Klarstellung zur Verlegerbeteiligung bei der VG Wort

Ich sage es nicht gerne, aber es gibt bösartige und intrigante Journalisten, die lieber anderen die Worte im Mund verdrehen, statt ordentlich zu recherchieren und sachlich darüber zu schreiben. Wenn sie besonders bösartig sind, nutzen sie ihre eigene verzerrte Darstellung der Realität als Begründung, Kollegen aufzufordern, aus dem Berufsverband auszutreten, den sie selbst nach erfolglosen Versuchen, andere Ehrenamtliche per Online-Mobbing zu demotivieren, verlassen haben.

Ein Zeitgenosse dieses Schlages verbreitet seit längerer Zeit bei jeder sich bietenden Gelegenheit die Mär, der DJV im Allgemeinen sowie der DJV-Bundesvorsitzende und ich im Besonderen seien für eine „Teil-Enteignung“ der Journalisten zugunsten der Verleger. Diese Behauptung steht im Kontext der Umsetzung der Europäischen Richtlinie zum Urheberrecht im Digitalen Binnenmarkt (DSM-RL) in deutsches Recht. Neuester Aufhänger für den Kollegen, der gerne seine eigenen Tweets retweetet, ist die Stellungnahme des DJV zum Entwurf des Bundesjustizministeriums. Darin heißt es, die gemäß Artikel 16 wieder einzuführende Beteiligung der Verleger an den Einnahmen der Verwertungsgesellschaften aus der Gesetzlichen Vergütung sei unter Journalistinnen und Journalisten nicht unumstritten, da „die Urheber“ etwas abgeben müssten.

Diese Formulierung in dem für kundige Mitarbeiter des BMJV geschriebenen Papier ist insofern etwas unglücklich, als der bestimmte Artikel hätte gestrichen werden sollen. Urheber werden etwas abgeben müssen, aber nicht DIE Urheber. Beispielsweise sind Rundfunkmitarbeiter – und um einen solchen handelt es sich bei dem eifernden Twitterer – nicht betroffen. Sendeanstalten wie sein Stammkunde, der Deutschlandfunk, sind keine Verleger (weder im richtigen Leben noch im Sinne des Gesetzes). Wenn sich also ein Radiojournalist in Szene setzt als Opfer einer (Teil-)Enteignung, lügt er.

Woher kommt überhaupt das Gerede von der Enteignung? Und was hat das mit dem DJV zu tun? Zunächst Letzteres: Der besagte Kollege wurde nach seinem pompös verkündeten Austritt aus dem DJV bei den Kollegen von ver.di gesichtet. Dabei vertreten die Autorengewerkschaften in ver.di die gleiche Position wie der DJV. Dass der Mann immer nur gegen den DJV schießt, hat lediglich etwas mit seinen persönlichen Animositäten zu tun. Was er den Leuten, die er via Twitter mit seinen Tiraden behelligt, hingegen schuldig bleibt, ist eine Erklärung, was seiner Ansicht nach für uns Urheberrechts-Aktive in DJV und ver.di die Alternative zu einer Unterstützung der von ihm damals erbittert bekämpften EU-Richtlinie hätte sein können. Denn ohne diese Richtlinie stünde die VG Wort heute vor einer Zerreißprobe, die sie mit großer Wahrscheinlichkeit nicht überstanden hätte. Ich habe dies oft ausführlich begründet, auch hier im Blog, und vom Schriftstellerverband VS war sinngemäß das Gleiche zu lesen. Es geht dabei um die Buchverleger, die seit Anbeginn Mitglieder der VG Wort waren und denen durch (fast nur noch digitale) Kopiervorgänge ebenso wie den Schriftstellern Einnahmen entgehen. Unsere gemeinsamen Gegner sind und waren immer die Vergütungsschuldner, also die Hersteller der Technik, mit deren Hilfe unsere Werke unkontrolliert vervielfältigt werden können. Aus der Sicht praktisch aller Autoren, die die Verwertungsgesellschaften aus ihrer ehrenamtlichen Arbeit von innen kennen, ist der richtige Ort, um über die Aufteilung des Kuchens zu streiten, der jeweilige Sitzungssaal bei den VGs und nicht der Saal, in dem uns die Industrievertreter gegenübersitzen, die weder uns noch den Verlegern freiwillig eine faire Vergütung zahlen würden.

