Da kriegt man doch nen (Doktor) Vogel

(Text vom 3. Mai, leicht aktualisiert am 19. Mai)

Zu der Zeit, als die Entscheidung fiel, sollte ich mich auf ärztliches Anraten eigentlich schonen und Stress vermeiden. Als Verwaltungsratsmitglied der VG Wort konnte ich aber leider auch im Krankenstand nicht vermeiden, mitzubekommen, was der BGH in unserem Rechtsstreit mit Martin Vogel entschieden hat, und vor allem, wie jetzt viele Kollegen im Netz auf uns Autorenvertreter verbal eindreschen. Von Leuten, die sich nie auch nur auf einer Versammlung der Wahrnehmungsberechtigten (da darf jeder Autor hin, der sich angemeldet hat) haben blicken lassen, als „Verräter“ gemobbt zu werden, ist Stress der ganz fiesen Art und meiner Genesung gewiss nicht zuträglich. Aber ich will nicht jammern.

Damit die Beschimpfungen künftig vielleicht ein wenig fairer ausfallen, möchte ich heute deshalb einen um Sachlichkeit bemühten Blogbeitrag von Jan Drees mit dem Titel „Warum verbünden sich Schriftsteller mit Verlagen?“ zum Anlass nehmen, ein paar Hintergründe zu erklären und Missverständnisse gerade zu rücken. „Da kriegt man doch nen (Doktor) Vogel“ weiterlesen

Wider den Nutzerrechtsextremismus

Die Süddeutsche Zeitung stellt ihren Gastautor Leonard Dobusch (35) als Juniorprofessor für Organisationstheorie an der FU Berlin vor, der zur Urheberrechtsregulierung „forscht“ und bei netzpolitik.org bloggt. Nun ist das Urheberrecht wirklich nicht das natürliche Biotop von Organisationstheoretikern. Vielleicht erklärt das, warum Dobusch immer wieder durch Texte auffällt, die mehr mit dem Wunschdenken von erklärten Feinden des Urheberrechts zu tun haben als mit der Realität. Kürzlich polemisierte der Herr Professor anlässlich der Aufregung um das Thema Panoramafreiheit also nun „wider den Urheberrechts-Extremismus„*, den er zu erkennen glaubt, und dabei hobelte er mal wieder an den Fakten herum – frei nach dem Grundsatz „was nicht passt, wird passend gemacht“.
* Wie perfide die Wortschöpfung ist, erkennen Sie übrigens, wenn Sie den Urheber mal weglassen. „Wider den Nutzerrechtsextremismus“ weiterlesen

Vergesst das BGE – endlich!

Diesen Text schreibe ich zum Verlinken – wenn mal wieder auf Twitter fürs Bedingungslose Grundeinkommen (BGE) getrommelt wird.

1. Die große Lebenslüge der GE-Freunde ist das B am Anfang. Ein Grundeinkommen kann niemals bedigungslos ausgezahlt werden. Sobald es an eine Staatsbürgerschaft, Herkunft oder auch nur den Aufenthalt in einem Land gekoppelt wird, ist es nicht mehr bedingungslos. Ein BGE muss unbürokratisch an mehr als sieben Milliarden Menschen ausgeschüttet werden, sonst ist der Name unwahr und verlogen. Die utopische Voraussetzung wäre demnach, dass alle Staaten der Erde mitmachen und ungeachtet aller Unterschiede in Kaufkraft und volkswirtschaftlicher Leistungsfähigkeit allen die gleiche Summe bezahlen.

2. Über ein bedingtes Grundeinkommen (praktischerweise hätte es die gleiche Abkürzung) kann man reden. Dann muss man aber auch darüber reden, wie man einen gesellschaftlichen Konsens darüber herstellen will. Ein solches BGE wäre damit verbunden, dass so gut wie alle anderen Sozial- und Transferleistungen ersetzt oder in einem Instrument konsolidiert, de facto also abgeschafft würden.

3. Ein Grundeinkommen wäre schon dann nicht mehr bedingungslos, wenn es für Kinder nicht gleich hoch wäre wie für Jugendliche, für Singles nicht gleich hoch wie für Paare oder Familien. Es einheitliches GE wäre ein sozialpolitisches Steuerungsinstrument, das einen Anreiz böte, viele Kinder zu bekommen. Das gilt zwar angesichts der Überalterung der Bevölkerung als wünschenswert, aber eben nur solange die Sozialkassen damit Einzahler gewinnen und keine zusätzlichen Leistungsbezieher.

4. Die Erfahrung aus den letzten Jahren lehrt, dass ein GE vor allem von denen gefordert wird, die für sich möglichst viel für lau herausschlagen wollen: Künstler und Kreative wie Komponisten, Fotografen, Journalisten, Filmschaffende und Schriftsteller sollen gefälligst von der Grundsicherung leben, sich also mit dem Existenzminimum begnügen, damit die Mehrheit der Bevölkerung ihre Werke kostenlos genießen und mit der Welt teilen kann. Dahinter steckt eine Hybris, eine sehr unsympathische Arroganz von Leuten, die sich für die Oberklasse einer Zweiklassengesellschaft halten. Sie selbst wollen natürlich weiter arbeiten, um zusätzlich zum Grundeinkommen ein Gehalt zu beziehen (das natürlich etwas niedriger ausfiele als heute), während sie den Künstlern das Zusatzeinkommen nicht zugestehen, es sei denn, diese ackerten wie blöde in ihrer Freizeit dafür. Künstler müssten auf jeden Fall mehr arbeiten für – unter dem Strich – weniger Geld.

