„Ohne Wohlstand kein Klimaschutz, sagen die einen.
Ohne Klimaschutz kein Wohlstand, sagen die anderen.
Beide haben recht.
Unser Wohlergehen und die Lösung dieses Menschheitsproblems hängen untrennbar zusammen – jetzt mehr denn je.“
Mit diesen Worten beginnt die soeben erschienene Folge 1 meiner brandeins-Serie „Der neue grüne Deal“. In der Rubrik „Was Wirtschaft treibt“ beschreibe ich mögliche Wege in eine Wirtschaft, die sich nicht mehr vom Kohlenstoff treiben lässt – und auch nicht mehr treiben lassen darf, wenn sie eine Zukunft haben will.
Die Redaktion und ich haben das Ziel, einen gesellschaftlichen Dialog mit anzuschieben, der momentan nicht vorankommt, weil zwei Lager große Schwierigkeiten miteinander haben. Auf der einen Seite gilt es mit all jenen ins Gespräch zu kommen, die Warnungen vor dem Klimawandel immer noch grundsätzlich für alarmistisch halten, auf der anderen mit all denen, die glauben, die Weltwirtschaft müsse auf einen radikalen Schrumpftumskurs (De-Growth) gebracht werden. Meine Überzeugung ist, dass zwar die Art, wie wir Wohlstand messen, und die gegenwärtige Wachstumsideologie auf falschen Prämissen beruhen; wie die Ökonomin Maja Göpel völlig zu Recht kritisiert, vermindert eine Tankerhavarie absurderweise nicht nur nicht das Bruttoinlandsprodukt, sondern die Reinigung der Strände steigert es sogar noch. Deshalb hat aber nicht die Marktwirtschaft als Ganzes ausgedient. Vielmehr bedarf sie da, wo der Markt erkennbar versagt, korrigierender Eingriffe und strikter Regeln. Natürlich muss die „Schadschöpfung“ (Göpel) ebenso in die Bilanz einfließen wie die Wertschöpfung, zu der beispielsweise auch die unbezahlten Ökosystemleistungen gehören, die ein intakter Wald für die Volkswirtschaft erbringt, indem er CO2 bindet, Wasser speichert und durch seine Verdunstung für Abkühlung sorgt.
Dieser Auftrag gibt mir die Gelegenheit, im Langstreckenformat ein Thema abzuhandeln, das mich schon ganz zu Beginn meiner journalistischen Laufbahn bewegte: In ein paar Tagen ist es 42 Jahre her, dass mich der ZDF-Moderator Roderich Frantz bei der Aufnahmeprüfung an der Deutschen Journalistenschule fragte, weshalb ich diesen Beruf ergreifen möchte. Wörtlich kriege ich meine Antwort nicht mehr zusammen, aber sinngemäß: „Ich möchte über die Grenzen des Wachstums schreiben.“ Die Frage, was aus unserem Planeten wird, war 1978 bereits hochaktuell: Seit der Club of Rome die vom MIT erstellte Studie „The Limits to Growth“ veröffentlicht hatte, berichteten Wissenschaftsjournalisten im Fernsehen viel über Treibhausgase, den Temperaturanstieg in der Atmosphäre, das drohende Abschmelzen der Polkappen und den daraus resultierenden Anstieg des Meerespiegels. 1975 hatte der CDU-Querdenker Herbert Gruhl den Bestseller „Ein Planet wird geplündert“ veröffentlicht.
Meine Vorbilder waren Horst Stern und Hoimar von Ditfurth, der mit seinem Ko-Moderator Volker Arzt in der ZDF-Sendung Querschnitt warnte, wir sägten an dem „Ast, auf dem wir sitzen“. Es gab noch keine Grünen, an Ruhr und Saar wurde Steinkohle gefördert und verfeuert, die Autos hatten keinen Katalysator, Spraydosen rissen ein Loch in die Ozonschicht, Flüsse schäumten vor Phosphat.
Damals schien viel in Bewegung zu kommen. Als ich 1983 meine Diplomarbeit über Horst Sterns Print-Magazin „natur“ schrieb, hatte ich das Gefühl, Umweltthemen seien inzwischen so gut von erfahrenen Kollegen abgedeckt, dass ich mir nicht unbedingt auch noch in diesem Bereich einen Job suchen muss. Bald schrieb ich über die IT-Wirtschaft, das andere große Trendthema jener Jahre. Mit Energiethemen habe ich mich nur sporadisch befasst, unter anderem als externer Redakteur eines Sonderhefts der Technology Review vor elf Jahren und später mit der Brandeins-Langstrecke „Woher nehmen wir eigentlich die Energie?“.
Die neue Serie führt mich also nun „back to the roots“. Ich sehe das mit gemischten Gefühlen. So gut es sich anfühlt, mit anzupacken bei der Suche nach Wegen aus der Klimakrise, so traurig ist es, dass es überhaupt noch nötig ist, solche Texte zu schreiben. Das „Risikoparadox“, wie Ortwin Renn es nennt, besteht leider nach wie vor: Die Menschen, die sich vor den völlig falschen Dingen fürchten, werden einfach nicht weniger.
Beim Klimaschutz ist es wohl genauso wie beim Social Distancing und Ausgangsbeschränkungen. Christian Drosten seufzte neulich: „There is no glory in prevention.“ Wer Vorsorge trifft, sollte nicht auf Ruhm hoffen. Über diesen Satz mögen diejenigen nachdenken, die immer noch meinen, Wissenschaftler von Stefan Rahmstorf und Joachim Schellnhuber über Otmar Edenhofer bis zu Michael E. Mann nähmen sich zu wichtig. Wir haben noch eine Chance, beim Klimawandel das Schlimmste abzuwenden, wenn so viele mitmachen wie bei der Corona-Prävention.
In dem Sinne: Bitte jetzt die Brandeins kaufen, lesen, dran bleiben. Herzlichen Dank!
Sie sind der oder die 1334. Leser/in dieses Beitrags.