qualitätSZeitung?

Kollegen niedermachen will ich eigentlich nicht. Als zahlendem Abonnenten sträuben sich mir allerdings manchmal dermaßen die Nackenhaare, dass ich nicht anders kann, als zu meckern — zumal ich als Freund des Printmediums und der Tageszeitung es für geboten halte, konstruktive Kritik zu üben, schon allein damit nicht jene Blogger recht bekommen, die meinen, uns von der Holzpresse pauschal für obsolet erklären zu müssen.

Natürlich könnte ich meine Kontakte nutzen und meine Kritik unter Ausschluss der Öffentlichkeit der Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung mitteilen. Das nützt nur leider nix: Der berühmte Kollege aus meiner Lehrredaktion würde mir zwar antworten, sich aber schützend vor seine Mitarbeiter stellen, wie ein guter Chef das eben tut. Leider hätte er nicht die Mittel, ein paar mehr gute Redakteure einzustellen, um wieder die qualitätSZeitung zu produzieren, die die SZ mal war und die uns Abonnenten eigentlich zustünde, die wir Jahr für Jahr mehr Geld überweisen.

Also sei hier festgehalten: Das Feuilleton ist zu unterbesetzt, um auch nur die Aufmacherseite ihres Buchs in konstanter Qualität zu produzieren. So kommt es vor, dass Autoren und Redakteure sich selbst und ihr Blatt mit peinlichen Ausrutschern blamieren, die absolut vermeidbar wären. Da erscheinen Beiträge, denen man den unbedingten Willen anmerkt, sachkundig zu erscheinen, ohne dass das Hintergrundwissen und die Allgemeinbildung der schreibenden und/oder redigierenden Kollegen oder Kolleginnen diese Selbsteinschätzung rechtfertigen würden.

Beispiel 1: Kriegsfotografie

Vor ein paar Wochen erschien ein interessantes Stück über deutsche Kunsthistoriker, die im 2. Weltkrieg Kunstschätze im besetzten Italien fotografieren ließen. Nicht nur einmal lässt die Autorin die Fotografen dabei „zoomen“. Hätte die Kollegin nicht nur Ahnung von Kunstgeschichte (was ich als Laie auf diesem Gebiet zu ihren Gunsten unterstelle), sondern auch von Technikgeschichte, hätte sie das Wort wohl nicht verwendet. Die Leicas und Rolleiflexe, die damals Stand der Technik waren, hatten Festbrennweiten; Zooms kamen erst Ende der 50er Jahre auf und setzten sich etwa ab 1970 durch. Die Fotografen der Nazizeit haben also entweder ein Tele auf ihre Leica montiert oder sie sind näher rangegangen: Bei der zweiäugigen Rolleiflex waren die Objektive nicht einmal auswechselbar. Die Perspektive der gezeigten Fotos spricht denn auch eher für eine Normalbrennweite als für ein starkes Tele.

Beispiel 2: Braun’sches Design

Heute lässt sich dieselbe Kollegin über den Designer Dieter Rams aus, besser gesagt über eine Ausstellung seiner Werke. Der Showstopper in diesem Text ist der Satz:

„Seit Gründung der Firma 1921 setzte der Hersteller von elektronischen Haushaltsgeräten auf moderne Technik.“

Gute Frau, Sie wissen nicht, was Elektronik ist und was Elektrik? Haben Sie noch nie von Weißer und Brauner Ware gehört, von Elektrokleingeräten und Unterhaltungselektronik? Das sollte man, wenn man über ein Unternehmen wie Braun schreibt.

„Haushaltsgeräte“ stehen in der Küche oder Waschküche. Da Waschmaschinen und Kühlschränke stets weiß waren, bürgerte sich für diese elektrischen Geräte, die früher ohne Elektronik auskamen, der Gattungsname Weiße Ware ein. Die Haushaltsgeräte, mit denen Braun berühmt wurde — Rasierer, Kaffeemaschinen, Rührwerke, Bügeleisen, Zahnbürsten — sind elektromechanische oder elektrothermische Kleingeräte, an denen das in den 70ern aufkommende Kontrolllämpchen das erste Bauteil war, das man mit zwei zugekniffenen Augen als elektronisch bezeichnen konnte.

Die Plattenspieler von Braun gehörten dagegen, auch wenn sie nur Braun hießen und gar nicht braun waren, zur Braunen Ware — dies ist das gängige Synonym für Unterhaltungselektronik. Elektronisch waren an diesen analogen Musikgeräten aber auch nur die Verstärker mit ihren Röhren, Kondensatoren und Transistoren.

Nicht dass es eine Katastrophe wäre, dass einer Feuilletonistin dieser Hintergrund fehlt. Sie kennt immerhin den Begriff „Plattenspieler“. Das hebt sie ab von vollends ahnungslosen Kollegen, die sich unter Begriffen wie „Wählscheibe“, „Tonband“ und „Kugelkopfschreibmaschine“ nichts vorstellen können. Es darf halt nur nicht sein, dass ihr im Brustton der Kennerschaft vorgetragenes Halbwissen es unredigiert ins Blatt schafft.

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