VG Wort: Freischreiber auf Springprozession

Jetzt ist es raus: Freischreiber-Vorsitzender Benno Stieber hat zwar nur zu einem Absatz im Vorstandsentwurf der VG Wort für den Korrektur-Verteilungsplan eine Änderung beantragt, er bleibt jedoch bei seiner grundsätzlichen Anti-Haltung, die keinem Autor etwas bringt, aber vielen schadet.

Auf der Website seines Verbandes heißt es: 

„Endlich ist die VG Wort bereit, das BGH-Urteil weitgehend umzusetzen“, sagte der Vorsitzende des Verbands, Benno Stieber. … Bei diesem Verfahren stand der Verteilungsvertrag der VG Bild/Kunst Pate. Das sei ein Erfolg der Kritiker…“

Die VG Wort ist schon seit dem Urteil bereit, dieses umzusetzen – nicht aus Begeisterung, das ist klar. Der Vorstand hat jedoch nie einen Zweifel daran gelassen, dass er sich daran gebunden fühlt. Die Entscheidung bei der VG Bild-Kunst fiel eine Woche nach der Versammlung in München; mit dem von den Freischreibern verhinderten Antrag hätte die VG Wort ebenfalls die Vorgaben des BGH erfüllt.

„Die Verbesserungen im Verteilungsplan hatte der Vorstand der VG Wort in die neue Beschlussvorlage eingearbeitet, nachdem der ursprüngliche Entwurf bei der Mitgliederversammlung durchgefallen war.“

„Durchgefallen“ ist Polemik. Abseits des Tisches, an dem die meisten Freischreiber saßen, gab es nur vereinzelte Gegenstimmen. Fünf von sechs Berufsgruppen stimmten mit Zweidrittelmehrheit für den Antrag. Nur bei uns in der BG2 wurde diese Mehrheit nicht ganz erreicht.

„„Der Blockade-Vorwurf, den uns VG Wort Mitglieder und die Presse gemacht haben, war also bloße Propaganda“, erklärt Stieber.“

Nochmal: Ohne das Veto der Freischreiber hätten wir bereits einen Verteilungsplan, und die Rückzahlungsaufforderung hätte mit einem Votum der Mitgliederversammlung auf einem breiteren Fundament gestanden. Dass der Verwaltungsrat die Entscheidung auf seine Kappe nehmen musste, war eine Notlösung. Nun gut, auch der Vorwurf von Propaganda ist halt manchmal pure Propaganda.

„Weiterhin wendet sich Freischreiber gegen das vorgesehene anonymisierte Abtretungsverfahren, bei dem Urheber auf die ihnen rechtmäßig zustehenden Tantiemen zu Gunsten der Verlage verzichten können.“

Und weiterhin ist mir nicht klar, warum, wenn es nicht ums Neinsagen um des Neinsagens Willen geht. 

„Welche Gefahren ein solches Verfahren birgt, zeigen Veröffentlichungen des Börsenvereins, wie auch der Verbände der Presseverleger, die ihren Mitgliedern bereits Strategien empfehlen, wie sie Autorinnen und Autoren zur Abtretung drängen können.“

Das stimmt so schlichtweg nicht. Alle Verleger können die Urheber dann zu Abtretungen drängen, wenn nicht die VG Wort dazwischengeschaltet wird. Wer Details im Kontext lesen möchte, schaue am besten nach, was VDZ-Justiziar Dirk Platte (print&more vom Oktober) und BöV-Justiziar Christian Sprang wirklich geschrieben haben. Noch besser: Benno Stieber erklärt mal anhand von im Zusammenhang stehenden längeren Zitaten, wie er das meint.

„Diese Empfehlungen zeigen, wie verlogen die angebliche Koexistenz von Verwertern und Urhebern schon lange ist“, sagte Stieber. Es wird Zeit, eine respektvolle Geschäftsbeziehung auf Augenhöhe zwischen Autoren und Verwertern herzustellen, so Stieber.

Benno Stieber setzt falsche Prämissen, indem er alle „Verwerter“ und alle „Urheber“ in ebendiese beiden Schubladen einsortiert und ein Pauschalurteil fällt. Innerhalb der Gremien der VG Wort (in denen weder der VDZ noch der BDZV mitzureden haben) hat die Begegnung auf Augenhöhe lange Tradition. Respekt muss niemand herstellen, er ist bereits vorhanden. Dass bestimmte Vertreter der beiden genannten Print-Verlegerverbände und sicherlich mancher Buchverleger Autoren unfair und von oben herab behandeln, ist unbestreitbar, hat hier aber nichts mit der Sache zu tun. Es sei denn, man pflegte eine Schwarzweißmalerei à la „die da oben – wir hier unten“, wie wir Journalisten sie im politischen Diskurs so gerne geißeln.

„Darüber hinaus haben Mitglieder des Verbands der Freien Journalistinnen und Journalisten einen Änderungsantrag eingebracht, der Verjährungszinsen für säumige Verlage im Rückzahlungsplan vorsieht. „Es kann nicht sein, dass die Verlage durch die Stundung ein zinsloses Darlehen auf Kosten der Urheber erhalten“, erklärt Stieber.“

Darüber können wir ja am Samstag gerne reden. Inwieweit die Befürchtungen eine reale Grundlage haben, wird die Diskussion wohl zeigen.

„Freischreiber wird weiter dafür streiten, dass das Urteil des Bundesgerichtshofs zu Gunsten der Urheber von der VG Wort in vollem Umfang umgesetzt wird.“

Ich weiß nicht, mit wem Ihr da streiten wollt. Dass das Urteil umgesetzt wird, ist überhaupt nicht strittig. Es geht doch nur um das „Wie„.

