Rallyestreifen sind out. Der moderne Proll inszeniert sich mit einer mobilen Diaschau auf LED-gespickten Autofelgen.
Es ist wirklich kein Wunder, wenn sich am Wirtschaftsstandort Deutschland keine international konkurrenzfähige Gangsta-Rapper-Szene entwickeln kann. An ultracoolen Machomachos, die in blankpolierten Protzschlitten mit verdunkelten Scheiben durch einschlägige Großstadtreviere gockeln, bestünde eigentlich kein Mangel. Solange aber die hauptamtlichen Spaßbremsen vom Kraftfahrtbundesamt jeder halbwegs extravaganten Kfz-Sonderausstattung stur die Typgenehmigung verweigern, nur weil sie die Verkehrssicherheit beeinträchtigen könnte, haben die Jungs es verdammt schwer, herauszuragen aus der Flotte all der schwarzen SUV -Karossen. Blaue LED-Zierlämpchen hat ja heute jeder Vollhorst an der Karre.
Wie schön, dass uns wenigstens YouTube immer wieder zeigt, wie das Land der unbegrenzten Unmöglichkeiten die Persönlichkeitsentfaltung sozial benachteiligter Jugendlicher fördert. Wenn in amerikanischen Citys die blaue Stunde schlägt, machen sie sich auf den Weg, die jungen Aufsteiger mit den etwas unklaren Einkommensquellen, und schalten den „Dub Pimpstar“ scharf, laut Hersteller die heißeste Innovation seit Erfindung des Rades. Die Dinger sind eine Kreuzung aus Alufelge, digitalem Bilderrahmen und mobiler Lichtorgel. Doch der eigentliche Clou ist die Echtzeit-Wasserwaage: Der Wagen kann rollen, wie er will. Das Bild dreht sich nicht etwa mit wie der Inhalt einer Waschmaschinentrommel – es bleibt zuverlässig im Lot, ganz so, als rotierte der Reifen um die illumi- nierte Felge.
Mit dem wetter- und waschanlagenfesten Pimpstar verbindet der moderne Aufschneider das Angenehme mit dem Nützlichen. Er zieht mindestens so viele Blicke auf sich wie die Altvorderen, die ihre Schlitten noch in mühevoller Kleinarbeit mit Airbrush-Kunstwerken dekorierten, nur um dann zu kapieren, wie schnell sich die Menschen satt sehen an all den Höllenmonstern, Bikini-Schönheiten oder Sonnenuntergängen am Strand von Hawaii. Wer seine Auftritte per Software inszeniert, kann seine Mitmenschen jeden Tag aufs Neue verblüffen. Und er braucht sich keine Gedanken zu machen, wie er die peinlichen alten Tattoos wieder vom Lack abkriegt.
Im Zeitalter der programmierbaren automobilen Selbstinszenierung sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Mit seinen Leuchträdern kann der Fahrer dem Schleicher, den er rechts überholt, den virtuellen Stinkefinger zeigen oder der Blondine im Cabrio nebenan derart den Kopf verdrehen, dass es kracht. Hip-Hopper lassen die Räder im Takt der 500-Watt-Bordaudio-Wumme oszillieren, Hansi-Hinterseer-Fans geben zu Alpenpanoramen Gummi. Leider gibt es zwei kleine Haken. Erstens: Der Bling-bling-Spaß passt nur auf hochbeinige Vehikel. Zweitens: Er ist teurer als manch alter Mercedes. Für einen Bausatz im standesgemäßen 26-Zoll-Format muss der optische Krawallmacher mal eben 16.050 Dollar berappen.
Da hilft im Zweifelsfall nur, sich Sponsoren zu suchen. Mit deren Botschaften unterhält man dann als rollender Werbeträger die Mitmenschen, die im täglichen Stau zur Arbeit für jede kleine Ablenkung dankbar sind. Erfolgversprechender als die neue Masche der deutschen Marketing-Guerilla, in wirklich jeder kostenlosen Parklücke einen mit Reklame zugepflasterten Autoanhänger abzustellen, ist das allemal.
ULF J. FROITZHEIM, TR-Kolumnist, möchte mit seinem Allerweltsauto lieber unauffällig bleiben – nicht nur für die Polizei.
Aus der Technology Review 7/2010, Kolumne FROITZELEIEN
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