Der pressw0rds-Kolibri schlägt wieder mit den Flügeln

Als ich die brandeins-Story „Kurzschluss“ über die obskure Batteriefirma DBM Energy recherchierte, war eine der zu beobachtenden Quellen ein anonym geführtes Blog namens pressw0rds. Von dort erhalte ich nach wie vor eine E-Mail, wenn ein neue Beitrag gepostet wird.

Gestern kamen zwei Nachrichten:

1.     Kolibri Akku und Raywaver

Die Firma Raywaver International bietet den Kolibri Akku in Kombination mit Ihrer Raywaver Vertikal-Kleinwindkraftanlage an (deutsch /english)…

Demnach wäre der rätselhafte Akku aus dem abgefackelten Audi A2 electric jetzt als Zubehör eines alternativen Energieprodukts lieferbar. Raywaver sagte mir nichts, aber ich schaute auf der Website nach – und entdeckte nichts zu dem Akku. Google meldet eine im Januar 2013 erstellte PDF als einzigen Treffer für die Kombination Kolibri und Raywaver. Das Dokument findet sich bei einem deutschen Unternehmer namens Dieter Müller, dessen spanische Firma mit kleinen deutschen Beteiligungsgesellschaften verbandelt ist, die auch keiner kennt, die auch schon lange keine Bilanzen mehr an den elektronischen Bundesanzeiger geschickt haben und zuletzt offenbar von einem Berliner Rechtsanwalt treuhänderisch geführt wurden. 

2.     WINAICO bietet Kolibri Speicher an

Seit dem 03.07.2013 hat der Photovoltaik Modulhersteller WINAICO Kolibri Speicher im Programm. Die Daten des Akkus sind die Gleichen wie bei RAYWAVER. Das Speichersystem in den Leistungsklassen 6, 9, 10, 21 und 42 kWh ist angeblich sofort verfügbar. Mehr Details enthält das Datenblatt. Hier die Pressemeldung im Detail (english). Vielen Dank nochmal an die Pressw0rdsleser Newschater und Hindrik Keen für den Hinweis.

Auffällig ist daran auf den ersten Blick, dass die Firmennamen in VERSALIEN geschrieben sind, wie es nur in PR-Verlautbarungen unprofessionell arbeitender Agenturen üblich ist. Nun, so klein und unbekannt, wie die beiden Firmen sind, können sie PR sicherlich gut gebrauchen.

Auf den zweiten Blick merkt der Kenner, dass das Wesentliche nicht in der Meldung steht: ob es sich wirklich um Lithium-Polymer-Akkus handelt, also um eine vergleichbare Technik wie im „Lekkermobil“ (Audi A2). Dies steht leider nicht einmal in den verlinkten Dokumenten der Anbieter.

Was bei Winaico steht, sind Gewicht und Batteriekapazität. Der größte Akku mit 42 kWh wiegt mitsamt seinem zwei Meter hohen Gehäuse 370 Kilo. Die Version mit 10,5 kWh, die im gleichen Schrank mit 60 mal 60 Zentimeter Grundfläche verbaut ist, wiegt 280 Kilo. Zwischen beiden Modellen liegt eines mit 21 kWh und 310 Kilo. Demnach brächten es die zusätzlichen Akkublöcke in den größeren Versionen auf 30 Kilo je 10,5 kWh. Die gravimetrische Energiedichte läge demnach bei 350 Wattstunden pro Kilogramm. Dies wäre nicht nur ein sensationeller Wert, er überträfe sogar die einst von der Kolibri-Vorläuferfirma DBM Energy behauptete Energiedichte. In der Fachwelt ist etwas derartiges als stabiles, kommerzielles Produkt bis dato nicht bekannt, schon gar nicht aus den Untersuchungen an Kolibri-Akkus, die DBM Energy nach dem Brand des Audi ausgewählten Forschungsanstalten zur Verfügung stellte (Dekra, Next Energy).

Völlig unklar bleibt zudem, warum für weniger als die Hälfte der Akkus, die einst den Audi antrieben, ein 250 Kilo schwerer Schrank mit einem Volumen von 720 Litern erforderlich sein sollte. (Mit mehr als 42 kWh lässt sich die Box ja offenbar nicht bestücken.)

WINAICO_Datenblatt_EnergyStorage

Die Akkus wären demzufolge zwar leicht, aber so voluminös, dass sie mitsamt dem Drumherum im Audi geschätzte 1,7 Kubikmeter beansprucht hätten.

Bei der kleineren Gehäuseversion ist das Missverhältnis noch absurder: Winaico bietet den Solarstrom-Speicher mit sechs und neun Kilowattstunden in einem 80 Zentimeter hohen Kompaktgehäuse an. Die zusätzlichen 50 Prozent Energie der stärkeren Ausführung erhöhen das Gesamtgewicht aber nur um fünf (von 220 auf 225) Kilo. Die Differenz deutet unzweifelhaft darauf hin, dass bei ausgebauten Akkus der 9-kWh-Speicher leichter sein muss als der scheinbar baugleiche 6-kWh-Speicher. Fünf Kilo für drei Kilowattstunden würden nämlich bedeuten, dass man 600 Wattstunden aus einem Kilo Akkus holen könnte – ein Ding der Unmöglichkeit.

Umkehrschluss: Wenn die Gewichtsdifferenz beim 80-Zentimeter-Kasten keine Rückschlüsse auf die Energiedichte der im Innern steckenden Batterien zulässt, warum sollte sie dann beim Zwei-Meter-Schrank aussagekräftiger sein? Ein Solar-Zwischenspeicher benötigt zwar im Gegensatz zu einem Gabelstapler (erste offizielle Anwendung von Kolibri-Akkus) keinen Ballast, aber zumindest die kleinste Ausführung muss welchen enthalten. Nur mal zum Vergleich: Der Audi hätte mit einer ähnlichen Konfiguration wie das 9-kWh-Modell über drei Kubikmeter Akkus (samt Elektrik) an Bord haben müssen.

