Eigentor vom fiesen Möpp

Anmerkungen zu BDZV-Söldner Georg Wallraf und seinen Redaktionsbeamten

Die Grenze zwischen einer korrekten Tatsachenbehauptung und einer Beleidigung oder Schmähkritik sind oft fließend. Mancher ist tödlich beleidigt, wenn man ihm die Wahrheit in Gesicht sagt, andere benehmen sich so, dass selbst unflätigste Beschimpfungen noch wie Schmeicheleien erscheinen.

Womit wir bei Georg Wallraf wären beziehungsweise bei seiner ehrenrührigen Tatsachenbehauptung, es gebe „in den Redaktionen ein beamtenähnliches Absitzen der nächsten Gehaltsstufe“. Wallraf, von Beruf Rechtsanwalt, ist eine Art Söldner in Diensten des Zeitungsverlegerverbandes BDZV und steht als solcher jederzeit parat, verbalen Flurschaden anzurichten. Obigen Spruch gab er in seiner Eigenschaft als Verhandlungsführer im laufenden Tarifstreit zum Besten – und das war wieder ein echter Wallraf. Jeglicher Respekt vor Menschen, die seinen Brötchengebern auf der Tasche zu liegen trachten, indem sie so berechtigter- wie unverschämterweise Gehalts- oder Honorarforderungen stellen, ist dem Mann so fremd wie einem Schäferhund veganes Futter.

Das erste Mal begegnete ich ihm, als ich Betriebsrat des Management-Presse-Verlags war und er Justiziar im Holtzbrinck-Imperium. Das war 1991, und den Betriebsrat hatten wir deshalb gründen müssen, weil Holtzbrincks Verlagsgruppe Handelsblatt beschlossen hatte, den Laden dicht zu machen. Insofern waren wir von Anfang an irgendwie Gegner. Aber meine Meinung, Wallraf sei „ene fiese Möpp“, wie wir Rheinländer Menschen nennen, denen der Ehrgeiz, sich Sympathien zu erwerben, gänzlich fehlt, hat er über die Jahre so fleißig genährt, dass ich sie mittlerweile als unwiderlegbare Tatsache betrachte. Beispiel aus den Neunzigerjahren: Damals gehörte zur Handelsblatt-Gruppe eine Pressedatenbank namens Genios, die archivierte Artikel für heute kaum vorstellbare Beträge verkaufte. Also nicht ein paar Groschen, sondern mehrere D-Mark. Darin entdeckte ich meine für Medien des Konzerns und andere Verlage geschriebenen Texte, obwohl ich diese Rechte nie eingeräumt hatte. Wie reagierte Georg Wallraf, als ich an den Einnahmen aus der Vermarktung meiner Werke beteiligt werden wollte? Er ließ mich wissen, unter solchen Voraussetzungen hätten die Redaktionen des Hauses gewiss kein Interesse mehr an meiner Mitarbeit. Die Redakteure ahnten davon freilich nichts. Die Wallrafs der deutschen Verlagswelt sicherten sich später durch „Full-Buyout“-Knebelverträge diese Rechte von den weniger renitenten Autoren.

Später verscherbelten die Honorar- und Lizenzfachkräfte des Handelsblatt-Verlags Texte von mir unter Wert an Fachzeitschriften; Syndication an sich war Usus, aber man hätte nicht „vergessen“ dürfen, mich zu fragen und mir einen fairen Anteil am Ertrag zu bezahlen. Ein bisschen Geld sah ich erst, nachdem ich Wallraf einen sehr deutlichen Brief geschrieben hatte. In seine Zeit beim Handelsblatt fiel auch ein durch alle Instanzen geführter Prozess um die Herausgabe archivierter Fotos an den Urheber, einen BJV-Kollegen, dessen Eigentum sie nun mal waren.

Der an die Zeitungsredakteure gerichtete Vorwurf der Beamtenmentalität ist nicht die erste substanzlose Bosheit, die Wallraf in seiner Tätigkeit als BDZV-Defensivspieler abgelassen hat. Aber sie ist insofern bemerkenswert, als er damit quasi das Runde ins Eckige der Verleger gekickt hat. Die Unterstellung, in „den“ Redaktionen säßen Leute herum, die nur ihre Berufsjahre zählen, ist nicht nur zu pauschal, um wahr sein zu können; sie spielt nicht nur mit einem realitätsfernen Vorurteil über Beamte; sie leugnet nicht nur die Tatsache, dass die alten, tatsächlich recht komfortablen Berufsjahresstaffeln für jüngere Kollegen nicht mehr gelten. Sie wirft in erster Linie ein schlechtes Licht auf die Verlage, indem sie suggeriert, so eine Arbeitsweise sei überhaupt noch möglich. Eine Zeitung, in der die Redakteure unmotiviert herumhocken und ihr Geld nicht wert sind, ist schlecht geführt und dem Untergang geweiht. Sie hat ein Management, das sich ein Abgewatschtwerden im bösartigen Wallraf-Stil wirklich verdient hätte.

Der fiese Möpp sollte mal Namen nennen. Denn ich weiß wirklich nicht, von wem er redet.

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