Ein guter Berufsverband ist wertvoll. Gut ist ein Berufsverband, wenn er wenig Vereinsmeierei betreibt und seinen Mitgliedern lieb, aber für sie nicht unnötig teuer ist. Also effizient wirtschaftet.
„Mein“ Bayerischer Journalisten-Verband lässt da momentan etwas zu wünschen übrig. Positiv gesagt: Er bietet Raum für Verbesserungen. Sehr viel Raum. Nicht nur auf der Homepage…
1. Gschaftlhuberei
Im BJVreport – dem Mitgliederheft, das ich von 2002 bis 2006 redigierte – lese ich eine Meldung „Ehrennadel für langjährige Mitglieder“. Zwei Kollegen, von denen mir einer nie aufgefallen ist (ich kenne nicht mal seinen Namen), während der andere zumindest in seinem regionalen Bereich unauffällig ehrenamtlich aktiv war, haben die Silbernadel für „über 25-jährige BJV-Mitgliedschaft“ erhalten. Nicht dass ich neidisch wäre, aber der Hinweis sei erlaubt, dass ich seit 30 Jahren dabei bin und mich über 25 Jahre lang für den Verband eingesetzt habe, ohne dafür einen Orden zu erwarten oder zu erhalten. Von den anderen Aktiven, die ähnlich lange dabei sind, läuft meines Wissens ebenfalls niemand mit einer solchen Anstecknadel herum.
Wozu auch? Silberne „Ehrennadeln“ im 21. Jahrhundert? Für welche Ehre? Nur fürs Mitgliedsein? Ich bin stolz darauf, dass es mir in meinen fünf Jahren als Redaktionsleiter geglückt ist, den BJVreport von solchen Events freizuhalten. Aber muss für solche anachronistische Folklore im Karnickelzüchterstil überhaupt Geld der Mitglieder ausgegeben werden? Da nicht jeder die Dinger kriegt, wird das zwar nicht viel Geld sein. Vielleicht lagerte in der Geschäftsstelle sogar noch eine Schatulle aus den Achtzigern, deren Inhalt jetzt noch verteilt wird. Nun ist es aber so, dass nicht alle, die so lange an Bord sind, diesen Firlefanz kriegen. Da drängt sich die Frage auf, nach welchen Kriterien der Vorstand sein Lametta unter die Leute bringt – und warum.
Ich wäre eindeutig für den Gang zur Silberscheideanstalt.
2. Videos auf der BJV-Website
Was für Videos, fragen Sie sich? Ich mich auch. Es gibt keine. Diese Videos (Video-Podcasts, um genau zu sein) wurden aber auf der Mitgliederversammlung im Mai als eine Begründung für den hohen PR-Etat genannt, der wiederum einer der Gründe dafür war, dass die Beitragserhöhung mit 54 Euro pro Jahr sehr hoch angesetzt wurde. Es war klar, dass solche Videos kein Selbstzweck sein können, und offenbar hat sich wundersamer Weise gezeigt, dass es doch ohne geht. Wozu auch jetzt noch welche drehen? Hauptsache, die Beiträge sind gestiegen. Und solange der BJV sich keine witzlos-unproduktiven Crossmedia-Experimente leistet, braucht man sich über solche nicht zu ärgern. Nur darüber, dass der Verband jetzt Geld bunkert und potenzielle Neumitglieder durch unverhältnismäßig hohe Beiträge abschreckt, während sich Altmitglieder überlegen, was ihnen der BJV noch bietet fürs Geld.
Im journalist 10/2012 las ich, dass der BJV kein einziges Neumitglied an den DJV gemeldet hat, nur Austritte. Im journalist 11 glänzt der BJV sogar dadurch, dass er (erstmals?) überhaupt keine Meldung zur Mitgliederentwicklung eingereicht hat. Das schafft sonst nur der geheimniskrämerisch-fundamentaloppositionelle Landesverband Brandenburg.
3. Öffentlichkeitsarbeit im Schneckentempo
Der neue BJVreport hat ein paar gute Stücke drin, zum Beispiel ein Interview mit dem Urheberrechtsprofessor Josef Drexl zum Thema Leistungsschutzrecht. Nur war das Heft (wohlgemerkt die 5/2012, also die Ausgabe für September/Oktober) leider erst am Samstag in der Post, acht Tage nach Ende der Medientage. Auf der Website steht noch die alte Ausgabe, auch aus dem Drexl-Interview haben die Kollegen für Online noch nichts gemacht.
