Ein Gerücht läuft um in Journalistenkreisen: Der diesjährige DJV-Bundesverbandstag – geplant für den 8. bis 10. November in Essen – könnte ins Wasser fallen. Sollte es so kommen, stecken wieder einmal die prozessfreudigen Kollegen eines Vereins dahinter, der seltsamerweise immer noch „DJV Landesverband Brandenburg“ heißt, obwohl die maßgeblichen Leute weder im Verdacht stehen, die Mark ernsthaft als ihren Lebensmittelpunkt zu betrachten, noch irgendwelche Sympathien für den großen Rest des DJV zu hegen.
Dem Vernehmen nach haben sie eine Klage eingereicht, die in die Satzung des Bundes-DJV etwas hineininterpretieren soll, was so nie gemeint war und auch nirgendwo ausdrücklich steht – nämlich dass die Mitglieder einiger (nicht nur kleiner) Landesverbände gleichzeitig unmittelbare und womöglich sogar stimmberechtigte Mitglieder des Bundesverbandes seien. Eingeladen nach Essen sind nur, same procedure as very every year, die 260 Delegierten der Landesverbände (darunter halt auch ich) plus einige „geborene“ Delegierte, aber zum Beispiel nicht die rund 8000 Mitglieder des Landesverbandes NRW. Quasi stellvertretend für diese vermeintlich Entrechteten kämpfen nun die Rächer aus Postdam (oder woher auch immer, man weiß es ja nicht so genau, denn unsere rechtschaffenen Brandenbürger sind so leidenschaftliche Datenschützer, dass man sich fast schon wundert, dass sie durch ihre Klagen eine ladungsfähige Anschrift preisgeben) an der Seite ihres für seinen Einfallsreichtum bekannten Münchner Anwalts.
Nach gesundem Menschenverstand und den Traditionen des deutschen Vereinsrechts müsste man die Klage, wie es in den USA so schön heißt, als „without merit“ verwerfen. Das klingt schöner als „offensichtlich unbegründet“. Zum einen sind die meisten Landesverbände heilfroh über jedes Mitglied, das freiwillig fürs Delegiertenamt kandidiert, und würde sich ins eigene Fleisch schneiden, wenn sie ernsthaft Interessierte abwiesen. Wer sagt, dass er will, hat den Posten fast schon in der Tasche. (Nur auf Minivereine wie Brandenburg entfallen so wenige Mandate, dass man verstehen kann, dass der Chef gerne eine größere Hausmacht mitbrächte.) Zum anderen enthält die DJV-Satzung eine Regel, die besagt, dass die hier streitgegenständlichen Mitglieder durchaus ein Anwesenheitsrecht haben, jedoch innerhalb der Schranken eines anderes Paragraphen: Die Verbandstage sind nämlich „verbands- und presseöffentlich“.
Im Klartext: Alle Mitglieder, sogar alle aktiven Berufsjournalisten dürfen hinfahren und zuhören. Nur die Hand heben dürfen sie nicht, solange sie keine Delegierten sind. Dass der Vorstand sie alle persönlich einladen müsste, steht ebenfalls nirgends. Der Paragraph bekräftigt also nur, dass die Mitglieder Anspruch darauf haben, dass der Verbandstag als höchstes Organ des Vereins seine Beschlüsse nicht hinter verschlossenen Türen fasst. Dies unterscheidet übrigens den DJV von einer Vielzahl von Organisationen, die so tun, als seien auch sie Journalistenverbände. (Selbst der klagende DJV Brandenburg würde einem nicht einfallen, wenn man ein Musterbeispiel für Transparenz sucht.)
Sollte der skurrile Rechtsstreit so ausgehen, dass jede Journalistin und jeder Journalist aus einem DJV-Landesverband, der seine Mitglieder irgendwann per Satzung zu Mitgliedern des Bundes-DJV gemacht hat, in all den Jahren schriftlich fristgerecht hätte eingeladen werden müssen, wäre der diesjährige Verbandstag tatsächlich gegEssen. Mehrere Landesversammlungen müssten dann über neue, möglichst klagefeste Satzungen abstimmen, statt über Sachfragen zu debattieren. Das Nächste wären wohl Feststellungsklagen, die sich um die (Un-)Gültigkeit früherer Wahlen drehen. Und so weiter. Die Kläger würden anschließend wieder beklagen, der DJV befasse sich ja nur mit sich selbst – obwohl er das gar nicht müsste, wenn nicht ständig irgendwelche Filibuster kämen, die nichts Sinnvolleres zu tun haben, als mit der Attitüde eines Hackers, der die nächste Hintertür in Windows sucht, Satzungen nach potentiellen Schwachstellen zu durchkämmen.
Ach was, Hacker. Diese Leute haben wohl eher das Gemüt jener Juristen, die ihre Lebensaufgabe in der Abmahnerei sehen.
Ihr prozessuales Treiben kostet viel Geld, das woanders fehlt, und es demotiviert Ehrenamtliche wie Festangestellte. Letzteres ist kein Kollateralschaden, es gehört zum Spiel.
Die Frage lautet also: Cui bono?
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