Apples Schandtaten wichtiger als die Assads

Die mildernden Umstände zuerst: Der Mantelteil der Osterausgabe der Süddeutschen Zeitung mit Triple-Datum „23./24./25. April 2011“ wurde von der am Karfreitag diensthabenden Stallwache produziert. Der Großteil der Redaktion dürfte frei gehabt haben, denn die Feiertagszuschläge zahlt ein Verleger nicht an mehr Mitarbeiter als unbedingt nötig.

Diejenigen, die Dienst schoben, fanden die bereits am Gründonnerstag eingelaufene Nachricht, dass das iPhone die für Location-based Marketing benötigten GPS-Daten auf fragwürdige Weise speichert, noch aktuell und wichtig genug, um sie den Abonnenten am Karsamstag als Seite-1-Aufmacher vorzusetzen:

„Apple entsetzt weltweit seine Kunden“

Kühne Behauptung auf S. 1 der Oster-SZ. War denn am Karfreitag nichts Empörenderes passiert auf der Welt?

Die vom Freitag stammende Nachricht, dass der syrische Diktator Baschar al-Assad Demonstranten hat massakrieren lassen, schoben sie unter den Bruch (das ist die Stelle, an der die Zeitung gefaltet ist). Und weil direkt unter dem Bruch immer die „Bauchbinde“ steht, die zum Genre der unterhaltsamen Soft News zählt (in der Osterausgabe „Vaclav klaut“ über Präsident Klaus‘ diebische Freude an einem chilenischen Füller), rutschten Assads Opfer sogar ganz nach unten, als solle sie der Leser prioritätenmäßig unter „ferner liefen“ verbuchen.

Dumm nur, dass zum Zeitpunkt des Erscheinens die Diskussion über das Apple-Thema zumindest online schon so weit fortgeschritten war, dass jeder Smartphone-Besitzer wissen konnte, dass nicht nur Apple sich kritikwürdig verhalten hat, sondern zum Beispiel auch Android-Anbieter Google. Kurzum: Das Datenschutz-Thema hätte wunderbar in die Bauchbinde gepasst, als Seitenhieb auf die Unbedarftheit der Post-Privacy-Spacken unter den Digital Na(t)ives, die sich nicht darum scheren, auf welche Vorratsdatenspeicherung sie sich einlassen. (Die Sache mit Vaclav Klaus stammte doch wohl, mit Verlaub, aus den Abgründen des Stehsatzes.)

Vielleicht will man die Leser nicht ausgerechnet zu Ostern mit der Leidensgeschichte im Hier und Jetzt sterbender Mitmenschen aus Nahost belästigen?

Ich frage mich gerade, wie Jesus diese Zeitungsseite gefunden hätte.

Sie sind der oder die 2511. Leser/in dieses Beitrags.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert