Potemkin im Mediendorf

Als dieser Beitrag in der November-Ausgabe des Journalist erschien, war er schon nicht mehr aktuell. Still und leise hatten die Gründer des DFJV e.V. dessen Ende und die Gründung einer gleichnamigen Aktiengesellschaft eingefädelt. Trotz seiner Obsoleszenz bezüglich des eigentlichen Themas stelle ich den Text zu dokumentarischen Zwecken unter seinem ursprünglichen Erscheinungsdatum in die Zeitreihe meiner Wortpresse. Interessant daran ist bis heute das Meta-Thema: dass auch bekannte Persönlichkeiten der Medienbranche sich manchmal von Potemkinschen Fassaden und Köpenicker Uniformen blenden lassen.

Die Namen der Akteure habe ich grundsätzlich abgekürzt (wer sie kennen will, kennt sie inzwischen eh, sie stehen auch anderswo in diesem Blog). Bewusst ausgenommen davon sind die A-Prominenten, jene Personen der Zeitgeschichte, die sich vor den PR-Karren des DFJV spannen ließen.

„ETWAS MIT MEDIEN“ ZU MACHEN IST EIN BELIEBTES MOTIV; AUSBILDUNG, FACHKONGRESSE UND PREISVERGABEN SIND EIN MAGNET. EINIGE JUNGE BERLINER HABEN EINEN VEREIN GEGRÜNDET – UND ZEIGEN, WIE LEICHT ES IST, MIT EINER GESCHICKT GESTALTETEN FASSADE UND BEDIENTER EITELKEIT HOCHKARÄTIGE MEDIENPROFIS ZU GEWINNEN.

Selbst die fähigsten Fachjournalisten des Landes hatten nicht den Hauch einer Chance gegen die (künftige Ex-) Queen des Polit-Talks, ja: Sie kamen nicht einmal in die engere Wahl. Auf dem Deutschen Fachjournalisten-Kongress 2006 in Berlin erhielt Sabine Christiansen im September den „Deutschen Fachjournalistenpreis“. Von dessen Existenz hatte die Fachwelt erst wenige Wochen zuvor erfahren. Vielleicht hätten sich einige der angeblich fast 7.000 Mitglieder des Deutschen Fachjournalisten-Verbandes (DFJV) gerne beworben. Aber eine Ausschreibung gab es nicht.

Der vom DFJV-Führungszirkel vergebene Preis taucht nicht einmal in der „wohl umfassendsten Sammlung von Medien- und Journalistenpreisen“ auf, die der DFJV selbst ins Internet gestellt hat. Warum auch: Auf der Service-Seite stehen nur Wettbewerbe, bei denen es für die Sieger wirklich etwas zu holen gibt. Ein Preis, der mit warmen Worten plus Acrylglas-Trophäe dotiert ist, passt da nicht recht hinein. Auch wenn es der eigene ist.

Die Preisträgerin hat also nicht viel vom Deutschen Fachjournalistenpreis. Die um Prominenz bemühten Veranstalter dafür umso mehr. Denn die Geehrte erschien in der Tat persönlich im Hotel Estrel, um sich die Laudatio anzuhören. Die wurde von einer der wenigen Journalistinnen gehalten, die im Bundestag sitzen: Julia Klöckner, Winzertochter, ehemalige Religionslehrerin, Chefredakteurin des Verbandsblattes der Deutschen Sommelier-Union und Vorzeigefrau der rheinland-pfälzischen CDU. An bekannten Persönlichkeiten mangelte es auch auf den Kongress-Podien nicht: Matthias Prinz war da, Bodo Hombach, Christoph Keese, Kurt Weichler, Thomas Leif.

Welcher Organisation sie da die Ehre gaben, ahnten nicht viele der Ehrengäste oder der zahlenden Teilnehmer. Der „serviceorientierte Berufsverband“ für haupt- und nebenberufliche Fachjournalisten ist ein Verein, der schon in sehr unterschiedlichen Berufen Mitglieder geworben hat – von Volks- und Betriebswirten über Pressesprecher und Hochschullehrer bis zu Verkaufstrainern. Mit einer Mitgliedschaft im DFJV, die zwischen 65 und 130 Euro pro Jahr kostet, sind über den Anspruch auf den hauseigenen „Presseausweis“ hinaus kaum Rechte verbunden. Über Posten mit wohlklingenden Titeln entscheidet eine Handvoll Funktionäre; einer Mitgliederversammlung bedarf es nicht. Die Satzung ist konsequent darauf getrimmt, jedwede Einmischung von Beitragszahlern in die Verwendung ihres Geldes durch den DFJV zu vermeiden.

