Einschreitungen

Da ich aus aktuellem Anlass wieder ständig mit dem Wort „Ausschreitungen“ konfrontiert werde, muss ich jetzt doch mal dagegen einschreiten. Dieser Begriff ist nicht nur furchtbar altertümelnd. Er impliziert auch die Prämisse, es sei Pflicht des Bürgers, wie ein braver Soldat in Reih‘ und Glied voranzuschreiten.  Wehe dem, der aus der Reihe tanzt, der aus ihr herausschreitet!

Wer als Journalist von „Ausschreitungen“ schreibt oder spricht, denkt zu wenig über den Sinn seines Berufs nach. Unsere Maßstäbe sind nicht die des Obrigkeitsstaats, unsere Sprache ist nicht das Amtsdeutsche!

Also nennen wir das, was in England passiert, beim Namen! Es sind Krawalle, Plünderungen, Brandstiftungen, Randale, Gewalttaten.

Gleitzeichig

Wenn die Staatsanwaltschaft die Polizei zwecks Razzia zu mehreren Verdächtigen an mehreren Orten schickt, was ist dann wichtig, damit kein Halunke einen anderen warnen kann? Dass die Durchsuchung überall exakt gleich lange dauert, egal wann sie begonnen hat? Also so, wie es das Handelsblatt schreibt?

Am Dienstag durchsuchten die Wettbewerbshüter zeitgleich neun Hersteller und Händler von Matratzen.

Oder  legen die Fahnder nicht vielleicht doch Wert darauf, dass die einzelnen Razzien alle zur gleichen Zeit stattfinden, also simultan?

Okay, Latein ist unzumutbar. Aber auch die deutsche Sprache hatte für solche Fälle mal ein Wort. Es hieß

gleichzeitig.

Leider steht es in praktisch allen deutschen Redaktionen auf dem Index. Die Kollegen DÜRFEN es nicht mehr benutzen. Wahrschweinlich gilt es als Schweinkram. Nach langjähriger empirischer Beobachtung und detektivischer Kleinarbeit bin ich jedenfalls zu dem Schluss gelangt, dass die Rechtschreibkorrekturprogramme alle so eingestellt sind:

Für den Fall, dass Sie das Wort genauso sehr vermissen wie ich, habe Ihnen ein paar Exemplare gerettet. Sie dürfen sich gerne eines davon kostenlos ausleihen. Bitte sehr:

Gleichzeitig gleichzeitig gleichzeitig gleichzeitig gleichzeitig gleichzeitig gleichzeitig gleichzeitig gleichzeitig gleichzeitig gleichzeitig gleichzeitig gleichzeitig gleichzeitig gleichzeitig gleichzeitig gleichzeitig gleichzeitig gleichzeitig gleichzeitig gleichzeitig gleichzeitig gleichzeitig gleichzeitig gleichzeitig gleichzeitig gleichzeitig gleichzeitig gleichzeitig gleichzeitig gleichzeitig gleichzeitig gleichzeitig gleichzeitig gleichzeitig

Irreführungsungeeignet?

Deutsche Sprache, schwere Sprache: Das Tiefkühlprodukt „iglo Country Chicken“ kommt laut Verpackungsaufdruck „mit 100 % marinierter Hähnchenbrust“ daher. Ist doch klar, was das heißt, oder? Nein, Ihnen nicht?

In einer Antwort an die Verbraucherzentrale Hessen bedauert stellt die (eingefügt:) frühere Unilever-Tochter iglo GmbH fest, sie halte besagten, auf einem „Störer“ zu lesenden Hinweis nicht für „irreführungsgeeignet“. Nach meinem Sprachverständnis bedeutet das: Wenn Cptn. Iglo seine Kunden nicht verstören, sondern richtig geschickt und vor allem erfolgreich hinters Licht führen will, muss er noch ein bisschen üben.  „Irreführungsungeeignet?“ weiterlesen

Vorsicht, Raumfähre nicht zu heiß bügeln!

„Nasa untersucht beschädigtes Hitzeschild“

aus dem Handelsblatt; seit dem 21. Mai hat’s keiner bemerkt.

Was will uns die Autorin sagen?

„Noch vor 20 Jahren wurden Hühnchen in Deutschland im Ganzen verkauft. Heute wird das Huhn in Teile zerlegt. Brust und Keule werden verzehrt… Der Rest – Hals, Innereien, Schenkel – können hierzulande kaum noch verkauft werden.“

Süddeutsche Zeitung, 23.5.2011, „Die Reste für Afrika“

Vom falschen Plural einmal abgesehen: Hühnerbrust und Hähnchenschenkel waren auch 1991 schon im Handel, ganze Poularden sind immer noch zu haben. Und was bitte soll der Unterschied zwischen Schenkel und Keule sein?

„urbanes Liftsystem in der Favela“

Süddeutsche Zeitung, 21.5.2011, „Im Anfang war der Lehm“

Bei diesem gut gemeinten Beitrag über Architekten in der Dritten Welt fiel der Redaktion wohl gerade das Wort „Seilbahn“ nicht ein, oder es war ihr zu simpel und verständlich. Die dazu abgebildete Favela in Caracas ist übrigens weder in sprachlicher noch in städtebaulicher Hinsicht eine Favela, „Was will uns die Autorin sagen?“ weiterlesen