Waren das noch Zeiten, als Kauferings Bad Guy Karlheinz Schreiber hieß und nach Kanada flüchtete, weil er in seiner Villa an der Raiffeisenstraße dem Zugriff der Staatsanwaltschaft ausgesetzt gewesen wäre. Der böse Bube von heute hockt auf der anderen Lechseite im Dorf, an der Leonhardistraße. Mit dem jovialen Superschurken der Strauß- und Kohl-Ära hat er durchaus Gemeinsamkeiten: Rolf Kron spielt lieber nach seinen eigenen Regeln, lässt jeden Respekt vor dem Rechtsstaat vermissen und überspannt nicht nur beim Sprücheklopfen gerne den Bogen – mit der wenig überraschenden Folge, dass nun eines Morgens eine Schar von Kripobeamten vor seiner Haustür stand. Der Fairness halber ist anzumerken, dass Schreibers Aktivitäten in der großen weiten Welt der Korruption zumindest nie das Wohlergehen seiner hiesigen Mitbürger bedrohten. Der Unternehmer hätte sich auch nie zu Schandtaten herabgelassen, von denen jede nur 17,43 Euro Umsatz einbringt. Diesen Gebührensatz dürfen Ärzte für ein „großes Attest“ (GOÄ-Nr. 75) liquidieren, das sie auf Patientenwunsch ausstellen. Mit solchen Schriftstücken, teilweise gebündelt mit Drohbriefen aus dem Quatschjura-Sumpfbiotop, raubten Masken-Hypochonder und aufständische Eltern vielen Lehrern, Ladeninhabern oder Polizisten anno 2020 den letzten Nerv. Übrigens wäre jemandem wie Schreiber nicht im Traum eingefallen, öffentlich um Spenden zu betteln, um sich gegen den selbstverschuldeten Ärger mit der Justiz zu verteidigen. Genau das tut Kron ungeniert – mit Hilfe einer selbst gegründeten „Bewegung“.
Von der Durchsuchung des Kronschen Anwesens am Mittwoch voriger Woche hatten nicht viele Menschen etwas mitbekommen. Die Polizei ging so geräuscharm und diskret vor, dass selbst unmittelbare Nachbarn davon erst erfuhren, als der Einsatz bereits beendet war und die Pressemitteilung die Runde machte, die Räume eines 57-jährigen Arztes aus dem Kreis Landsberg seien durchsucht worden. Nun wäre Rolf Kron nicht Rolf Kron, wenn er angesichts der für ihn wenig schmeichelhaften Berichte der Lokalpresse komplett auf Tauchstation gegangen wäre und so getan hätte, als gäbe es irgendwo noch einen Kollegen, auf den die Beschreibung passt. Zunächst wagte er sich nur leidlich maskiert auf die Bildfläche, natürlich nicht mit FFP2-Mund-Nasen-Schutz, sondern unter einer Social-Media-Tarnkappe: Als Leser auf der Facebook-Seite des Kreisboten den Artikel über die Razzia kommentierten, meldete sich plötzlich „Levana“ zu Wort.
Offiziell steht der Name für einen unorganisierten „Verbund“ von irgendwelchen (nirgends näher benannten) „impfkritischen“ – im Klartext: jedwede Form von Impfung ihrer Kinder vehement ablehnenden – Eltern, deren „Stammtische“ in der Landsberger Waldorfschule corona-bedingt nicht mehr stattfinden dürfen. De facto ist Levana das alter ego von Kron, quasi sein Künstlername. Die korrespondierende Website, deren Impressum im Facebook-Profil von Levana verlinkt ist, gehört ihm ganz allein. Es gibt nicht den Hauch eines Hinweises auf eine weitere Person, die etwas für oder als Levana im Netz posten würde. Diese von Kron erschaffene Kunstfigur teilte also nun (in der ersten Person Plural) den Facebook-Freunden des Kreisboten Folgendes über Kron (in der dritten Person) mit:
„Viele von Euch haben sicherlich schon mitbekommen, dass Rolf Kron heute eine Hausdurchsuchung hatte. Um so wichtiger ist es, dass wir die Initiative „Ärzte stehen auf!“ und das Ärztehilfswerk „Weißer Kranich“ unterstützen. Um allen Ärzten etc. zur Seite zu stehen, die unter solchen Repressionen leiden müssen und für Euch und Eure Kinder einstehen und auch auf die Straße gehen.“
Hilfswerk? Was für ein Hilfswerk? Wem hilft es und warum?
