Im öffentlich-rechtlichen Rundfunk bemühen sich immer mehr Kolleg*innen, also Kolleginnen und Kollegen, das geschlechtsverwischende Binnensternchen akustisch umzusetzen. Ich muss sagen: Ich bin froher denn je, dass ich nicht beim Radio oder beim Fernsehen arbeite. Aber da mein einstiger Kollege Joachim Herbert das Resultat dieser Herausforderung so schön mit der Wortschöpfung „Gender-Schluckauf“ umschrieben hat, fühle ich mich bemüßigt, ein paar Takte über die praktischen Schwierigkeiten dieser akustischen Innovation zu intonieren.
Damit kein Missverständnis aufkommt: Die Absicht hinter dem Mit-Schluckauf-Sprechen ist gut. Ja, es ist wirklich gut gemeint. Aber wenn ich nur ganz kurz darüber nachdenke, schaltet mein Gehirn auf Englisch um und flüstert mir, dass students, teachers, butchers, bakers, doctors and nurses nur in einer Form existieren, der man das Geschlecht der Person nicht ansieht. Ob die im Berufs- oder Funktionsbezeichung die im Deutschen als generisches Maskulinum geltende Endung „er“ trägt oder nicht, spielt dabei keine Rolle. In den USA sind sogar Vornamen weit verbreitet, deren Besitzer nicht grundlos „she/her“ beziehungsweise „he/him“ in ihr Twitterprofil schreiben. In manchen Texten der New York Times lese ich einen ganzen Absatz, bis the author (tja, da geht es schon los: welcher bestimmte Artikel ist in unserer Sprache denn bitte genderneutral?) endlich das Geheimnis lüftet, ob ich mir nun eine Frau oder einen Mann vorstellen sollte.
Wer jetzt fragt: „Was geht Dich das an? Wir sind alle Menschen, das ist doch egal“, dem sage ich: Ja, ich will mir das vorstellen können. In den USA will ich mir sogar vorstellen können, ob die Person „schwarz“ oder „weiß“ ist, weil ich es sonst gar nicht bemerken würde, wenn die Redaktion aufgrund eines gender or racial bias ausschließlich alte weiße Männer befragen würde. Wem das noch nicht reicht, dem sage ich: Im Fernsehen oder auf Instagram sieht man das ja auch. Ich sehe in der ersten Sekunde, ob in einer Talkshow-Runde wieder mal nur alte Herren hocken. Warum also sollte die Zeitung weniger informativ sein als ein visuelles Medium? Ich brauche dann also unbedingt Fotos aller Protagonisten, um nicht einen langen Text komplett lesen zu müssen, bevor ich die Aussagen personalisieren kann (was dem Verständnis meistens sehr zuträglich ist).
Nehmen wir also mal als gegeben an, dass Medien-Rezipienten ein legitimes Interesse sowohl an einer gendergerechten Sprache als auch an der Information haben, wo in etwa auf der Genderskala die handelnden Personen sich bewegen. An dieser Stelle geht es dann nicht um theoretische Erwägungen, sondern um eine pragmatische Lösung. Die einfachste – wie im Englischen ein Wort für alle – scheidet aus dem besagten Grund aus, dass es als generisches Maskulinum rüberkommt.
Die Schluckauf-Lösung ist es aber eben auch nicht. Das wird deutlich, wenn man sich die Wortstämme anschaut und die Endungen im Singular und Plural:
Professor_innen
Student_innen
Journalist_innen
Bei solchen Vokalbelimporten geht’s noch, wenn man die unwillkürlichen Assoziationen wie „Professor außen“ außer acht lässt. Bei Worten auf -er ist es ebenso:
Bäcker_innen
Handwerker_innen
Meister_innen
Alle diese Wortformen werden so gebildet und aufgeschluckt, dass das männliche Stammwort klar und deutlich ausgesprochen wurde, bevor das „innen“ hinterhergehinkt kommt. Das löst aber nicht das sprachliche Problem im Singular, wenn ein konkreter Mensch mit Professortitel wie Lann Hornscheidt darauf besteht, seine Geschlechtsidentität als Privatsache zu behandeln. Als Autor kann man nur „Professor“ oder „Professorin“ schreiben oder sagen. Die Kopfgeburt Professx hat sich verständlicherweise nicht durchgesetzt. Zungenbrecher will kein Mensch.
Was für ein Gestammel durch den mutwilligen Schluckauf entstünde, wenn man ihn konsequent praktizierte, zeigen exemplarisch die Begriffe …
… Arzt und Koch.
„Ärzt*innen“ und „Köch*innen“ …
… kann man weder schreiben noch in einer zumutbaren Form aussprechen noch ohne Trommelfellkrampf rezipieren. Ärzt und Köch sind sprachlich Torsi. Auf andere Weise schlimm sind die Kolleg*innen. Denn der Kollege ist kein Kolleg. Andersrum gesagt: Kolleg*innen sind keine weiblichen Kollegen, sondern weibliche Kollege. Das Kolleg zu gendern ergibt weder etwas Sinnvolles noch einen gscheiten Nonsens.
Aber was dann? Doch lieber die Partizipiensprache? Studierende geht im Semester tagsüber, aber keinesfalls mit Schluckaufsternchen, denn niemand wüsste, ob das Studierende das bestandene Examen oder der Abbruch des Studiums ist. Außerdem sind Student*innen zeitweise Jobbende, wenn sie nicht gerade Covid-bedingt ein Jobende erlitten haben.
„Backende“ und „Kochende“ …
… haben außerdem die meisten Zeit etwas anders zu tun, denn dann sind sie Einkaufende oder Bestellende, Planende, Teigrührende, Brotausdemofennehmende, Fleischklopfende, Gemüseschnippelnde.
Da es auch keine Journalierenden gibt (sowenig wie Germanistikprofessierende), bleibe ich dann doch lieber beim Christian-Ude- und Gewerkschafterdeutsch, liebe Kolleginnenundkollegen, und überlasse das Erfinden einer schluckauffreien Genderneutralität klügeren Köpf*innen.
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In 20 Jahren heißt es dann Astronauteninnen*
😛
Wieso erst dann? Es gibt doch schon längst welche.
ja, aber bislang wird nur fast so dämlich gegendert wie in meinem Beispiel…
Aber guter Punkt. Bei einer Bewerbung will man Farbe und Geschlecht ev. neutralisiert haben, aber als Leser ev. nicht. Und mich reißt der Schluckauf immer aus dem Text. Wenn es um die Forschungsergebnisse zu Covid von Wissenschaftler:innen geht, will ich über die Sache nachdenken und nicht darüber, daß es von Männern und Frauen erforscht wird – das setze ich eigentlich voraus, das muß man mir nicht extra sagen.