Kommunalpolitik für die Mülltonne (Blaue Tonne II)

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Wenn man aus gegebenem Anlass erst mal anfängt, sich näher mit einem so …ähem… spannenden Thema wie Abfallwirtschaft zu befassen, kommt man zu erstaunlichen Erkenntnissen. Dass wir jetzt wieder unser Papier und unsere Pappe selbst wegfahren und dabei manchen Liter Benzin verheizen dürfen, hat eine juristische, eine politische und eine wirtschaftliche Vorgeschichte – und die sind miteinander verknüpft.

Was da alles im Spiel ist, fällt dem Normalbürger aber nur auf, wenn er zufällig einmal bei der Entleerung seiner Mülltonne anwesend war und den Laster (bzw. dessen Logo) genau angeschaut hat und/oder die Lokalpresse ständig aufmerksam verfolgt. (Ich gestehe zu meiner Schande, dass ich aus alter Gewohnheit die Süddeutsche lese, aber leider nicht das Landsberger Tagblatt – und dass ich den Kreisboten, den mir Herr Ippen freundlicherweise wöchentlich kostenlos zukommen lässt, nicht immer von vorn bis hinten studiere.)

Nachdem ich mich in dieser Sache ein bisschen schlau gemacht habe, weiß ich nun, wie vertrackt die Gemengelage wirklich ist. So sollte man wissen, dass eine andere Niederlassung der Firma Remondis, die unser Altpapier nicht mehr holen darf, seit einem knappen Dreivierteljahr unsere Restmülltonnen im Auftrag des Landkreises leert, weil sie 2009 eine europaweite Ausschreibung gewonnen hat (nämlich Remondis Aichach).

Etwa um die gleiche Zeit, vor einem knappen Jahr, hat der Kreistag „Nein“ gesagt zur Papierabfuhr, die Remondis (bzw. deren Standort Weßling) seit 2007 auf eigene Rechnung betrieb. Betrachtet man der Einfachheit halber den gesamten Entsorgungskonzern als Einheit, liegen hier also quasi zwei Geschäftspartner im Clinch miteinander.

Es gibt freilich Menschen, auf die der Zuschlag für Remondis beim Restmüll wie eine Provokation gewirkt haben muss. Die „Blaue Tonne“ des Unternehmens war wichtigen Mitgliedern der hiesigen Honoratiorenschaft von Anfang an ein Dorn im Auge gewesen. Traditionell bessern bei uns Sportvereine mit Hilfe sporadischer Altzeitungssammlungen ihre Clubkassen auf. Und für einen bayerischen Landrat regiert es sich im von Vereinsvorsitzenden veranstalteten Gegenwind eher ungemütlich.

Ob Gebietskörperschaften ihren Bürgern vorschreiben dürfen, wem sie ihre nicht mehr benötigten Wertstoffe zu schenken haben, war seinerzeit allerdings noch juristisch unklar. Ihre Trumpfkarte bekamen die Landsberger Politgrößen erst Ende Juni 2009 aus Leipzig zugespielt. Das Bundesverwaltungsgericht konstatierte damals in einer Entscheidung zu einem Rechtsstreit in Kiel sinngemäß, eine Kommune sei „grundsätzlich“ Herrin über den gesamten Hausmüll ihrer Bürger einschließlich ausgelesener Zeitungen. Sie müsse keine privaten Abholer dulden, wenn deren Tätigkeit mehr als „geringfügige“ Auswirkungen auf den Geschäftsbetrieb des öffentlich-rechtlichen Entsorgers habe.

Mit anderen Worten: Erlaubt sind der Wirtschaft auf diesem „Markt“ ausschließlich Geschäfte, die so geringfügig sind, dass sie sich keinesfalls rentieren. Angesichts dieser bemerkenswerten Rechtsprechung scheiterte Remondis jetzt mit einem Einspruch vor dem Verwaltungsgericht in München. Bevor man sich nun mit der Situation abfindet, sollte man aber mal nachlesen, ob das vermeintliche Grundsatzurteil aus Leipzig überhaupt das hergibt, wofür es hier herangezogen wird.

Im Kieler Präzedenzfall war es nämlich so, dass der private Papierentsorger einem kommunalen Konkurrenz gemacht hatte. Der Stadt Kiel gingen deshalb eindeutig Einnahmen verloren. Der Kreis Landsberg hat sich hingegen, mit Verlaub, stets einen feuchten Kehrricht darum gekümmert, wie die Bürger ihre Papierabfälle aus dem Haus kriegen, und plant auch jetzt keine Abholung.

