Zu dumm zum Abschreiben

Schlechtes Gewissen: Ich habe meine Blog-Rubrik „Ja, liest denn keiner mehr gegen?“ lange vernachlässigt. Kürzlich gab es wieder mal einen Fall, der dermaßen peinlich für ein großes deutsches Medium ist, dass ich nicht anders kann, als die Rubrik wieder aufleben zu lassen. Da kupfert der „stern“ – der in der Zeit, als Dominik Wichmann Chefredakteur war, wieder so lesenswert geworden war, dass ich ihn abonnierte – einen Beitrag mehr schlecht als recht beim Guardian ab, verschlimmbessert ihn aber durch selbst Hinzugefügtes. An dieser Stelle schon mal ein Spoiler: Es geht wieder mal um das Ammenmärchen vom Kühlschrank, der Milch bestellt.

Als ich gestern nach Ablieferung der fünften Folge meiner brandeins-Serie über Chancen und Herausforderungen des klimagerechten Umbaus der Wirtschaft – diesmal geht es um Wegwerfgesellschaft und Kreislaufwirtschaft – den Computer aufräumte, sprang mich eine „stern“-Fundsache aus dem Juni an. „Zu dumm zum Abschreiben“ weiterlesen

„Kommt der Kühlschrank, der selbst bestellt?“

Nicht zu fassen: Die obige rhetorische Frage stellt das Zürcher Gottlieb-Duttweiler-Institut in seiner an die Presse gerichteten Einladung zur 63. Internationalen Handelstagung.

„Obst, Gemüse und Milchprodukte eignen sich … nicht gut für den Verkauf übers Internet,“ ist in dem Text zwar sehr richtig zu lesen, doch dann geht es so weiter: „Aber bleibt es dabei, wenn die Bestellung immer bequemer, die Lieferung immer flexibler und das Angebot immer grösser wird? Wenn Kühlschränke online sind und Bestellungen abschicken? Ist es nur eine Frage der Zeit und der Gewöhnung, bis wir im Internet unser Essen einkaufen?“

Hier die definitive und ultimative Antwort:

NEIN!

Ich erkläre seit 14 Jahren immer wieder, warum auch der intelligenteste Sensor-Kühlschrank nicht ahnen kann, was ich wann essen und trinken will, ja warum er nicht einmal seinen Inhalt kennen kann. Aber das ist gar nicht der große Knackpunkt. Man könnte ja auch Lieferdienste aufbauen, bei denen der Mensch selbst bestellt. Auch sie sind aber reihenweise gescheitert. Die Sache ist zu personalaufwendig, und die Logistik funktioniert nicht. Essen auf Rädern setzt voraus, dass die Empfänger zu Hause sind, wenn der Fahrer kommt. Oder jedes Haus bräuchte eine von beiden Seiten zu öffnende Kühl-Gefrierkombination, die in die Hauswand eingelassen ist. Sonst reißt die Kühlkette ab. Diskussion beendet? Ich fürchte nein. Das Thema ist eine Katze mit neun Leben. Die kriegste nicht tot.

Dämpft Google alte Hüte?

Wenn eine Nachricht wichtig ist, findet sie zu mir? So heißt es doch manchmal bei den Technikgläubigen des Post-Newspaper-Zeitalters. Zu mir fand jetzt die Sensationsnachricht, dass Google an einer Reihe abgedrehter Forschungsprojekte arbeite. Sie stammt aus der New York Times, wo sie Golem.de fand, wo sich wiederum das Handelsblatt bediente.
Dann kam via Jeff Jarvis dieses nette Filmchen rein, das der 14 Jahre alten Story vom (gähn!) Kühlschrank, der ungefragt Lebensmittel bestellt (bei welchem Händler eigentlich?), angemessen ist:

Science-fiction-Zombie in der SZ: Der Kühlschrank-Füll-Dich

Aus der Süddeutschen Zeitung

Nein, den Kühlschrank-Füll-Dich gab es nicht, gibt es nicht und wird es nicht geben, aus den verschiedensten technischen und psychologischen Gründen. Er ist und bleibt eine Urban Legend, die zurückgeht auf zwei Kühlschränke mit Touchscreen-Monitor in der Tür. Niemand wollte die Dinger haben. Ob der Kühlschrank selbst die Milch bei einem Online-Shop bestellt oder nur seinem Herrchen eine Mail aufs iPhone schickt, ist Nebensache.

Ich habe den Kollegen, dem diese literarische Ausschmückung eines Technik-Themas eingefallen ist, gebeten, solche von Experten als „Running Gag“ klassifizierten Storys künftig für sich zu behalten. So etwas lässt uns Journalisten als Dampfplauderer erscheinen, die einfach irgendwas hinschreiben.

Und ich bitte hiermit die Redaktion der SZ darum, Beiträge von freien Kollegen, in denen derart kühne Behauptungen stehen, nachzurecherchieren, statt aus dem größten Unsinn auch noch Zwischentitel zu bauen.

Wenn der Kühlschrank schreit

Es gibt nur einen Kühlschrank, der denkt und fühlt und redet – Bosch, das 50er-Jahre-Gerät von Axel Hacke. Darum muss Kollege Boris H. wohl etwas durcheinandergebracht haben, als er fürs SZ-Panorama schrieb:

„Es gibt Kühlschränke, die nach Wurst und Käse rufen, wenn ihr Besitzer Hunger hat.“

Aber es ist doch erstaunlich, wie hartnäckig sich manche urbane Legende hält. Hier ein Flashback in die Zeit, als der selbst einkaufende Kühlschrank, der es aus verschiedensten Gründen nie zur Serienfertigung gebracht hat, Modethema war. Zum Nachlesen für Leute, die alles glauben, was mal in der Zeitung stand.