Die Leute, die diesen Verein aufgebaut haben, sind alles andere als dumm. Gelernte oder hauptberufliche Journalisten allerdings sind nicht darunter. Ein gemeinsamer Nenner der wichtigsten Beteiligten liegt eher im Kaufmännisch-Unternehmerischen. Wer sich näher mit dem engsten Kreis der Aktiven befasst, stößt jedenfalls rasch auf ein Dickicht aus Kleinfirmen und Vereinen, deren Verhältnis zueinander sich dem Au8enslchenclen nicht völlig erschließt. In der Summe aber ergeben die Details das Bild einer eingeschworenen Truppe, die genau durchschaut hat, wie man im Zeitalter von Internet und Public Relations mit geringem Aufwand große Wirkung erzielt.

Die Geschichte des DFJV reicht zurück bis zum 3. November 1997. An diesem Tag gründen sieben Personen in Berlin den Allgemeinen Journalisten- und Medienclub (AJM), der erst am 10. Februar 1998 ins Vereinsregister eingetragen wird. Am 18. Oktober 1999 bekommt die Organisation ihren heutigen Namen. Viele Fäden laufen bis heute bei zwei Gründungsmitgliedern zusammen.

Einer ist der inzwischen 27-jährige Diplom-Kaufmann René Te., der über seine Firma Viosign KG den Fachjournalistenkongress organisiert hat und bis Mai 2006 als Pressesprecher des DFJV fungierte. Der andere heißt Victor A. Ti., ist ebenfalls Diplom-Kaufmann und Geschäftsführer der mit dem DFJV eng verbandelten DFJS Deutsche Fachjournalistenschule GmbH, die wiederum einer von Ti. gegründeten Firma namens Nestor Assets GmbH gehört.

In den Anfangsjahren entfalten Te. und der ein Jahr ältere Ti., der damals noch Alexander Ralf C. hieß, diverse Aktivitäten. Bereits Wochen nach der Registrierung des AJM bekommen sie Ärger, weil sie mit selbst gestalteten „Presseausweisen“ auf den Markt gegangen sind, die allzu sehr dem bundeseinheitlichen Ausweis ähnelten. Te., der als Vorstand zeichnet, und C., der als „Vorsitzender e.h.“ unterschreibt, rudern zunächst zurück. Im folgenden Jahr fangen sie sich eine Abmahnung durch den Deutschen Schutzverband gegen Wirtschaftskriminalität ein, weil sie einen „kostenlosen Presseausweis“ beworben haben, der mit einer beitragspflichtigen Mitgliedschaft verbunden gewesen wäre.Von 1999 an gründen C. und Te. mehrere Firmen, die nicht lange unter denselben Namen am selben Ort bleiben: die General Verlag Cie. KG, die General Learning GmbH, die Success College KG. Während der DFJV im Dornröschenschlaf liegt, gründen die Diplom-Kaufleute in spe gemeinsam mit AJM-Mitbegründer Andreas K. und einem Banker den Deutschen Manager-Verband e.V. (DMV) und legen sich dafür eine repräsentative Adresse zu: in einem Büropalast mit dem klingenden Namen „Internationales Handelszentrum“ an der Friedrichstraße in Berlin.

Im Laufe der Zeit wird aus General Learning zunächst die Vermögensverwaltungsfirma General Assets Holding, dann eine Mercatorius Media GmbH, schließlich der Nestor Verlag; das Success College wird zur Viosign KG, der DMV zur Deutschen Gesellschaft für Unternehmensführung (DeGUf), aus Alex C. wird Victor Ti.. Als Verleger gründet C./Ti. die Mitgliedsblätter „Manager-Report“ und „Fachjournalist“.Diese Erfahrungen und die feine Adresse nutzt das Duo bald, um den dümpelnden DFJV in Schwung zu bringen. Er operiert spätestens ab 2003 offiziell von Berlin-Mitte aus – sei es als Untermieter des Manager-Clubs, sei es über einen im Haus ansässigen Büroservice. Zum anderen bauen sie nun systematisch Kontakte auf zu Autoren journalistischer Lehrbücher und zu einem Fachverlag in Konstanz. Sie sprechen die Journalistenausbilder Gabriele H., Gabriele G.-M. und Walther von L. in München an, Beatrice D. in Bremen, Winfried G. in Berlin. 2004 erscheint das Buch „Fachjournalismus“, dessen einleitenden Artikel über „Qualifikationen und Profile von Fachjournalislen“ der Diplom-Kaufmann Ti. und der BWL-Student René Te. schreiben. Nur von L. sagt ab.

