Aktualisiert: Ich hab‘ doch nur zitiert, sprach der Blogger

Original-Post (1.11.): Habe vorhin mal wieder bei Bluelectric vorbeigeschaut und habe gemerkt, dass man nicht mal einen Tag offblog sein kann, ohne eine Diskussion zu verpassen, bei der man sich ans Hirn zu langen fast gezwungen ist.

Es geht um eine freie Journalistin, die von Manhattan aus Reiseberichte und Bücher schreibt sowie tazblogt und sich auf etwas brachiale Art gegen Urheberrechtsverletzer wehrt.

Es ist ziemlich anstrengend, sich durch die endlosen Kommentarspalten bei Niggemeier, Spreeblickjohnny, Carta, Freischreiber & Co. zu kämpfen. Aber wer eine Master Thesis im Fach Kommunikationswissenschaft über die kommunikativen Gräben zwischen erwerbsmäßigen Journalisten und Hobbybloggern schreiben will, findet sicherlich reiche Ausbeute.

Und hier ein bisschen Senf von mir.

Nachtrag (3.11.): Den Senf hätte ich mir sparen können. Niggemeier-Leser schreiben lieber als zu lesen. Argumente? Ach, egal. Wir haben doch schon eine Meinung. Und es gibt doch noch so schöne Off-topic-Aufreger: Die Autorin aus New York/Berlin hatte tatsächlich die Chuzpe, ihr eigenes Buch per Kundenrezension bei Amazon zu bewerben und sich fünf Sternchen zu geben nehmen. Das ist so dreist, dass es fast schon wieder genial ist. Und Hand aufs Herz: Würde irgendein Autor sein eigenes Buch mit nur einem Stern bewerten? 😉 Jedenfalls hat dieser Fauxpas ein "Möbchen" (Detlef Gürtler) auf den Plan gerufen, das jetzt die positiven Fremdrezensionen des Buchs in den Orkus zwonullt – man darf annehmen: ohne das Buch gelesen zu haben. Ein Mensch hat sich sogar die Mühe gemacht, einen kleinen Verriss zu schreiben – mit ganz offener Anspielung auf die skandalöse "Schleppnetzfahndung" der Autorin nach harmlosen Plagiatoren.

World Wide Kindergarten oder was?

Nachtrag (6.11.): Johannes Boie von der Süddeutschen hat von Eva Personanongrata Schweitzer erfahren, wie die Schleppnetzfahndung zustandekam. Ein Lehrstück darüber, dass man als Journalist um Abmahnjuristen besser auch dann einen Bogen macht, wenn sie vorgeben einem helfen zu wollen. Dennoch bleibt festzuhalten: Viele, die Eva Schweitzer vorwärts, seitwärts und rückwärts durch den Sauermilchkakao schleifen und dann noch in Kaba pudern, zeichnen sich aus durch ein Rechtsverständnis, das mindestens ebenso befremdlich ist wie das ihrige.

Noch ’ne Metapher? Voilà: Stefan Niggemeier hätte eine Menge Arbeit, wollte er die Scherben aller Glashäuser wegfegen, die seit dem 30. Oktober in seiner Kommentarspalte zu Bruch gegangen sind.

Das „Internet-Manifest“…

…von Carta-Leuten, dem Elektrischen Reporter, dem ehrenhaft Indiskreten und anderen von Niggemeier bis Lobo wird netzauf, netzab sehr kontrovers debattiert, zum Beispiel hier. ist wert, debattiert zu werden. Leider ist im Moment die Diskussion "forbidden". (Es klappt wieder!)

Deshalb habe ich Ich hatte mir erlaubt, gemäß Behauptung 8 ("Referenzen durch Verlinkungen und Zitate – auch und gerade ohne Absprache oder gar Entlohnung des Urhebers – ermöglichen überhaupt erst die Kultur des vernetzten Gesellschaftsdiskurses und sind unbedingt schützenswert.") die Behauptungen hierher zu kopieren und zu kommentieren. Nach drei Tagen Sturm in der Journosphäre muss ich sagen: Ich war doch recht diplomatisch… „Das „Internet-Manifest“…“ weiterlesen

Bravo, BDZV: Gratiskultur abschaffen!

Erst Springer, VDZ und New York Times, jetzt Dietmar Wolff, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger: Die Medienmanager und -unternehmer haben nach 15 Jahren eingesehen, dass das damals mit dem Verschenken geistigen Eigentums via Internet nicht wirklich die allertollste Geschäftsidee war. Die tagesaktuelle Erkenntnis:

„Die Onlinewerbung allein wird nicht ausreichen, publizistische Qualität im Internet zu finanzieren.“

Das war zwar eigentlich schon von Anfang an klar. Aber auf Journalisten hört ja ein Verlagskaufmann nicht so gern, die verstehen ja als tumbe Idealisten und brotlose Künstler nix vom Geldverdienen (sonst wären sie ja Kaufleute geworden).