Fazit: Theoretisch deuten die technischen Daten auf eine für den stationären Einsatz unnötig hohe (und wenig plausible) gravimetrische Energiedichte hin. Allerdings behauptet der Anbieter selbst nichts in dieser Richtung. Bei der Zwischenspeicherung von Solarstrom entscheidet nicht das Gewicht der Akkus über ihre Konkurrenzfähigkeit, sondern die Kosten, also Anschaffungspreis, Wartungsfreiheit und Lebensdauer. Letztlich handelt es sich bei den heute mit „Kolibri Alpha Polymer“ gebrandeten Akkus wie schon damals vor bald drei Jahren um Zellen unbekannter Chemie und Herkunft. Der Käufer, der sie sich ins Haus holt, geht also ein unkalkulierbares Risiko ein – einfach weil er nichts weiß und nichts erfährt.

Das ist alles derart dubios, dass ich mich mehr denn je frage, wer mit welchem Interesse hinter pressw0rds steht.

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3 Antworten auf „Der pressw0rds-Kolibri schlägt wieder mit den Flügeln“

  1. Habe gerade bei der Grünenergie-Jubel-Website Cleanthinking (klingt das nicht wie die Aufforderung, sein Denken von schmutzigen Einfällen zu säubern?) einen Text kommentiert, der wieder mal ein paar für die Meinungsbildung wichtige Fakten zu wenig enthielt:

    „Interessant wäre noch der Hinweis gewesen, wofür das Akronym BESIC steht – nämlich für „Batterie-Elektrische Schwerlastfahrzeuge im Intelligenten Containerterminalbetrieb“. Das ist Elektromobilität à la Papstar oder Doha Airport. Also nichts, was in irgendeiner Weise rechtfertigen würde, von einer weltbewegend innovativen Technik zu sprechen.

    Ich warte immer noch darauf, dass ein neutraler Experte offenlegt, was für Zellen in den Dingern wirklich stecken, wer sie wo herstellt und worin der Beitrag der Kolibri Power Systems AG besteht. Diese Firma hat bis heute nichts ansatzweise Konkretes über das chemische Innenleben der angeblichen Innovation herausgelassen. „Feststoff“ – das muss reichen.

    Nicht einmal die Existenz eines eigenen Forschungslabors ist nachgewiesen. Irgendwo wird wohl irgendwas produziert – was heißen kann, dass man Gehäuse selber baut, in die man zugekaufte Zellen steckt. Ob der Output so groß ist, dass man von einer Kleinserienfertigung sprechen könnte? Dazu gibt es keine Daten.

    Interessant ist auch, welches Personal man bei LinkedIn und Xing findet: Neben Helmuth von Grolman und dem in den Aufsichtsrat zurückgetretenen Co-Vorstand Burghard von Westerholt sind das ein junger Verkäufer, der von Winaico kommt, ein ebenfalls beruflich noch unerfahrener Mechatroniker, ein weiterer Produktionsmensch in Frankfurt/Oder (!) sowie eine Sekretärin in Grolmans Frankfurter Büro. Ende Gelände. Will sagen: Es gibt offensichtlich keine Firmenpolicy, die es den Mitarbeitern untersagen würde, sich in Karrierenetzen anzumelden, und trotzdem findet man nicht einen einzigen Entwickler oder Ingenieur, geschweige denn jemanden mit einschlägiger, womöglich längerer Branchenerfahrung.

    Sollte es solche Leute bei Kolibri wirklich geben, warum trauen sie sich dann nicht, zuzugeben, für wen sie arbeiten? Und warum findet man nichts über Auftritte von Kolibristen auf Kongressen, Messen und anderen Fachveranstaltungen? Jedes Technik-Unternehmen, das auch nur ein bisschen auf sich hält, zeigt Präsenz und schickt seine Leute hinaus in die Welt.

    Nur eins muss man denen lassen: Sie kriegen jemanden wie Brigitte Zypries für ein Foto – trotz der unrühmlichen Vorgeschichte mit den Selbstdarstellern von der FDP-Gott-hab-sie-selig. Wenn man sich mit den Posiergewohnheiten dieser Dame ein wenig befasst hat, ist das allerdings auch wieder nicht erstaunlich.“

  2. Soweit ich diesen Text und das Prospekt lesen konnte ist außer der Batterie, dem robusten Gehäuse auch noch ein/drei Wechselrichter verbaut, was das höhere Gewicht erklären würde. Habe natürlich Verständnis, dass Reporter von Natur aus in neuen Techniken ahnungslos sind, aber dann sollten sie nicht noch so einen Unsinn selbst ausrechnen und dann das ganze supergescheid als Fakt für die Leser so hinstellen, als ob sie das Datenblatt gelesen hätten, ist schon etwas anmaßend

    1. Sie erwarten sicher nicht, dass ich Anmerkungen eines „Grafen Schlaumeier“ per se für fundiert und qualifiziert halte. Wie wäre es denn, wenn Sie mal genau und nachvollziehbar vorrechnen würden, wie die Rechnung Ihrer Meinung nach aufgeht? Wie groß und schwer sind die Wechselrichter? Und ist es nicht so, dass in dem Schaubild des Datenblatts der Wechselrichter an der Wand hängt, also NICHT im Gehäuse steckt? Vielleicht meinen Sie ja ein anderes Datenblatt, als bei den Freunden von pressw0rds verlinkt ist, oder ich habe Knöpfe auf den Augen.
      Na, und womöglich verraten Sie dem geneigten Leser auch einmal, für wen Sie arbeiten?

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