Abgezockt mit PR-Brief und Tarifsiegel

Über den dpa-Ableger News aktuell segelt mir soeben eine Pressemitteilung ins Haus, die hoffentlich keine Redaktion verwurstet.

Verbreitet wurde der digitale Waschzettel im Auftrag einer von starken Schrumpftumsraten geprägten schwedischen Telefongesellschaft, die mir schon wiederholt unangenehm aufgefallen ist – nicht nur, weil ihren Werbeheinis keine sozialverträglichere Eselsbrücke zum Memorieren ihrer Call-by-call-Vorwahl eingefallen war als ein Unfallopfer, dem an einem Fuß sämtliche Zeh’n und am anderen Fuß zwei Zeh’n amputiert worden waren.

Diese Null-Zehen-drei-Zehen-Firma brüstet sich also nun damit, sie sei mit einem Tarifsiegel ausgezeichnet worden:

Bestnote „sehr gut“ für die 0 10 13
Tariftipp vergibt Tarifsiegel an die Sparvorwahl von Tele2

Wer ist dieser „Tariftipp“, der das „Siegel“ vergibt? Ein Webportal, das scheinheilig vor den Tricks der Branche warnt, aber sich über solche anmaßenden Siegel zum Komplizen der Tariftrickser macht. Um dort empfohlen zu werden, reicht es, seine Benzinpreise Minutensätze nicht in Ölkonzernmanier alle paar Stunden rauf und runter zu jazzen. Ob sie günstig oder wenigstens fair sind, wenn die Kalkulation schon mit gesundem kaufmännischem Verstand nicht nachvollziehbar ist, spielt für die Bewertung keine Rolle.

Tja, Billig ist Tele 2 manchmal schon – und zwar für abendliche, nächtliche und frühmorgendliche Telefonate zu inländischen Festnetzanschlüssen. 0,0023 € pro Minute sind eigentlich to cheap to meter, da lohnt es sich gar nicht, eine Rechnung zu schicken. Punkt 7:00:00 Uhr morgens jedoch bläht sich der Minutenpreis auf wie ein Airbag beim Crash – er legt 4243,5 Prozent zu. Dabei verwandeln sich die netten Schweden von einer Sekunde zur nächsten in Vampire, die den Kunden derart bluten lassen, dass es nur so aus den abgehackten Zeh’n spritzt.

Tagsüber, von 7 bis 19 Uhr, kassiert Tele 2 nämlich 9,99 Cent pro Minute. Werktags sind das 95,9 (Ortsgespräche: 150) Prozent mehr als im Wenigtelefonierer-Tarif der Telekom (5,1 bzw. 4 Cent), am Wochenende sogar 233 bzw. 524 Prozent mehr (3 bzw. 1,6 Cent; Stand: 9. Juli 2011). Gespräche zum Handy kosten 28  oder gar 41 Prozent mehr als bei der Telekom (29,99 gegenüber 21,2 bis 23,4 Cent) – und mehr das Dreifache dessen, was man bei Mobilfunk-Discountern wie Simyo, Blau, Congstar oder Fonic (oder Aldi, Lidl, Schlecker etc.) in alle Netze bezahlt (meist 9 Cent, netzintern oft noch weniger).

Wer fast nur zu nachtschlafener Zeit ausschließlich deutsche Festnetzanschlüsse anruft und auf seinen Festnetzanschluss nicht verzichten will, mag ja gut mit so einem Tarif fahren. Für alle anderen gilt: Diese vermeintliche „Sparvorwahl“ kommt Sie teurer zu stehen, als gleich alle Anrufe vom Discount-Handy aus zu erledigen.

Der Fairness halber sei gesagt: Solche dreisten Preismodelle und Werbelügen sind in der Call-by-call-Szene mehr die Regel als die Ausnahme.

Unerträglich wird es aber, wenn verlogene Siegelbewahrer, die im Deckmantel von Online- Verbraucherschutzjournalisten auftreten, diesen Kundenfeinden auch noch Gütestempel verleihen.

P.S.

Sollten Sie Redakteur/in der Verbraucherseite einer seriösen Zeitung sein: Bitte schaffen Sie als erstes Ihre Billiger-telefonieren-Nutzwertkästen ab! Bis diese Tabellen aus der Druckerei kommen, sind sie eh nicht mehr aktuell. Diese Listen sind längst in die Strategie der Call-by-call-Trickser eingebaut. Gegen ein anständiges Honorar schreibe ich Ihnen aber gerne etwas zum Thema – etwas, das den Lesern wirklich hilft, sich nicht hinters Licht führen zu lassen. Auch ohne Polemik, dafür mit mehr Hintergrund.

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