Wer den Link anklickte, landete auf einer Website, die scheinbar gar nichts mit Kron zu tun hat. Verantwortlich für „aerzte-stehen-auf punkt de“ sind offiziell zwei Kolleginnen von ihm, Magdalena Resch aus Weiden und Christine Roch aus Schwabach.
Resch hatte im November im Namen von über 300 Mitstreiter:innen – etwa zwei Drittel Ärztinnen mit hohem Anteil Homöopathinnen, ein Drittel Tierärztinnen, Physiotherapeutinnen, Zahnärztinnen, Psychologinnen und Heilpraktikerinnen diverser Geschlechtszugehörigkeiten – einen so empörten wie empörenden offenen Brief an Angela Merkel geschickt. Die Kanzlerin möge alle Pandemie-Abwehrmaßnahmen canceln, da SARS-CoV nicht viel tödlicher sei als eine saisonale Grippe. Bis zu dieser Aktion war Magdalena Resch ein kaum beschriebenes Blatt – im Gegensatz zu einigen Mitunterzeichner:innen. In der Liste findet sich beispielsweise die einstige DDR-Frauenrechtlerin Kerstin Schön, die sich seit einigen Jahren „Rakuna“ nennt, große Probleme mit der Justiz hat (die abschließende strafrechtliche Würdigung der ihr zur Last gelegten Taten steht noch aus) und auf ihren Websites ein enormes Programm an wildem Esoterikgeschwurbel und Verschwörungserzählungen ausbreitet – bis hin zu Trump-Verherrlichungen und diversen Links in die beängstigende Fantasiewelt der rechtsextremen QAnon-Sekte. Die Neurologin, Psychiaterin und Sufi-Priesterin Schön mag ein Extremfall sein. Aber bundesweit sind etliche Hundert Ärzte und Ärztinnen Teil dubioser Netzwerke und beteiligen sich an Kampagnen, die mit ärztlichem Berufsethos und dem Stand der medizinischen Wissenschaft kaum vereinbar sind – dafür um so mehr mit Aberglaube, Hokuspokus und Sektierertum. Das ist bedenklich, auch wenn der Anteil dieser Mediziner:innen an der gesamten Ärzteschaft seriös geschätzt noch im Promillebereich liegen dürfte.
Die Rotarierin Roch ist in dieser Hinsicht aktiver und auffälliger als Resch. So findet sich ihr Name (wie der von Rolf Kron) in der Unterstützerliste des Passauer Vereins MWGFD, zu dem ich hier und hier alles notiert habe, was man wissen sollte.
Kron und Roch stehen auch beide in der Mitgliederliste der „Ärzte für individuelle Impf-Entscheidung“, einer im ganzen deutschsprachigen Raum aktiven Impfgegner-Organisation, die durch ihren irreführenden Namen den falschen Eindruck erweckt, die Entscheidung für oder gegen eine Impfung liege nicht beim einzelnen Bürger, der sich ärztlich beraten lässt.
Eigentlich müsste so ein Verein heißen: „Ärzte für eine pauschale Entscheidung gegen das Impfen.“ Denn individuell sind höchstens die Gründe, die gegen die verschiedenen von der Ständigen Impfkommission empfohlenen Impfungen vorgebracht werden. Die Mitgliederliste ist eine Art Branchenbuch für Eltern, die in ihrer Nähe eine Ärztin oder einen Arzt suchen, der nicht versucht, sie zu einer Impfung zu überreden. Fakt ist: Niemand muss sich oder seine Kinder impfen lassen, schon gar nicht gegen ärztlichen Rat. Im Gegenteil ist es Verantwortung jedes Arztes, vor einer Impfung festzustellen, ob Kontraindikationen vorliegen.
