Der Antimaterie-Prantl – oder: Staatsfunk in Bayern

Wenn man als Student und Jungjournalist die Auseinandersetzungen um den Straußschen Einfluss auf den Bayerischen Rundfunk miterlebt hat, kommt man sich heute vor wie im falschen Fernseh-Film: Offenbar ist es ausgemachte Sache, dass der schrecklich nette Uli Wilhelm Intendant des BR wird, doch niemand in der Medienszene regt sich angemessen auf. Selbst die Süddeutsche Zeitung und die taz ließen Kollegen schreiben, die ihre sachte Kritik an der Personalie in Samt verpackten.

Ist es denn anno 2010 kein Skandal mehr, wenn ein Berlinerisch-Münchnerischer Machtklüngel kalt lächelnd beschließt, dass der Regierungssprecher (!), der Sprecher der Bundeskanzlerin (!), der frühere Sprecher und langjährige Vertraute von Edmund Stoiber (!), den Reportern, Redakteuren, Korrespondenten des Bayerischen Rundfunks als oberster Dienstherr vor die Nase gesetzt wird? Ist es normal, dass praktisch der gesamte Rundfunkrat belämmert stille schweigt, statt öffentlich die Farce eine Farce zu schimpfen?

Wenn der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer in einer Vorstandssitzung seiner Partei über einen sagt: „Mit dem haben wir in Bayern noch Großes vor“, kann es sich nur um eine Personalie besonderer Art handeln. „Das „große Vorhaben“ wäre, so eine Nachfrage unserer Redaktion, die Position des Intendanten des Bayerischen Rundfunks (BR).“

Scoop von „rup“ in der Augsburger Allgemeinen vom 27.1.2010

Nein, der freundliche CSU-Karrierist Wilhelm kann nicht Intendant werden, jedenfalls nicht auf dem Boden der Freiheitlich-Demokratischen Grundordnung, solange das Verfassungsgericht den Funkanstalten Staatsferne gebietet und wir noch keine Fernsehsteuer zahlen müssen, sondern Gebühren zahlen dürfen. Charmant und gebildet zu sein, ein smarter Münchner, ein gelernter Journalist und studierter Jurist, ein bayerischer Robert Redford mit blauen Augen und blondem Haar und was ihm sonst noch so alles nachgeschwärmt wird: All diese umwerfenden Eigenschaften reichen nicht als Qualifikation. Sie machen nicht seinen Lebenslauf wett, der im Hinblick auf die zu besetzende Führungsposition ein einziges K.o.-Kriterium ist.

Wilhelm ist ein smarter Münchner, der aussieht wie ein Skilehrer. Was ihm fehlt, ist das Stückchen Verschlagenheit, das man als Sprecher manchmal braucht.

Ralf Neukirch in Der Spiegel 2-2008

Dass er in jungen Jahren die Deutsche Journalistenschule absolviert hat, wie viele andere heutige PR-Profis und Spin Doctors auch; dass er neben seinem Jurastudium, das ihm dann doch bessere Berufschancen versprach, als freier Journalist jobbte; dass er als Sohn eines gut vernetzten CSU-Granden nach dem Staatsexamen eine journalistisch unbedeutende Position im Team des linientreuen BR-Chefredakteurs Heinz Klaus Mertes ergatterte, die es ihm heute erlaubt, einen kurzen Zwischenstopp „in der Chefredaktion“ des BR in seine Vita zu jubeln – nein, das alles spricht nicht zu Wilhelms Gunsten. Es sind an den Haaren herbeigezogene, peinliche Ausreden, mit denen hier einige Medienschaffende versuchen, einer notwendigen Konfrontation mit dem Machtschattengewächs aus dem Weg zu gehen (die bei einem so glatten, strahlenden Ziel ohne sichtbare Angriffsflächen in der Tat ein bisschen mühsam werden könnte).

Wer aber sehen will, der sieht: Das Gastspielchen des bis dahin freien Mitarbeiters in der BR-Chefetage war letztlich nur Mittel zum Zweck. Im Funkhaus fand das CSU-Nachwuchstalent sein Sprungbrett für den Aufstieg in eine Politikerlaufbahn: Die Nähe zur Macht reizte diesen Antimaterie-Prantl – erst Journalist, dann Jurist – offensichtlich mehr als die urjournalistische Aufgabe, die Mächtigen zu kontrollieren.

Liebe Rundfunkräte, liebe „Graue“, liebe Kollegen von den Medienseiten: Es gibt eine Menge Jobs, in denen die Qualitäten des sympathischen, diplomatischen Uli W. gefragt sind – Leiter Unternehmenskommunikation eines DAX-Konzerns zum Beispiel. Mag er doch zu Siemens, BMW, Allianz gehen, empfehlt ihn dort! Er wird bella figura machen.

Macht Euch aber bitte nicht zu Handlangern derer, für die öffentlich-rechtliche Sender nichts als Sprachrohre der Parteien sind! Bestätigt nicht die immer plausibleren Vorurteile derer, für die ein Intendant in Deutschland doch nur ein politischer Beamter an der Spitze einer PR-opagandabehörde ist, als lebten wir hier in in Berlusconien oder in einer Putokratie!

Nachtrag 16. April:

„Dieser Sprecher wird der Kanzlerin fehlen“, titelte die FAZ vergangene Woche über Wilhelm – der ARD hat er gerade noch gefehlt.

Steffen Grimberg in der taz

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Eine Antwort auf „Der Antimaterie-Prantl – oder: Staatsfunk in Bayern“

  1. Wenn ihm Verschlagenheit „fehlt“, wäre das doch schon mal ein Positivum.

    Ob Wilhelm deshalb ausgerechnet Intendant werden sollte, ist eine andere Frage, aber es gibt definitiv schlimmere Optionen. Der BR war immer Sprachrohr der CSU, früher mehr als jetzt, aber nur weil jemand auch schon PR gemacht hat, ist er doch nicht automatisch ein schlechter oder korrupter Journalist.

    Abgesehen davon: Bei der letzten Wahl brachte die CSU auch nicht den Kandidaten ins Intendanten-Amt, den sie eigentlich wollte. Deshalb würde ich nicht sagen, daß es schon „beschlossene Sache“ ist. Bedenklich ist eher, daß generell ein CSU-Parteibuch für dieses Amt erforderlich ist. Dafür kann Uli Wilhelm aber nichts.

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