Früher war es ein absolutes Muss, dass der BJV auf den Münchner Medientagen mit dem druckfrischen Heft präsent ist. Dieses Jahr gab es dort nur Altpapier. Mit dem PR-Etat, den uns der Vorstand aus dem Kreuz geleiert hat, muss es möglich sein, schneller zu produzieren/zu drucken/auszuliefern. Wenn es trotzdem schief läuft, könnte man ja wenigstens schon mal vorab die PDF online stellen. Aber nein, lieber lässt man die Zeit verstreichen…
Jetzt bin ich mal gespannt, ob das Heft 6/2012 erst 2013 erscheint. Mein Vorschlag: Macht eine Doppelnummer, dann sehen die Hefte aktueller aus. (Das hatte ich schon 2006 vorgeschlagen, es wollte nur keiner hören.)
4. BJV plus was???
Zu den Neuerungen in der Mitgliederkommunikation des BJV gehört eine Rubrik „BJV plus!“. Was das sein soll? Wenn man das wüsste:
„Ein Plus für jeden Journalisten!
Hier können Sie sich bald für den geschlossenen Bereich unserer Website registrieren. Jetzt können Sie sich bereits für unseren kostenlosen und neu gestalteten BJV-Newsletter registrieren.
Die neue Website ging Ende August online, nach zwei Jahren Vorlauf. Jetzt ist November. Die Phantom-Rubrik ist übrigens nicht der einzige Lapsus: Die Kollegen haben es nicht fertig gebracht, den Abonnenten-Verteiler des unvermittelt abgeschafften wöchentlichen BJV-PDF-Newsletters automatisch auf die neue „Web-Ausgabe“ (sprich: eine HTML-Mail?!) umzustellen. Nein, man musste sich dafür neu anmelden. Es gab einen einzigen Hinweis darauf – im letzten regulären Newsletter, der mitten in den Sommerferien erschien (am 31. August). Wer den übersehen hatte, merkte nur irgendwann, dass kein Newsletter mehr kam.
5. Maulwürfe bei der Arbeit
Dass übermäßige Transparenz die Arbeit ehrenamtlicher Gremien unnötig erschweren kann, mussten selbst die Piraten inzwischen lernen. Nicht alles, was im BJV-Landesvorstand besprochen wird, gehört an die große Glocke. Damit meine ich nicht nur Rechtsschutzfälle, sondern auch Pläne – so es denn welche gibt – für öffentlichkeitswirksame Aktionen gewerkschaftlicher oder berufsverbandlicher Art.
Nun hat der frühere Verleger des BJVreport offenbar eine investigative Ader in sich entdeckt. In seinem ansonsten betulichen PR-Elaborat „Sachverhalte“, das früher dem BJVreport beigeheftet war und jetzt unabhängig von diesem erscheint, brüstet sich der Mann aus Franken damit, Interna aus Vorstandssitzungen seines früheren Auftraggebers zu publizieren. Und, noch schöner: Er versendet dieses Heftchen als PDF auch an Hans-Werner Conen, den Chef des DJV-Landesverbandes Brandenburg, der den Bundesverband in den vergangenen Jahren mit einer teuren Prozesswelle absurdesten Ausmaßes überzogen hat und sich so im Rest des DJV den Ruf des Staatsfeindes Nummer eins erarbeitet hat.
Wenn der Ex-Verleger von Rachegelüsten gegenüber seinem Ex-Auftraggeber getrieben ist, so ist das (s)eine Sache. Eine andere ist, dass die Quelle der durchgestochenen Informationen im Landesvorstand zu sitzen scheint. Offensichtlich gehören diesem Gremium eine bis mehrere Personen an, die das Vertrauen der Beitragszahler nicht verdienen.
Sie sind der oder die 3603. Leser/in dieses Beitrags.
Nur kurz zu Report und Medientagen. Die neue Ausgabe lag sehr wohl aus, war allerdings leider am ersten Tag bereits vergriffen.
Mehr zu den Themen persönlich.
Gruß
PN
Niemand wird mir Sympathien für den ehemaligen Verlagsdienstleister nachsagen können, aber früher waren immer genügend Hefte auf den Medientagen. Im Briefkasten landete das Heft vielleicht nicht am ersten Medientag, sondern erst am Samstag der betreffenden Woche. Diesmal aber kam nochmals eine geschlagene Woche drauf. Und: Heute ist der 10. November – und immer noch ist auf der BJV-Website die August-Nummer „aktuell“.