Es lebe der Zentralabiturient

Ab 2013 sollen Schulen genormten Output liefern – einzig das Lehrpersonal macht noch Probleme.

Jahrzehntelang ging nichts voran im deutschen Schulwesen, nicht einmal eine kleine Rechtschreibrevolution wollte den kleinstaatlerischen Kultusbürokraten glücken. Deren einziger unbestrittener Erfolg besteht darin, dass das Bildungsbürgertum bei „Pisa“ nicht mehr spontan an Studienreisen durch Italien denkt, sondern an die objektiv messbare Qualität des Outputs steuerfinanzierter Bildungsanstalten. Dummerweise aber gibt das noch keine Antwort auf die Frage, wie sich die geforderte standardisierte Qualität der Humanressourcen nicht nur messen, sondern auch produzieren lässt.

Jetzt aber ist der gordische Knoten entzwei, und natürlich ist es die beherzte Annette Schavan, die das Schwert in der Hand hält: 2013 wird Schluss sein mit den schulpolitischen Alleingängen fanatisch-föderalistischer Bremer, Saarländer oder Berliner, denn dann soll nach den acht Jahren Gymnasium (G8) das Bundeszentralabitur kommen. Wo früher jedes Lehrerkollegium teure Arbeitszeit aufwenden musste, um sich die Prüfungsaufgaben auszudenken, wird im Optimalfall für jedes Fach also nur noch ein einziger Beamter benötigt. Ein kleines bisschen Vorarbeit müssen die Kultusministerien allerdings noch leisten, bevor sie der Wirtschaft ab 2013 Normabiturienten liefern können: Sie müssen den Geschäftsprozess „Unterricht“ nach Best-Practice-Grundsätzen optimieren und diese den Lehrkräften eintrichtern. Die standardisierten Einheitsskills der Gymnasiasten lassen sich dann – Abschaffung handschriftlicher Prüfungen vorausgesetzt – wunderbar maschinell auswerten.

Sechs Jahre sind auch noch genug Zeit, um mittels professioneller PR allen Skeptikern klarzumachen, dass Heterogenität in der Bildung ein überholtes Konzept ist. Das beste Beispiel ist die Mathematik: Es zweifelt doch wohl niemand daran, dass sich jeder Kaufmann mit fraktionalen Weyl-Integralen auskennen und jeder Mediziner die Zinseszinsrechnung ohne Excel und Taschenrechner bewältigen muss. Und wenn der fürsorgliche Staat das Vereinheitlichungsprojekt dereinst konsequent durchgezogen hat, braucht sich kein Normalbürger mehr Gedanken über Bildungsreformen zu machen: Wenn alle das Gleiche gelernt haben, gibt es auch nichts mehr, was irgendwer vermissen könnte.

Aus der Technology Review 10/2007, Kolumne FROITZELEIEN

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