Was noch mehr gelitten hat in den letzten Wochen als die Gesundheit der Deutschen ist die ihres Menschenverstandes. Den kann man nach alledem, was da gedruckt und gesendet wurde, nur als schwer infiziert betrachten.
Der späte Ruf nach der Kripo lässt immerhin hoffen, dass die Denkapparate wieder ihre Funktion aufnehmen. Na endlich! Was war denn bitte so ungewöhnlich an der Idee, bei einem gravierenden Tötungsdelikt die Polizei zu rufen?
Es handelt sich um fahrlässige Tötung in mehr als 20 Fällen und schwere Körperverletzung in Hunderten Fällen. Der eigentliche Serienkiller ist zwar ein Bakterium, aber er findet seine Opfer durch Menschen, die Spuren hinterlassen. Das war daher ganz klar ein Fall für die „Spusi“, die Spezialisten von der Spurensicherung, und für gestandene Kriminalisten. Deren Job besteht ja erst in zweiter Linie darin, die Täter dem Staatsanwalt zu übergeben. Ihre oberste Aufgabe besteht darin, die Bürger zu schützen und weitere Todesfälle zu verhindern. Die Unterstellung, dass Landeskriminalämter dies noch schlechter machen würden als die Lebensmittelaufseher, kann man getrost als grundlose Verunglimpfung der Polizisten ansehen.
Die Indizien, dass Sprossen aus Bienenbüttel verseucht waren, sind wenn nicht von Kriminalern, so aber doch mit kriminalistischem Spürsinn entdeckt worden – und nicht vom mikrobiologischen Labor. Dass man Wochen später im Betrieb nichts mehr von der tödlichen Ware gefunden hat, war eigentlich zu erwarten: Natürlich desinfizieren solche Höfe ihre Gerätschaften und Behälter, bevor eine neue Charge gezogen wird. Sie tun das nicht, um Spuren zu verwischen, sondern weil es Routine ist. Den Hof zu schließen, war denn auch nur ein ritualisierter Tribut an den durch die Reporter repräsentierten Volkszorn. Allerdings könnte der Betrieb auch dann nichts mehr verkaufen, wenn die Behörden ihn nicht dicht gemacht hätten. Den geschädigten Salat-, Tomaten- und Gurkenbauern hilft diese Aktion jedenfalls nicht.
Dass immer noch vor den Hauptzutaten der Salatbars gewarnt wird, nur weil auch Personen erkrankt sind, die in der Kantine gar keine Sprossen genommen haben, ist grotesk. Wer sich je am Salatbüffet bedient hat, weiß, dass die Gäste das Besteck nicht immer in der Schüssel zurücklassen, in der sie es vorgefunden haben. So kommt Sprossen-Ehec auf die Tomaten- und Gurkenscheiben. Aber diese Erklärung ist wohl zu einfach und naheliegend. Sonst käme am Ende noch jemand auf die Idee, einfach nur die kulinarische Selbstbedienung durch die oft recht ferkelhaften Gäste zu verbieten.
Bleibt noch die Frage, wie die Erreger in die Sprossenzuchttrommeln geraten sind. Was ist zum Beispiel, wenn jemand vom Personal einen Angehörigen hat, der im Kuhstall arbeitet? Vielleicht können ja auch Fliegen, die sich an frischem Kuhdung gelabt haben, hineingeraten sein. Die Kühe müssen nicht einmal in unmittelbarer Nähe leben. Fliegen fahren, wie ich aus eigener Erfahrung weiß, schon mal ganz gerne ein paar Kilometer im Auto mit. Wenn man also den Erreger sucht, muss man bei den Kühen der Region anfangen – und dann ergeben sich vielleicht auch Spuren zum Gärtnerhof.
Dass Lebensmittelüberwacher für so eine Fahndung nicht ausgebildet sind, liegt auf der Hand. Eine Kripo, die sogar Mörder an Genspuren auf Zigarettenstummeln erkennt, die kann so was.
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Wobei die Kripo sicher eine alte Lektion aus dem Biounterricht im Kopf behalten hat:
„Wie betäubt man ein Bakterium?“
„Na man haut ihm mit dem Hammer auf den Kopf!“
(wie das mit den Handschellen funktioniert, erzähle ich dann morgen…)