Irreführungsungeeignet?

Deutsche Sprache, schwere Sprache: Das Tiefkühlprodukt „iglo Country Chicken“ kommt laut Verpackungsaufdruck „mit 100 % marinierter Hähnchenbrust“ daher. Ist doch klar, was das heißt, oder? Nein, Ihnen nicht?

In einer Antwort an die Verbraucherzentrale Hessen bedauert stellt die (eingefügt:) frühere Unilever-Tochter iglo GmbH fest, sie halte besagten, auf einem „Störer“ zu lesenden Hinweis nicht für „irreführungsgeeignet“. Nach meinem Sprachverständnis bedeutet das: Wenn Cptn. Iglo seine Kunden nicht verstören, sondern richtig geschickt und vor allem erfolgreich hinters Licht führen will, muss er noch ein bisschen üben. Deshalb Demnächst wird das Produkt vom Markt genommen.

Ich kann den selbstkritischen Managern des Unternehmens nur recht geben. Als mündiger Verbraucher erkenne ich natürlich sofort, dass das Wörtchen „mit“ nur einem einzigem Zweck dient: die werbewirksame Botschaft „100 Prozent“ legal auf die Packung zu kriegen. „Mit“ ist einfach zu verräterisch.

Wie man das macht, habe ich schon vor 20 Jahren in den USA gelernt: Jogurt mit zwei Prozent Fett hieß dort „98 per cent fat-free“. (Was ich nie gesehen habe, war „68 per cent fat-free“ Schlagsahne.) Wenn ich also ein Lebensmittel zu verkaufen hätte, das ein Prozent giftige Rückstände und Schadstoffe enthielte, würde ich „99 per cent poison-free“ draufschreiben. Die Kunden würden so was von zugreifen!

Zurück zum Markenartikel „Country Chicken“. Wenn es sich dabei um natürlich gewachsenes Hähnchenbrustfilet handelte, stünde das explizit drauf. Dagegen informiert uns iglo mittels „Störer“ nur, dass das in dem Geflügelerzeugnis zusammengepappte Brustfleisch nicht nur zu 80 Prozent mariniert ist, sondern zur Gänze.

Dennoch haben auch die Unileveristen Iglisten (vertreten durch die Geschäftsführer Martina Sandrock, Dieter Hartmann und Markus Mischko) nicht ganz verstanden, wie unsere Sprache funktioniert. Sie schrieben den Verbraucherschützern:

„Durch den Störer „mit 100 % marinierter Hähnchenbrust“ neben der Produktabbildung wird für den Verbraucher u.E. klargestellt, dass er hier zwar ein Produkt erhält, dessen Fleischanteil zu 100 % vom Hähnchen stammt, das darüber hinaus aber auch noch andere Zutaten aufweist.“

Nein, das besagt der Störer überhaupt nicht. 99 Prozent des Fleischanteils könnten vom unmarinierten Schwein sein, Hauptsache der vom Hähnchen stammende Anteil wäre vollständig mariniert. Die Iglo-Kapitäne müssen wirklich noch einiges lernen.

Immerhin: Der Mitarbeiter, der die Zutatenliste redigiert hat, beherrscht das Euphemistenhandwerk. Das fleischige Ausgangsmaterial ist seinen Worten zufolge „fein zerkleinert, mariniert, zusammengefügt“. Da stört nichts, „fein“ ist rundum positiv besetzt, und „zusammengefügt“ erinnert an ein gelungenes Puzzle, bei dem jedes Teil an der richtigen Stelle sitzt.

Wer daraus den Schluss zieht, er kaufe Feinkost mit feinem Geschmack, dem empfehle ich die neue Website der Verbraucherzentrale, auf der dieses Beispiel zu finden ist.

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