„Zu den weiteren Perspektiven erklärt der Verband: „Etwaige Gesetzesvorhaben in Berlin oder Brüssel müssen berücksichtigen, dass die Verleger nur Geld aus der VG Wort erhalten können, wenn sie zuvor auch Rechte eingebracht haben. Eine Beteiligung auf Kosten der Urheber lehnt Freischreiber ab.““

Wir werden sehen, was Wunsch und was Wirklichkeit sein wird. Es wäre ja schön, wenn der Gesetzgeber uns die jetzigen 100 Prozent gäbe und den Verlegern das Leistungsschutzrecht on top (und zwar in die VG Wort eingebracht, damit alle gemeinsam am Verhandlungstisch bleiben). Nur werden wohl die Zahlungspflichtigen etwas dagegen haben, vor allem die Gerätehersteller mit ihrer mächtigen Brüsseler Lobby. Die 100 + 30-Prozent-Idee ist eigentlich nur denkbar, wenn der Gesetzgeber eine Mindestvergütung festlegt (was er nie wollte) – und das in entsprechender Höhe, so dass nicht am Ende die neuen 130 weniger sind als die alten 100.

„Zur Kritik, die Rückzahlungen an die Urheber brächten kleine Verlage mit anspruchsvollem Programm an den Rand der Insolvenz erklärt Stieber: „Es kann nicht sein, dass kleine Verlage auf dem Rücken oft schlecht bezahlter Urheber gerettet werden sollen. Da muss sich die Politik etwas anderes einfallen lassen.“ Denkbar wäre etwa ein Fördersystem wie in der Filmwirtschaft.“

Neu daran ist der letzte Satz, den ich nicht kommentieren mag, weil es hier um die VG Wort geht und nicht um Kultursubventionen. Entscheidend ist, dass die Pleite kleiner Verlage auf jeden Fall eine Sache wäre, die auf dem Rücken der Urheber ausgetragen würde. Natürlich kann man die Rettung verwehren, aber Jammern ist danach nicht erlaubt.

„Warum engagiert sich Freischreiber bei der VG Wort? Der Verband freier Journalistinnen und Journalisten, von denen viele auch Sachbücher schreiben, geht davon aus, dass Verlage für Urheber in der digitalen Welt tendenziell weniger wichtig werden, der Anteil von Tantiemen für Nutzungsrechte als Einkommensquelle für freischaffende Journalisten dagegen tendenziell wichtiger wird. „Dafür brauchen wir eine moderne VG Wort, die sich dieser Aufgabe stellt”, erklärt Stieber.“

Die VG Wort weiter zu modernisieren, ist grundsätzlich ein begrüßenswertes Anliegen. Da gibt es durchaus noch zu tun. Leider haben die Freischreiber es 2015 verpasst, sich bei den Gremienwahlen einzubringen und fortan intern zu engagieren statt nur bei Mitgliederversammlungen. Wir wären dann gemeinsam weiter. Gremienarbeit in der VG Wort war schon immer Learning by doing.

Was die Verlage angeht: Noch spielen diese eine wichtige Rolle, und deshalb können wir die Rechnung nicht ohne sie machen. Ich fürchte übrigens, dass künftige – ein Brrr-Wort – content aggregators für uns keine angenehmeren Gesprächs- und Verhandlungspartner sein werden als unsere old-fashioned publishers.

Sie sind der oder die 4022. Leser/in dieses Beitrags.

2 Antworten auf „VG Wort: Freischreiber auf Springprozession“

  1. Betr.: METIS Ausschüttungen an Presseverlage

    Bei der Durchsicht des aktuellen VG Wort Geschäftsberichtes (Link s.u.) ist mir einiges aufgefallen. Als Verwaltungsrat, Herr Froitzheim, können Sie das vielleicht erläutern.

    In dem Geschäftsbericht ’springt einem ins Auge‘, dass etwas fehlt: nämlich die Höhe des VG Wort – Ausschüttungsbetrages an Presseverlage via METIS.

    Weiterhin fällt auf, dass die Summe der VG Wort – Einnahmen in 2014 für 2015 von 144 Millionen (Ziff I.) die ausgewiesene Summe der Ausschüttungen von 80.589.351,- (Ziff III.)
    um 63 Millionen übersteigt. Wo sind diese 63 Mio geblieben?

    Selbst die Summe der einzelne Ausgabenpositionen (Ziff III. 1 bis 11.) ergibt nur 68.962.326,-. In der Differenz zur ausgewiesenen Gesamtsumme (Ziff III.) fehlen
    hier 11,6 Millionen.

    Wer vom Verwaltungsrat hat diese Veröffentlichung nachgerechnet? Könnte es sich bei diesen Auffälligkeiten um die fehlenden Ausschüttungsbeträge an die Presseverlage via METIS handeln?

    Es wäre super, wenn Sie das klar stellen könnten.

    MfG Andrea Wagner

    Anlage Link zum VG Wort Geschäftsberichtes von 2015
    http://www.vgwort.de/fileadmin/pdf/geschaeftsberichte/Gesch%C3%A4ftsbericht_2015.pdf

    1. Hallo Frau Wagner,
      ich bin freier Journalist und stecke schon viel zu viel Zeit in mein Ehrenamt. Ich sitze an einem Artikel, der Redaktionsschluss naht.
      Definitiv bin ich nicht Ihr primärer Ansprechpartner für Fragen, die auf die Mitgliederversammlung bzw. die Versammlung der Wahrnehmungsberechtigten gehören. Da beantworten die Geschäftsführer alle Fragen zu den Zahlen.
      Falls Sie Mitglied sind, kommen Sie am besten am Samstag auf die MV nach München. Wenn nicht, senden Sie bitte eine Mail an vgw@vgwort.de.
      Danke für Ihr Verständnis.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert