Kleidung mit Köpfchen

Sensoren im Futter, Computer im Ärmel, Ohrstöpsel am Kragen – die Textilindustrie arbeitet an der Verschmelzung von Stoff und Elektronik. Doch damit den Markt zu erobern ist mühsam.

Warum bloß ist das Prädikat „Hidden Champion“ in Deutschland immer wörtlich zu nehmen? Auch die Garnschmiede Novonic am Hightech-Standort Weiler-Simmerberg ist ohne Navi kaum zu finden: Besser als an diesem beschaulichen Flecken in Bayerns Südwesten – dem Schweizer Kanton Appenzell-Ausserrhoden nicht nur geografisch näher als der Fashion-Metropole München – kann sich im Freistaat kein Betrieb verstecken.

Dabei hat das Unternehmen, zu dem Novonic gehört – die Garnfabrik W. Zimmermann –, keinen Grund, mit seinen technischen Errungenschaften hinter dem Berg zu halten, im Gegenteil. Die Firma ist vor Jahren den Schritt gegangen, den viele ihrer traditionellen Abnehmer aus der Bekleidungsindustrie noch scheuen: hin zu innovativen Funktionstextilien, die der unter Preisdruck ächzenden Branche Wachstumsimpulse und eine höhere Wertschöpfung versprechen. „Kleidung mit Köpfchen“ weiterlesen

Spin-Off: Edel und hilfreich

Das Starnberger Unternehmen Interactive Wear integriert Elektronik in luxuriöse Kleidung – und wenn alles glattgeht, bald auch in ganz normale Arbeitsanzüge.

Der Backofen ist gefüllt und auch schon heiß, doch von Essensduft keine Spur. Auch der Blick durch das beschlagene Sichtfenster lässt einen rätseln: Seit wann dünstet man Tagliatelle im Ofen? Erst von Nahem betrachtet entpuppen sich die geruchsneutralen Bandnudeln als Textilbänder mit eingewebten Leiterbahnen – Komponenten für das, was in der Modebranche „intelligente Kleidung“ heißt und bei Techies „Wearables“.

Im Konzert mit zwei Waschmaschinen und einem Wäschetrockner macht der zweckentfremdete Herd die Küche der Starnberger Interactive Wear GmbH zum veritablen Forschungslabor. Markus Strecker, im zweiköpfigen Vorstand für Technik zuständig, „Spin-Off: Edel und hilfreich“ weiterlesen

Missionar in eigener Sache

Wer Michael Greve nicht mehr viel zutraut, dem sei verziehen: Schon zweimal hat der Web-Unternehmer hochfliegende Erwartungen geschürt und dann auf der ganzen Linie enttäuscht. Doch er lässt sich nicht beirren – und verfügt über genügend Geld, um noch lange durchzuhalten

Wenn sich Michael Greve Zeit für ein persönliches Treffen nimmt, führt er den Besucher erst einmal hinab in die Katakomben. Hinter den Sicherheitsschleusen im Untergeschoss des loftig-schnieken Anwesens Amalienbadstraße 41 in Karlsruhe-Durlach, in dem einst die schnöde Firma Pfaff schnöde Nähmaschinen montierte, gilt es, ein Rechenzentrum von Weltformat zu bewundern. Fünf Petabyte, also fünf Millionen Gigabyte, können die Server speichern, die sich in hermetisch abgeschirmten, aufwendig brandgeschützten Räumen bis unter die Decke türmen. Bündelweise führen Glasfaserkabel aus dem LED-blinkenden Multi-User-Verlies hinaus ins weltweite Netz, 20 Gigabits pro Sekunde passen durch die Super-Pipeline. Kein Zweifel: Greves Untergrundreich, ein von allerlei merkwürdigen Gestalten namens „Combots“ bevölkertes Paralleluniversum, ist bestens gewappnet für einen Ansturm ungeheurer Horden von Usern. Müsste etwa die gesamte Einwohnerschaft von Second Life samt ihrer Simmobilien auf Völkerwanderung gehen, fände sie hier locker 50-fach Unterschlupf.

Doch so stolz Greve seine Luxus-Serverfarm präsentiert, so ungern spricht er über ihre fast demütigend niedrige Auslastung: Erst 30.000 Nutzer machen nach aktuellsten Zahlen Gebrauch von der imposanten Infrastruktur, „Missionar in eigener Sache“ weiterlesen

Alle Augen auf GERD

Die Bundesregierung möchte deutlich mehr Geld für die Forschungsförderung ausgeben. Wichtiger wäre aber eine Reform der Vergabepraxis: Das aktuelle System ist kaum zu durchschauen und begünstigt die Großunternehmen

Hagen Vogel hat dem Gros der deutschen Mittelständler etwas voraus: Sein Unternehmen bekommt Geld aus einem Fördertopf des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Warum auch nicht, schließlich leistet er laut der offiziellen Statistik einen Beitrag zur „Forschung und Entwicklung zur Daseinsvorsorge“. Konkret besteht Vogels Aufgabe darin, die Teilnehmer von bildungspolitischen Sitzungen mit belegten Brötchen zu versorgen. Dafür sind für den Inhaber der „Berliner Backstuben“ im Rahmen des „Pakts für Hochschulen“ Fördermittel von 575 Euro über zwei Jahre vorgesehen.

Vogel hat nach eigenem Bekunden keine Ahnung, wie er in den Augen des Ministeriums vom Schrippenlieferanten zum Zukunftssicherer werden konnte. Damit ist er einerseits völlig untypisch – normalerweise müssen sich Förderwillige höchst bewusst durch Formulare arbeiten, bevor sie auf Geld vom Staat hoffen können. Andererseits ist Vogels Beispiel zwar extrem, aber durchaus reprasentativ für die deutsche Förderlandschaft: Wer sich näher mit ihr beschäftigt, stößt auf zweifelhafte Projekte und Mogelpackungen. „Alle Augen auf GERD“ weiterlesen

Anschluss verpasst

KEIN STRESS, KEINE STAUS: ZUGFAHREN KÖNNTE SO SCHÖN SEIN. STATTDESSEN VERÄRGERT DIE BAHN IHRE PASSAGIERE OFT MIT VERSPÄTUNGEN UND VERPASSTEN ANSCHLÜSSEN. DIE URSACHEN DAFÜR SIND VIELFÄLTIG – ABER ZUMINDEST FÜR EINEN TEIL DAVON ZEICHNET SICH EINE LÖSUNG AB

 

 

Der Zug ist so zuverlässig, dass man die Uhr nach ihm stellen kann. Pünktlich zur vollen oder halben Stunde rast der mehr als 300 Stundenkilometer schnelle Flitzer los; exakt zweieinhalb Stunden und knapp 500 Kilometer später ist er am Ziel. Kommt er auch nur fünf Minuten zu spät an, so etwa alle 500 Fahrten einmal, erstattet die Eisenbahngesellschaft den Fahrpreis.

Wem diese Geschichte spanisch vorkommt, der liegt richtig. Mit der Neubaustrecke Madrid-Sevilla, eingeweiht zur Expo 1992, hält die staatliche Bahngesellschaft Renfe den Weltrekord in Pünktlichkeit: Nur 0,23 Prozent der 161.000 Fahrten, die der AVE (Alta Velocidad Espanola) in den  vergangenen zehn Jahren absolviert hat, waren nach Eisenbahner-Kriterien verspätet, also maximal fünf Minuten später im Zielbahnhof als vorgesehen.

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