Das Bayerische Ministerium für Gesundheit und Pflege ist auch unter dem neuen Minister Klaus Holetschek noch kein Ausbund an Bürgernähe. Vielleicht wäre das auch zuviel verlangt gewesen. Dass Besuche in Bayerns Altenheimen jetzt wieder ohne Schnelltest möglich sind, hätte man jedenfalls klarer kommunizieren können.
Die Pressestelle des Landratsamts war mal wieder schneller als der Dienstweg: Dass Angehörige von Heimbewohnern mit Beginn dieser Woche keinen frischen Negativbefund mehr vorweisen müssen, war auf der Corona-Landingpage des Amts schon am Wochenende zu lesen. Das Problem war nur: Die Rechtsgrundlage war im Bayerischen Ministerialblatt keineswegs so eindeutig dargestellt, im Gegenteil: Die 13. BayIfSMV (Dreizehnte Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung) legt in § 11 nach wie vor fest, dass ein negativer Test vorzulegen sei, verweist allerdings darauf, dieser Test unterliege den Maßgaben von § 4, der die Testpflichten regelt. Das ist ein Widerspruch in sich, denn laut § 4 sind die Testpflichten grundsätzlich inzidenzabhängig, wobei der jeweilige Landrat im eigenen Ermessen striktere Anweisungen erlassen darf. Dass ein Test bei niedriger Inzidenz in Wahrheit unnötig ist, kann man sich zwar denken oder zusammenreimen, aber es steht so nicht drin in der Verordnung. Denn dem Wortlaut nach hat ein Test definitiv stattzufinden, nur eben gemäß einer Regel, die an anderer Stelle steht. Das Ob wäre folglich nicht die Frage, nur das Wie.
Dass ein Test, der gar nicht gemacht wird, weil er nicht gemacht werden muss, als Test im Sinne des Gesetzes anzusehen ist, darauf muss man als Nichtjurist und Nichtbürokrat erst mal kommen. (Vielleicht liegt hier ein Schrödinger’scher Dualismus vor, Sie wissen schon, das mit der Katze, von der man nicht wissen kann, ob sie lebt oder tot ist.) Und deshalb war die Leitung des Altenheims, in dem meine Mutter lebt, auch ebenso verunsichert wie ich.
Das praktische Problem: Im Heim kann man sich testen lassen, aber nur an bestimmten Wochentagen zu bestimmten Tageszeiten. Zudem waren die Negativtests kürzlich erst – bei sinkender Inzidenz – mit einem drastisch verschärften Verfallsdatum versehen worden: Statt 48 Stunden durften sie höchstens 24 Stunden alt sein. Vor einem halben Jahr durfte ein PCR-Test sogar 72 Stunden her sein. Zu den Absurditäten gehörte, dass das Rote Kreuz, das die Tests vornahm, die Uhrzeit gar nicht auf dem Wisch vermerkte, den man mitbekam. Seine längst vollständig geimpften (!) Angehörigen konnte man bis dato also nicht spontan besuchen (Wetter ist schön, also Mutti zum Spaziergang abholen), sondern nur mit Planung, offizieller Terminvereinbarung während der Dienstzeiten der Verwaltung und entsprechendem Vorlauf. Klar ist, dass ein Altenheim auf diesen Aufwand zwar gerne verzichtet, aber auf keinen Fall in die Haftung kommen möchte.
Wegen dieser unsicheren Rechtslage habe ich im Ministerium nachgefragt und eine Antwort bekommen, die ich nicht anders zu deuten vermag, als dass die Angehörigen bis auf weiteres (also Inzidenz unter 50) auch ohne Testbefund zu den Bewohnern dürfen. Das liest sich auf Amtsdeutsch so:
„Der Beschluss des Ministerrats, wonach in Regionen mit einer 7-Tage-Inzidenz unter 50 für Besucher von Alten- und Pflegeheimen keine Testpflicht gelten soll, wurde mit der mit der 13. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (13. BayIfSMV) umgesetzt. Zwar ist in § 11 Abs. 2 Nr. 1 13. BayIfSMV kein Grenzwert benannt. Der Inzidenz-Grenzwert von 50 folgt hier jedoch aus der in der Verordnung vorangestellten Bestimmung des § 4 Nr. 2 13. BayIfSMV. Danach sind Testnachweise für Besucher nur in Landkreisen und kreisfreien Städten erforderlich, in denen eine 7-Tage-Inzidenz von 50 überschritten wird, soweit nicht ausdrücklich anderes angeordnet ist.“
Ich würde empfehlen, dies vorsorglich auszudrucken und beim Altenheimbesuch mitzunehmen, für den Fall, dass die Leitung des jeweiligen Hauses noch auf das Rechtsgutachten des Justiziariats des Trägers der Einrichtung wartet.
Die gute Nachricht für die Ehrenamtlichen: Wenn es in den kommenden Tagen so warm wird wie angekündigt, brauchen sie nicht mehr in ihren weißen Schutzanzügen zu brüten, die nach menschlichem Ermessen schon vor Wochen so überflüssig waren wie ein Kropf: Von den Untersuchten ging im Testraum des Altenheims keine größere Gefahr aus als in der Supermarktschlange von irgendwem, der mit unter der Nase hängender Maske hinter einem stand. Eine gut sitzende Atemmaske und Handschuhe hätten es auch getan.
P.S.: Eine gute Nachricht ist auch, dass man sich nicht mehr ordnungswidrig verhält, wenn man beim Gespräch mit der schwerhörigen Oma die Maske abnimmt, damit sie einen versteht. Und jetzt hoffen wir mal, dass alle noch ungeimpften Mitbürger und Mitbürgerinnen nicht wieder leichtsinnig werden, also die ganze Scheiße nicht in die nächste Runde geht.
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