Der neue Gesetzentwurf deckelt übrigens den Verlegeranteil bei einem Drittel, früher betrug er bei wissenschaftlichen Texten die Hälfte. Bei welcher Quote wir uns mit den Verlagen einigen, bleibt Sache der VG-Mitglieder; die Politik lässt uns den Spielraum. Und da bei der VG Wort jede Berufsgruppe ein Vetorecht hat, mit dem sie eine als unfair empfundene Quote kippen kann, haben alle Beteiligten eine hohe Motivation, einen guten Kompromiss zu finden.

Nicht mit am Tisch sitzen bei diesen Verhandlungen und Abstimmungen die Zeitungsverleger. Sie waren nie Mitglieder der VG Wort. Deshalb können sie ihre Interessen auch nicht formell einbringen, sondern höchstens nur aus dem Off maulen (wozu sie sich aber eher nicht herablassen). Die überschaubaren Tantiemen aus der Presse-Reprografie waren ihnen früher schon egal, so dass ich hier nicht mit großen Begehrlichkeiten rechne. Ihnen ging es immer um die ungleich bedeutenderen Pressespiegel-Einnahmen, und dabei haben sie aufgrund einer anderen Rechtslage seit vielen Jahren die Fäden in der Hand. Sie verkaufen Lizenzen an die Ersteller von Pressespiegeln und beteiligen uns Redakteure und Freie via VG Wort an den Erträgen. Daran ändert sich durch die Richtlinie und ihre nationale Umsetzung überhaupt nichts. Also findet auch hier nichts statt, was man mit der größten Phantasie propagandistisch zur Enteignung umdeuten könnte.

Bleibt als relevanter Bereich für Zugeständnisse an die Gegenseite nur der Online-Bereich. Hier fahren die Zeitungsverlage allerdings notgedrungen im Kielwasser der Buchverlage, denn bei METIS werden bis dato alle Texte der in der Publikumspresse üblichen Länge mit gleich langen Fachtexten gleichbehandelt. Letzteres muss nicht so bleiben. Die Zeitungsverleger grundsätzlich ganz leer ausgehen zu lassen, ist zwar nach dem Gesetzentwurf wohl nicht drin, aber eine Gleichbehandlung mit den Buch- und Fachverlagen ist halt auch nicht vorgeschrieben. Säße ich noch mit am Tisch, würde ich mich für eine Lösung aussprechen, bei der wir Journalisten selbst wählen können, welches Medium wir in welcher Höhe an den METIS-Erlösen beteiligen. Kann man sich bisher nur zwischen 30 und 0 Prozent entscheiden, wären dazwischen auch optionale Quoten von 10 und 20 Prozent denkbar. (Ach ja, Fun Fact am Rande: Es wäre schön, wenn sich die öffentlich-rechtlichen Anstalten wie einst die Verleger mit einigen Prozentchen zu einer Teilnahme an METIS verführen ließen. Gäbe es eine Anstaltsbeteiligung, bekämen unser verbalrabiater Kollege und seine Rundfunkkollegen höchstwahrscheinlich höhere METIS-Ausschüttungen als heute, wo sie nur an der Sonderausschüttung teilnehmen können.)

Ja, und all das hat wiederum gar nichts zu tun mit dem umstrittenen, in Artikel 15 geregelten Leistungsschutzrecht (LSR) der Presseverleger. Mein Berufsverband, der DJV, besteht auf einer fairen Beteiligung der Journalisten an den erhofften Einnahmen aus diesem neuen Recht. Niemand kann momentan seriös abschätzen, ob die Verlage dabei ihre Ziele erreichen werden. Aber es kann nicht angehen, dass diese Vergütungsansprüche vom Gegenseitigkeitsprinzip ausgenommen würden. Hätten unser besagtes Ex-DJV-Mitglied und seine Mitstreiter ihren Willen bekommen und die DSM-RL wäre nicht in Kraft getreten, könnten wir jetzt keinen Anteil an irgendwelchen LSR-Erlösen verlangen, denn es bestünde keine Aussicht, dass überhaupt ein Kuchen gebacken würde, von dem wir uns ein Stück sichern könnten. Die Unterstellung, uns  würde etwas weggenommen, erweist sich hier also als besonders absurd. Aber was ein echter Polemiker ist, der lässt sich ja von der Realität nicht erschüttern.

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