Die Container an den öffentlichen Sammelstellen, in die man gnädigerweise seinen Papiermüll werfen zu dürfen genötigt ist, gehören dem Remondis-Konkurrenten Veolia, der unter dem Namen Alco-Süd/Sulo vor Remondis die Lizenz für die Restmülltonnen innehatte. Natürlich will sich Veolia von seinem erbittertsten Rivalen nicht auch noch den Wertstoff Papier vor der Haustür der Bürger wegschnappen lassen.

Veolia mag zwar im Auftrag des Landratsamtes agieren. Aber ein öffentlich-rechtliches Unternehmen ist es, im Gegensatz zum Abfallwirtschaftsbetrieb Kiel (ABK), nun wirklich nicht. Vielleicht erkennen ja die Richter am Bayerischen Verwaltungsgerichtshof noch den Unterschied.

Mein Rechtsempfinden sagt mir: Wenn der Landkreis sich auf das (juristisch keineswegs unumstrittene) BVerwG-Urteil berufen will, muss er schon einen Eigenbetrieb gründen und darf nicht outsourcen. Er kann auch nicht nach Belieben Vereinen, die nach eigenem Gusto einen Trecker vorbeischicken, wann sie lustig sind (und weder meine Kartons noch meine Reißwolfschnipsel mitnehmen), die Sammlung erlauben, gleichzeitg aber einem Unternehmen verbieten, regelmäßig und verlässlich alles abzuholen, was ich an wiederverwertbaren Papieralien wegwerfe.

Es ist mir übrigens völlig egal, ob meine Papiertonne einen blauen, violetten oder pinkfarbenen Deckel hat und ob darauf Remondis, Veolia, Landkreis Landsberg am Lech oder VfL Kaufering steht. Ich will die Tonne, weil sie sinnvoll und umweltfreundlich ist.

Und ich will mich nicht veräppeln lassen. Hier kursiert derzeit eine dem Landratsamt zugeschriebene Parole, die Müllgebühren hätten steigen müssen, wenn die Blaue Tonne geblieben wäre. Das ist schon deshalb Quatsch, weil die Vereine die Erlöse aus dem Altpapierverkauf ja auch nie im Landratsamt abliefern mussten. Einnahmen, die der Kreis nie hatte, können ihm nicht verloren gehen.

Welchen Schaden es volkswirtschaftlich und in den Haushaltskassen anrichtet, wenn unsereiner mit dem Auto zu den Abladestellen fährt, kann man sich auch ausrechnen: Papierfabriken zahlen bei Anlieferung ins Werk etwa 5 Cent pro Kilo, also sind beim Verkauf an einen Zwischenhändler kaum mehr als 3 Cent rauszuholen. Mancher hier im Landkreis braucht für den Hin- und Rückweg zur Sammelstelle mehr als einen Liter Sprit. Bei einem Zentner Altpapier im Kofferraum heißt das, dass er allein für Treibstoff ebenso viel ausgibt, wie das Papier überhaupt wert ist.

Legt man die (nicht mal die wahren Betriebskosten des Autos deckenden) 30 Cent pro Kilometer zu Grunde, die das Finanzamt bei Geschäftsfahrten anerkennt, muss man pro Entfernungskilometer zum Wertstoffhof mindestens 20 Kilo Papier befördern, um volkswirtschaftlich kein Verlustgeschäft zu machen, bei 10 Kilometern einfacher Fahrtstrecke also vier Zentner. Um diese Menge zusammenzubringen, kann man eine Tageszeitung wie die Süddeutsche ein Jahr lang sammeln, das Tagblatt samt Werbebeilagen sogar etwa zwei Jahre.

Bis wir diese Mengen im Keller angehäuft haben, ist aber vielleicht die geplante Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetzes durch den Bundestag. Mit etwas Glück wird dann klar geregelt sein, dass die Vertreter der kommunalen Müllpolitik uns eine Papiertonne hinstellen lassen müssen, wenn sie nicht wollen, dass private Unternehmen die Nachfrage auf eigene Faust befriedigen.