Aber zurück zu Christine Roch und hin zu ihrer Kron-Connection. Die Schwabacher Ärztin ist die einzige namentlich genannte Kontaktperson eines unregistrierten „Ärztehilfswerks“ mit dem Namen „Weißer Kranich“.
Anders als das Rotary Hilfswerk Schwabach, als dessen 1. Vorsitzende Roch fungiert …
… handelt es sich bei dem neuen Konstrukt nicht um einen eingetragenen Verein, und der Kranich beansprucht auch keine Gemeinnützigkeit für sich. Statt dessen beruht er auf dem Prinzip, das Netzpolitik.org und das ZDF Magazin Royale Ende 2020 als Querschenken tituliert haben: Nach dem schlechten Vorbild von Querdenken-Erfinder Michael Ballweg oder dem Schwindel-HNO und Corona-Bustour-Tingelbruder Bodo Schiffmann bittet der Kranich nicht um Spenden, sondern um Schenkungen. Letztere unterliegen keiner Kontrolle durch irgendwelche Kassenprüfer oder Aufsichtsgremien. Der Topf, in den das Geld fließt, ist eine Black Box. Das heißt: Die Verwendung der Einnahmen ist völlig intransparent – zumindest solange, bis das Finanzamt oder die Steuerfahndung auf die Idee kommen, mal genauer hinzuschauen (hierzu hat Anwalt Jun ein paar sehr spannende Überlegungen angestellt).
Falls es keine weitere von Rolf Krons Münchhausiaden ist, sind die beiden Damen allerdings lediglich seine Strohfrauen. In einem Pseudo-Interview* auf dem Youtube-Propagandakanal seiner Levana behauptet er nämlich scheinbar beiläufig:
Auf deren Website ist der Name des Kauferingers zwar nur bei den Unterzeichnern des Briefs an Merkel zu finden. Das schließt aber nicht aus, dass er tatsächlich der Strippenzieher war und sich nicht nur damit brüstet. Erstens ist Kron in der Szene der geschäftsmäßigen Impfgegner, Virenleugner und Globulisten bestens vernetzt, zweitens hat er sich bereits bei den Levana-Kundgebungen in Landsberg im vorigen Frühjahr im Hintergrund gehalten und das Anmelden mehrerer Demonstrationen Mitstreiter:innen überlassen, die keiner kannte, nur um dann zu passender Zeit aus den Kulissen hervorzutreten. Man kann sagen: Seine Masche ist inzwischen bekannt.
Ob es Menschen gibt, die so dumm sind, in eine von Kron zu nicht ganz uneigennützigen Zwecken geschaffene Sparbüchse etwas einzuwerfen? Vor einem Jahr hätte man gesagt: So bescheuert kann doch niemand sein. Heute wissen wir: Das geht.
Aber gilt für den feinen Herrn Kron, der sich widerspruchslos „Doktor“ nennen lässt, obwohl er unpromoviert ist, denn nicht die Unschuldsvermutung?
Nun, nach der Strafprozessordnung gilt sie grundsätzlich für jeden, sogar für geständige Täter, solange sie nicht rechtskräftig verurteilt sind. Nun kommt das Aber: Von keinem Nicht-Juristen kann man verlangen, dass er mit dieser Begründung bei einem Menschen beide Augen zudrückt, der nicht nur in flagranti bei seinen Missetaten erwischt wurde, sondern sogar noch die offene Bühne dafür gesucht hat. Insofern besteht die Unschuldsvermutung vielleicht noch im Hinblick auf die Frage, in welchen konkreten Fällen durch das Verteilen vorgefertigter Maskenbefreiungsatteste der Straftatbestand des Ausstellens unrichtiger Gesundheitszeugnisse im Sinne des § 278 des Strafgesetzbuches erfüllt ist. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn das Attest zur Vorlage bei einer Behörde bestimmt ist. Will sich jemand damit nur den Zugang zu einem Supermarkt ohne lästigen Mundschutz ertricksen, sieht die Sache anders aus.