Jetzt aber wird das, was Journalisten intuitiv wussten, zu Allgemeinwissen. Rekapitulieren wir mal die Fakten, die die Herren Chefs hätten kennen können, sollen, müssen:

Interessante journalistische Berichte waren vor dem Online-Boom das einzige Vehikel, das im Huckepackverfahren Werbeanzeigen zu den Rezipienten transportieren konnte. Das Ganze funktionierte prima, weil  lokale Oligo- und Monopole den Markt beherrschten. Mehr als zwei Zeitungsverlage in einem Verbreitungsgebiet gab es fast nirgends im Lande. Die Markteintrittsbarrieren, die einen Verleger an der Expansion in Nachbarregionen hinderten – eine Lokalredaktion und einen dito Vertrieb aufzubauen, ist personalintensiv, also teuer – schützten ihn gleichzeitig vor Angreifern, die ein ansonsten weitgehend identisches Produkt anzubieten hatten: den dpa-strotzenden Mantelteil.

Und wem gehört die dpa, deren redaktioneller Output heute eine ganz zentrale Rolle bei der Misere spielt? Den Verlegern. Die Agentur arbeitet nach dem Prinzip der Genossenschaft. War es also schlau, der dpa zu erlauben, die von ihrer Belegschaft zusammengetragenen Nachrichten auch Dritten zu verkaufen, die sie überregional kostenlos zugänglich machen? War es klug, den in der Printwelt naturgemäß vorhandenen Schutzzaun des Lokalen umzureißen und sich in einen Wettbewerb mit allen anderen Verbandskollegen zu stürzen, mit denen man sich doch jahrzehntelang via Gebietsschutz so schön die Pfründen geteilt hatte? Kaufmännisch gesehen war es kurzsichtig.

Doch die Gratiszeitung kam – nicht auf Papier, nur online. Plötzlich war der Wettbewerb da, den Politiker, Zeitungswissenschaftler und Journalistengewerkschaften immer angemahnt hatten, weil es galt, die „Pressekonzentration“ zu stoppen und eine Springerisierung der Tagespresse zu verhindern. Da hatten sich aber schon längt die Lokalmonopole breitgemacht, die stets beschworene publizistische Meinungsvielfalt endete meist an der Landkreisgrenze. Plötzlich wurde offenbar, dass die Nachrichtenmedien im Web keinen USP hatten, weder für Leser noch für Inserenten. Eigentlich eine alte Geschichte, die man von Kartoffeln, Schweinebäuchen und Speicherchips kennt: Wird ein Gut masshaft in vergleichbarer Qualität verfügbar, sprechen die Ökonomen von einer „Commodity“. Nur dass man News als Commodity jetzt „Content“ nannte. Zu deutsch: Füllmenge.

Hat hier jemand „geistiges Eigentum“ gerufen, „Intellectual Property“?

Jawohl, die Sprecher des Verlegerlagers. Okay, sie nennen es anders, sie beklagen die von ihnen selbst erst ermöglichte „Gratiskultur“ und den in ihr üblichen „Content-Klau“, den sie mittels eines „umfassenden“ Leistungsschutzrechts nicht verhindern können, aber wenigstens eindämmen wollen.

Es ist die alte „Haltet-den-Dieb“-Masche: Den Löwenanteil dessen, was die fraglichen Online-Seiten füllt, haben sich die nach Leistungsschutz Rufenden billig unter den Nagel gerissen – nämlich Agenturmaterial, PR-Texte oder Werke von freien Mitarbeitern, die per Knebelvertrag alle Verwertungsrechte abtreten mussten. Dieselben Juristen und Verlegerfunktionäre, die immer noch die im Urheberrechtsgesetz von 2002 (!) vorgeschriebenen Einigungen mit den Autoren über „angemessene“ Vergütung verschleppen, jammern lautstark darüber, dass sie an der  bloßen Weiterverbreitung nicht angemessen verdienen. Das nennt man Chuzpe.

Laut Kress lobte Verleger-Repräsentant Wolff anlässlich der Verkündung seines Klagelieds die deutschen Verleger – sie machten „die besten Zeitungen der Welt“. Es wäre vielleicht mal an der Zeit, daran zu erinnern, dass es immer noch Journalisten sind, die die Zeitungen machen. Der Job der Verleger ist es, sich (im beiderseitigen Interesse und auch dem der Gesellschaft) zur Abwechslung endlich mal Geschäftsmodelle auszudenken, die im Online-Zeitalter wirklich funktionieren – und etwas nachhaltiger sind als das, was heute branchenüblich ist

Der Ruf nach einem „umfassenden“ Leistungsschutzrecht offenbart jedenfalls nur eines: tiefe Ratlosigkeit.

Die Enteigner der Enteigneten…

…werden enteignet, bloggt die Redaktion der DJV-Freienseiten. Sehr treffender Kommentar zur Bigotterie der Rechteverwerter.

Neuartige Yellowpress-Anzeigegeräte

Eine witzige Idee zum Thema Paid Content entwickelt Perlentaucher-Leser(in)  klinkhart in einem Kommentar zu Anja Seeligers Meinungsstück „Die vierte Gewalt ist jetzt im Netz“ :

„Vielleicht erklären wir ja demnächst Computer zu „neumodischen Yellowpress Anzeigegeräten“ die wir einer Presse-GEZ zu melden haben. Mein Vorschlag: Jeder Seitenbetreiber stellt Herrn Burda und den öffentlich rechtlichen für jeden eigenen Beitrag eine Rechnung, da sie ja theorethisch in der Lage sind den Artikel zu lesen. Bitte Mahnung und Mahnbescheid nicht vergessen.“