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31 Antworten auf „Kommunalpolitik für die Mülltonne (Blaue Tonne II)“

  1. Ich gehe davon aus, dass ich ein freier Bürger bin. Als freier Bürger kann ich mein Papier, das kein gefährlicher Stoff ist, überlassen wem ich will. Wenn der Herr Landrat mein Papier will, dann soll er es gefälligst abholen, und sich nicht hinter fragwürdigen, andersgestalteten Urteilen verstecken. Auf lange Sicht wird er sowieso verlieren. Dann wird der Schaden für ihn erheblich sein, denn gewählt werden will er ja wieder. Oder reicht ihm eine zweite Wahlperiode schon. Mir reicht sie schon lange.

  2. Wanderer, kommst du nach Landsberg, so achte darauf, kein Altpapier mitzubringen. Hier wirst du es schwer los, sehr schwer. Gebrechliche Alte wackeln unsicheren Schrittes zum Container, schwer beladen mit wegzuwerfenden Werbeschriftbergen. Prozessionen von Autos stauen sich am Wochenende vor den Wertstoffhöfen, die Kofferräume voll Altpapier. Und vor den Gartentüren liegen an bestimmten Tagen vom Regen durchgeweichte Papierbreiklumpen, die vor Stunden dort säuberlich mit Paketschnur gebündelt abgelegt wurden. Jaja, Landsberg ist eine vom Mittelalter geprägte Stadt… Dabei hat die etwas modernere Gesellschaft inzwischen durchaus eine Lösung für dieses Problem bereit: die blaue Tonne! Überall in Deutschland habe ich sie gesehen. Nur hier nicht. Warum?

    Schon die alten Griechen kannten den Unterschied zwischen Demokratie (der Wille des Volkes wird umgesetzt) und Despotie (der Wille eines Herrschers wird gegen das Volk durchgesetzt). Unserem Landrat ist es egal, dass der Bürger jede Menge Zeit und Benzingeld mitbringen muss, um Papier zu entsorgen (gleiches gilt für den nicht vorhandenen gelben Sack). Hauptsache, es springt ein bisschen mehr Gewinn aus der Entsorgung heraus.

    Wahrscheinlich ist es dem Landrat auch egal, was ich hier schreibe. Vielleicht wehren sich aber auch die von ihm gequälten Bürger mit der einzigen restdemokratischen Möglichkeit die ihnen geblieben ist: bei der nächsten Wahl…

  3. Ich kann den Ausführungen des Autors voll und ganz zustimmen.
    Der Landkreis ist jetzt am Zug und muß wenn nötig selbst für den Abholdienst der Papier – und Pappkartons Sorge tragen und zwar nicht zu Lasten der Bürger !!

  4. Meine Frage:

    Schämen sich der Herr Landrat und die zuständigen Beamten in der Abfallwirtschaft des
    Landkreises Landsberg nicht, alten, kranken, behinderten und sozial schwachen Menschen
    diese Erleichterung wegzunehmen?
    Wieso funktioniert die eigene Papierabholung seit Jahren schon in vielen anderen Landkreisen?
    Außerdem könnten dadurch sogar Arbeitsplätze geschaffen werden.
    Außerdem halte ich nicht viel von der unzuverlässigen Sammlung der Vereine.
    Meiner Meinung nach wird durch die extra Bezuschussung der Vereine hauptsächlich nur
    Alkoholismus gefördert.
    Sollten die oben genannten Herren dies nicht einsehen wäre es besser wenn sie ihr Amt
    niederlegen und gemeinnützig als 1€ jobber arbeiten würden.
    mfg.
    Günther Almanstötter

    Das mit dem Alkoholismus möchte ich nicht so stehen lassen. Es gibt sicherlich – wie überall – den einen oder anderen Verein, bei dessen Zusammenkünften gesoffen wird. Aber ich kenne keinen, bei dem das Bier auch noch aus der Vereinskasse bezahlt würde. Und ich möchte auch nicht so verstanden werden, dass ich den Vereinen keine Extra-Einnahmen gönnen würde. Ich finde nur, dass jeder Bürger selbst entscheiden soll, wem er sein Altpapier gibt. Wir haben es zum Beispiel schon parallel gemacht: Wenn wir viele Kartons hatten und der VfL gerade gesammelt hat, gingen die Zeitungen nicht in die Tonne, sondern an den Sportverein. Vorwerfen kann man den Vereinen allerdings schon, dass sie Rosinenpickerei betreiben und sich eben nur für sortenreine Zeitungen interessieren.
    Ulf J. Froitzheim

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