5. Da sich die Bessergestellten, die zusätzlich zum GE einen gut bezahlten Job hätten, keine Gedanken mehr um die vermeintlich gut abgesicherten Nicht-Erwerbstätigen machen müssten, würde die Gesellschaft nicht etwa solidarischer. In Wirklichkeit würde sie weiter gespalten. Die Ghettoisierung würde sich fortsetzen oder steigern: Hier die billigen Quartiere für GE-Bezieher, die ja keine Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr mehr bräuchten, weil sie nicht zum Arbeitsplatz pendeln müssten, dort die gentrifizierten Luxusquartiere für den privilegierten Teil der Gesellschaft. Durchbrochen würde diese Zweiteilung allenfalls durch kinderreiche Familien, die sich durch die Kumulierung von GEs bessere Wohnungen auch ohne Arbeit leisten könnten, damit aber den Hass derer auf sich zögen, die sich nur durch (nicht-künstlerische) Arbeit die bessere Wohngegend leisten können.

Kurz gesagt: Selbst wenn ein bedingtes GE finanzierbar wäre, würde es nicht zum sozialen Frieden beitragen.

 

Ungerührt remixed

Da die Kommentarfunktion bei Carta vorhin einen Schluckauf hatte, poste ich ein paar Gedanken zur aktuellen Remix-Diskussion einfach hier bei mir zu Hause.

Die Idee, grundsätzlich das „Remixen“ von Werkbestandteilen freizugeben, verleitet dazu, sie als Herabwürdigung derer zu sehen, die Werke schaffen – so wie die Werbung von Sendern wie Bayern 3, sie böten den besten „Musikmix“.

Es ist aber viel absurder und bösartiger.

1. Re-Mixen kann man nur etwas, das schon irgendwie gemixt (vermischt) worden ist. Schüttele ich etwas Durchgeschütteltes erneut durch, habe ich bestenfalls einen schaumigen Brei, ein Smoothie, aus dem man die Zutaten nicht mehr herausschmeckt. Insofern in das Wort genauso unpassend für künstlerische Leistungen wie „Content“ für journalistische Texte und Bilder. Eine kreative Leistung kann nur darin bestehen, bewusst Musikpassagen oder Tonspuren auf neue, kreative Weise abzumischen. Das ist das, worauf sich Andrew Noah Cap bezieht. Diese Tätigkeit, Kerngeschäft der DJs, ist quasi die moderne Form (oder Erweiterung) dessen, was früher ein Arrangeur gemacht hat. Man sollte also das Wort Remix meiden, wenn man von planvollem künstlerischem Umgang mit Werken spricht.

2. Sich von einer Idee inspirieren zu lassen, ist etwas anderes, als ein Zitat zu recyclen und sich anzueignen. Zitate kann man in den Mixer hauen, Ideen nicht.

3. Würde man „Remixe“ grundsätzlich freigeben, würden alle Dämme brechen, was die Arbeit von Journalisten und Fotografen betrifft. Als wäre es nicht schlimm genug, dass Bilder manipuliert und Aussagen aus dem Zusammenhang gerissen werden, „Ungerührt remixed“ weiterlesen

Rübenreporter

Kraut & Rüben ist eine Zeitschrift für Hobby-Biogärtner. Aber dort arbeiten die Krautreporter nicht, über die in diesen Tagen viel zu lesen ist. Der erste, ältere Markenname ist witzig, der zweite, neuere nur albern und damit für ein ambitioniertes Projekt eher unpassend. „Krautreporter“ ist die Sorte Kantinenkalauer, die man besser nicht an die Öffentlichkeit lässt. Schließlich handelt es sich um die Homophonie eines Ausdrucks, der seinerseits ungelenk, ja schlichtweg irreführend und – schlimmer noch – immanent abwertend bis beleidigend für die Zielgruppe ist: „Crowd Reporter.“ Eine Crowd ist eine Horde beliebiger Menschen, bei der das Individuum irrelevant ist. Tja, schon seltsam, dass sich ein so verächtlicher Terminus im Englischen durchgesetzt hat – siehe Crowd Sourcing und Crowd Funding. Sich zur Crowd zu zählen, ist in etwa so, als würde ein Journalist sich „Schreiberling“ nennen, zur „Journaille“ zählen und „Content“ produzieren.

Überdies bezieht sich der an die „Krauts“ erinnernde englische Ausdruck nicht einmal auf die Reporter, sondern auf die Art, wie sie das Geld auftreiben, von dem sie beim Reportieren leben. Die diffuse Masse ist also gerade gut genug als Sponsorenheer für den Journalismus, soll ihn aber bitte nicht selbst betreiben, wie das bei den Leserreportern der Bild-Zeitung der Fall ist?

Nein, es ist nicht lustig, wenn Reporter in einem Atemzug sich selbst und ihre Leser mit dem Klischee des Sauerkraut mampfenden Wehrmachtsinfanteristen identifizieren. Was beim „Krautrock“ noch originell und selbstironisch war, ist vierzig Jahre später nur noch peinlich.

Deshalb ist es wirklich schade, dass die Kollegen, die bei dem Projekt des notorisch umtriebigen Sebastian Esser mitmachen, kein Veto gegen den unsäglichen Namen eingelegt haben – „Rübenreporter“ weiterlesen