Mit diesem Portfolio renommierter Namen – und dem Cover des Buchs als Werbefläche für den kaum bekannten Verein – hat Ti. die Basis gelegt für die Gründung zweier neuer Firmen: der Nestor Assets GmbH und ihrer Tochter DFJS Deutsche Fachjournalistenschule GmbH. Hinter diesem Namen verbirgt sich freilich keine Präsenzschule, sondern ein Fernlehrinstitut. Die Autoren des Buchs und des Mitgliederhefts „Fachjournalist“ bekommen Angebote, Lerneinheiten zu verfassen und die Teleschüler als „Tutoren“ zu betreuen. Der imposante akademische Jargon geht so weit, dass sich Geschäftsführer Ti. nun „Rektor“ nennt. Die Synergien liegen auf der Hand: Die Mitglieder des Vereins, der sich als „Initiator“ der DFJS vorstellt, können Kurse buchen, Kursteilnehmer wiederum Mitglied werden.

Te., inzwischen diplomiert, konzentriert sich derweil auf die Planung des ersten Kongresses, bei dessen Vorbereitung ihm zugute kommt, dass er und seine Mitstreiter im Herbst 2005 durch cleveres Namedropping einen so genannten „Fachbeirat“ zusammenstellen konnten. Mit einer professionellen Website im Hintergrund gelingt es ihm, Leute wie Hombach, Prinz, Leif und andere davon zu überzeugen, dass es sich beim DFJV um einen armen, aber unterstützenswerten Verband handelt.Dass der Verband überhaupt der Ausrichter des Kongresses war, hat er nie explizit gesagt; alles Organisatorische lag in den Händen von Te. und seiner Firma Viosign. Nicht nur bei Te. ist häufig unklar, wann er gerade welchen Hut trägt. Manuela F., bis dato Vorstandsvorsitzende des DFJV, zeichnete augenscheinlich nach dem Abitur 2002 als Volontärin in Ti.s Verlag presserechtlich verantwortlich für den „Fachjournalist“ und trat unmittelbar danach in die „Prüfungskommission“ seiner Schule ein; Anfang 2006 wurde sie Leiterin dieser Kommission.

Einer von F.s beiden Stellvertretern, Velten W., bekleidete, bevor er zum DFJV stieß, den Vize-Posten im Managerverband DMV – beides ungewöhnliche Ehrenämter für den Mann mit MBA-Abschluss einer australischen Fernuni, der inzwischen als Kulturamtsleiter einer schwäbischen Kleinstadt arbeitet. Der andere Stellvertreter, der 25-jährige Werbekaufmann Gerd Oliver Graf von W.-S. geb. Winkler, ist ebenso vielseitig – als Inhaber einer Bozener Unternehmensgruppe, die aus zwei britischen Briefkastenfirmen besteht, und Gründer des Vereins Europäische Konsumentenvereinigung Tabakwaren.

Ein sehr umtriebiges Umfeld kennzeichnet den DFJV. Professor Siegfried Q. stört sich nicht daran. Den emeritierten Medienhistoriker aus Gießen reizen die Möglichkeiten, für Deutschlands Fachjournalisten etwas zu tun. Er hat sich bereiterklärt, bei der anstehenden Strukturveränderung des DFJV – zu der auch ein größeres personelles Revirement gehört – die Rolle eines Präsidiumsmitglieds zu übernehmen.

Die neue Satzung sieht ein langwieriges Procedere bei der Besetzung von Gremien vor. Gleichwohl scheint jemand aus dem Off Fakten geschaffen zu haben: Der Vorstand ist von der Website verschwunden und durch das Präsidium ersetzt. Q. fungiert demnach bereits als eines von drei Mitgliedern dieses Präsidiums – neben Kulturamtsleiter Wagner und dem Flensburger Medienmanagement-Professor Mike F.. Als „Präsidiumssprecher“ – in der neuen Vereinsstruktur gleichbedeutend mit Geschäftsführer und Vorsitzendem in Personalunion – zeichnet Thomas D. (32), der im Juli seinen Job als Pressesprecher des Vereins antrat.

Mike F., bislang als „Vorstandsbeisitzer“ geführt, war hörbar irritiert, dass die Website schon geändert ist. Er habe zwar gegenüber Dreesen sein prinzipielles Interesse an einer Mitarbeit bekundet, mehr aber nicht, da er sich zunächst mit seiner Kollegin Beatrice D. beraten wollte. Deren Name steht im Web unter „Beirat“, obwohl ein solches Gremium in der neuen Satzung nicht vorkommt. Doch damit kann Dernbach gut leben; der DFJV sei eben kein klassischer Verband.

erschienen in: journalist 11/2006

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