Dies lässt Spielraum für jede Menge juristische Spitzfindigkeiten, die lediglich für das Gericht relevant sind, das – wenn denn am Ende Anklage erhoben wird – ein revisionssicheres Urteil fällen muss. Für die ethische oder moralische Beurteilung von Krons Handeln durch uns Mitbürger spielt diese Betrachtung keine Rolle. Denn Kron, der sich in der Rolle der verfolgten Unschuld gefällt, ist so geständig, wie ein Missetäter nur sein kann: Im besagten Youtube-„Interview“ verrät er ohne Not, dass er eine Mitarbeiterin mit der Aufgabe betraut hat, in vorgedruckte und von ihm bereits unterschriebene Atteste die Namen von Patienten einzutragen, die er (noch) nicht untersucht hat. Dass es sich um Gefälligkeitsatteste handelt, leugnet Kron also in der Sache nicht. Er drückt es nur anders aus.
Dominic Wimmer attestiert Kron im Landsberger Tagblatt vom 18. Januar eine „verzerrte Wahrnehmung“. Das stimmt in jeder Hinsicht. In seinen Video-Verlautbarungen hat Kron zum Beispiel die Chuzpe, sich vom Täter zum Opfer zu stilisieren und den Medien vorzuwerfen, sie betrieben eine Täter-Opfer-Umkehr. Er greift sogar das Tagblatt an, das ihm in einem Umfang wie kein anderes Medium immer wieder Raum zur Darstellung seiner Sichtweise geboten hat.
Wie Wimmer schreibt, mag es durchaus sein, dass der Mann mit dem gänzlich fehlenden Unrechtsbewusstsein zwar strafrechtlich mit einem blauen Auge davonkommt, sein standes- und, wie ich finde, auch sittenwidriges Verhalten ihn am Ende aber die Approbation kostet: Jede Patientin und jeder Patient, die oder der sich an ihn gewandt hat, weil ihr Hausarzt oder seine Hausärztin aus gutem Grund nicht bereit war, eine eingebildete Krankheit zu attestieren, hat das in betrügerischer Absicht getan. Kron hat dem Betrug, der Nötigung oder der Vorteilserschleichung zum potenziellen Schaden der Gesundheit Dritter nicht nur Vorschub geleistet, er hat den Leuten solche Delikte überhaupt erst ermöglicht. Eigentlich hat er dabei sogar die Möchtegern-Betrüger betrogen. Diese mussten oft genug feststellen, dass so ein Wisch das Papier nicht wert war, auf das es gedruckt war – und damit hatte er rechnen müssen.
Entscheidend ist aber etwas anderes. Kron hat die Ausbreitung des Sars-Coronavirus 2 auf dreierlei Weise gefördert: Während er dessen Gefährlichkeit herunterspielte, impfte er seinen Anhängern regelrecht Angst vor den beiden wichtigsten Prophylaxe- und Eindämmungsmöglichkeiten ein, nämlich dem Tragen einer Schutzmaske und der Schutzimpfung.
Zu so einem Verhalten gehört ungeachtet einer strafrechtlichen Würdigung eine erhebliche Dosis krimineller Energie. Angesichts der bereits fast 50.000 Toten, der zwei Millionen Infizierten, von denen viele lange unter den Folgen leiden werden, und der vielen zerstörten beruflichen Existenzen in Kultur, Handel und Gastronomie ist das, was Rolf Kron getan hat, wirklich kein Kavaliersdelikt. Wer zu ihm hält, macht sich mitschuldig.
* Krons Stichwortgeberin bei dem im Stil eines Interviews geführten PR-Zwiegespräch war keine Journalistin, sondern eine Augsburger Yogalehrerin und Heilpraktikerin, die als „Rose Gruner“ auftritt und mit richtigem Namen Petra Rosner-Gruner heißt. Sie wird den Zuschauern nicht vorgestellt und verrät auch nicht selbst, wer sie ist oder wie sie dazu kommt, für den Levana-Propagandakanal den Hausherrn zu interviewen. Öffentlich war sie bisher im Kontext von Levana noch nicht aufgefallen.
Sie sind der oder die 4571. Leser/in dieses Beitrags.
Eine Antwort auf „Rolf Kron, seine Stehaufärztchen und der weiße Kranich“