven Beitragserhöhung, die eigentlich auf Jahre hinaus Luft verschaffen sollte. 1200 Euro sind nichts: Auf vielen einzelnen Etatpositionen sind die Abweichungen zwischen Soll und Ist erheblich größer. 1200 Euro Überschuss sind nichts anderes als eine kosmetische Form der Aussage: „Sehr gut möglich, dass wir die Rücklagen werden angreifen müssen.“ Eine weitere Beitragserhöhung wäre fatal, denn dann treten noch mehr Mitglieder aus. Wer die Mitgliederbilanz der DJV-Landesverbände hinten im „journalist“ verfolgt, kann seit einiger Zeit ein Muster beobachten: Immer gegen Quartalsende kommt es zum Mitgliederschwund, Tendenz steigend.
journalist 7/2013: –76 Mitglieder
journalist 10/2013: –63 Mitglieder
journalist 1/2014: –100 Mitglieder
journalist 4/2013: –116 Mitglieder
Wer die Namen liest, erkennt auch, dass bei weitem nicht alles mit Berufswechseln zu erklären ist. Auch prominente Mitglieder und Chefredakteure kehren uns den Rücken.
Noch wichtiger als sparsame Haushaltsführung ist allerdings, dass wir die richtigen Leute motivieren, sich zu engagieren. Und, wie es der nicht um sein Amt zu beneidende Michael Busch in Garmisch getan hat, den falschen zu signalisieren, dass sie fehl auf dem Pöstchen sind (leider waren die beiden schlimmsten Passivposten gar nicht im Auditorium). Wir brauchen keine Vereinsmeier, Wichtigtuer, Gschaftlhuber, Bremser und Dabeisitzer. Wir brauchen Anpacker, Kreative, Pragmatiker und gerne auch mal wieder ein paar Charismatiker, denen es um die Sache geht. Leute, die nicht den BJV brauchen, um jemand zu sein.
Sie sind der oder die 5152. Leser/in dieses Beitrags.
Lieber Herr Neumann,
ich weiß nicht, ob ich Ihre Frage richtig verstehe. Schön jedenfalls, dass Sie die Brandeins so schätzen, dass Sie finden, sie sei zu schade zum Verschenken. 🙂
Natürlich steckt hinter dem Heft eine richtige Frau- und Mannschaft, also ein kleines Team von internen Redakteurinnen und Redakteuren plus ein größerer Stamm von Freien. Aber wir Autoren sind schon für unsere Recherchen selbst verantwortlich. Der Laden ist zu klein, um sich eine Doku-Abteilung von „Spiegel“-Dimension zu leisten. Deshalb findet nur Fact-Checking statt, keine Auslagerung von Rechercheaufgaben an unsere Dokumentarinnen.
Sehr geehrter Herr Froitzheim,
die Story, die sie über den BJV geschrieben haben, ist mir eben mehr durch Zufall aufgefallen. Als Präsident eines kleinen Verbandes, man eher sagen „Gilde“ von ITK-Fachschriftstellern, stehe ich fassungslos diesen vereinsmeierlichen Querelen gegenüber. Und bin erschüttert über die Gelder, die da abfliessen – nur so abfliessen, ohne erkennbaren Nutzen.
Aber das ist es nicht, warum ich Ihnen schreibe. Sondern in meiner Stammkneipe hier in einem Vorort von Hamburg legt ein besonderer Dienstleister regelmässig einen Packen Hamburger Presseerzeugnisse als Werbung kostenlos ab, darunter auch BRAND EINS, ein hochkarätiges Business-Magazin, viel zu schade für solche Aktionen. Da las ich Ihre Story über Amazon-Gründer Bezos („schöpferische Zerstörung ) Das warf die Frage auf: Recherchieren Sie alles das als Einmann-Redaktion? Oder sind Sie eine Gruppe?
Ich werde mich in den nächsten Tagen noch einmal an Sie wenden,
wegen Links zu zweien Ihrer Artikel über den Presseausweis-Sumpf.
Herzliche Grüsse,
Dieter Neumann
IEPA